# taz.de -- Krönung von Charles III.: Der Regenkönig | |
> Die Krönung des britischen Königs wird auch weitab von den Kameras rund | |
> um Westminster Abbey begangen. Aber nicht immer mit Jubel. | |
Bild: Das Königspaar auf dem Balkon von Buckingham Palace, Samstag | |
LONDON taz | Wer erwartet hatte, dass London zur Krönung von Charles III. | |
und seiner Königin Camilla glänzen würde so wie vor knapp einem Jahr zum | |
70. Jubiläum der Queen, wurde am Samstag enttäuscht. Klar, vor den Kameras | |
der Welt rund um die Westminster Abbey, wo [1][die Krönungszeremonie] mit | |
allem Prunk stattfand, glänzte und jubelte fast alles. | |
Das Polizeiaufgebot in London war sogar das größte aller Zeiten mit um die | |
11.000 Beamt:innen. Scharfschütz:innen waren sogar auf dem Dach des | |
Buckingham Palace plaziert. Als der Vorsitzende der größten | |
antimonarchischen Organisation „[2][Republic]“ königsfeindliche Plakate aus | |
einem Kleinlaster ausladen wollte, wurde er mit anderen festgenommen, | |
passend zur neuen [3][Verschärfung des Polizeigesetzes]. Zwischenrufe gegen | |
den König gab es später trotzdem. | |
Dort wo die Kameras nicht waren, herrschte diesmal oft nur die gewohnte | |
Leere. Zudem war der Krönungstag ein gewöhnlicher Samstag, die Geschäfte | |
waren geöffnet. Ein Busfahrer klagte gegenüber der taz, dass er wegen der | |
abgesperrten Innenstadt den ganzen Tag lang Menschen erklären musste, wie | |
sie jetzt an ihr Ziel kämen. | |
Königliche Dekoration gab es nur in einigen Geschäften und in den | |
Haupteinkaufsstraßen, hier und da war auch der eine oder andere Pub mit ein | |
paar billigen Fähnchen geschmückt. Straßenfeste gab es vor allem in | |
wohlhabenden konservativen Gegenden wie Chelsea und Kensington, nicht bei | |
den jüngeren und diverseren Gemeinschaften in Gegenden wie Tottenham, Brent | |
oder Brixton. Überraschungen gab es dennoch. | |
## Eine Ausrede für laute Musik | |
Bereits am Freitag konnte in einer Straße in Hackney ein alter roter | |
Briefkasten gesichtet werden, auf dem ein gestricktes Häubchen mit | |
handgemachten Königs- und Königinpuppen zu bewundern war., daneben eine | |
Häkeldecke mit einem königlichen Zitat: „Die Zukunft der Menscheit kann nur | |
dann gesichert werden, wenn wir unser Leben als Teil der Natur | |
wiederentdecken, statt von ihr zu leben.“ | |
Man wolle trotz der berechtigten Kritik an der Königsfamilie an den Feiern | |
beteiligt sein, erklärt der 75-jährige Clifford Headley, Vorstandsmitglied | |
des karibischen Kulturzentrums [4][Hibiscus] im Ostlondoner Bezirk | |
Stratford. Die Monarchie bleibe ja eine wichtige und bei vielen beliebte | |
Institution. Deshalb hat er zwei Veranstaltungen mit „afro-kulturellem“ | |
Kern organisiert, eine familienfreundliche für alle und eine zweite für | |
jüngere Menschen mit MCs und Reggae, Drill und anderen musikalischen | |
Darbietungen. | |
Die 64jährige Pearl Boatswain sieht es in ihrer Südlondoner Wohngegebend | |
zwischen Brixton und Camberwell anders. Sie und ihr Soundsystem-Partner | |
Toby Broom hätten sich nur deswegen auf die Liste der königlichen Feiern | |
eintragen lassen, weil es ein guter Grund war, Lautsprecherboxen auf ihren | |
Balkon aufzustellen, ohne dass sich jemand über den Sound beschweren würde, | |
erläutert sie. | |
„Wenn mein Dad denken würde, dass ich zu einem königlichen Event gehen | |
würde, würde er sich im Grab umdrehen“, versichert sie. Ihre Eltern hätten | |
in Carriacou in den Grenadinen als Menschen zweiter Klasse gelebt. „Nachdem | |
sie nach England zur Arbeit angeworben wurden, belohnte das Land sie mit | |
dem schlechtesten Jobs, Unterkünften und anderen Ungerechtigkeiten.“ | |
Deshalb plant sie Sounds zum Thema „Stoppt polizeiliche Schikanierung | |
schwarzer Menschen im Vereinigten Königreich“. | |
[5][Im Lloyds Park in Croydon] am südlichsten Rand Londons haben sich am | |
Samstag am frühen Nachmittag an die 30 Personen zu einer Hindu-Zeremonie | |
versammelt. Vom Himmel regnet es so erbärmlich, dass sich die Gruppe unter | |
einem Baum retten muss. Priester Parneshwar Govind Das zündet hier unter | |
großen Schwierigkeiten ein Opferfeuer an und betet, dazu läutet eine Frau | |
mit einem Glöckchen. Neben einem Topf Ghee, mit dem das Feuer gespeist | |
wird, steht ein kleines Bild von Charles und Camilla. | |
Nitin Meta, 69, Vorsitzender der „Organisation Indische Vegetarier und | |
Veganer“ – er trägt einen Verdienstorden an seinem Mantel und hat sowohl | |
Charles als auch die Queen getroffen – erläutert, dass er und andere dies | |
zum Dank organisiert hätten: „Dafür, dass man uns nach der Flucht aus Kenia | |
hier in Großbritannien gut behandelt hat.“ | |
Deshalb hätten sie den Priester bestellt, der nun ein besonders Gebet zur | |
Ernennung von Königen durchführe. Eine halbe Stunde dauert die Zeremonie | |
und endet mit dem dreimaligen Umkreisen der Feuerstelle durch alle | |
Anwesenden. Danach tanzen noch zwei Mädchen. | |
Nicht alle Feiernden denken wie Nitin Meta. Kamal, 55, gibt an, dass er den | |
Briten nicht für das, was sie in Indien anstellten, vergeben kann und | |
möchte. Er erzählt von seinem Besuch Amritsars und den Massakern unter | |
britischer Herrschaft. Dennoch sei heute alles komplizierter, seitdem das | |
Vereinigte Königreich mit Rishi Sunak einen Premierminister mit ähnlichem | |
Hintergrund wie er selber habe. | |
Auch Metas Tochter sieht die Royals eher skeptisch und als privilegiert. | |
„Andererseits“, findet sie, „wer kann nach Brexit und Boris Johnson | |
behaupten, dass die Menschen in diesem Land in der Lage sind, einen gutes | |
Staatsoberhaupt zu wählen?“ Was ihr Vater hier organisiert habe, bezeichnet | |
sie als schrullig und nimmt doch alles zur Erinnerung auf Video auf. | |
Auch in der „[6][New London Synagoge]“ in der Nähe von Abbey Road wird an | |
diesem Tag gebetet, wie in allen anderen Synagogen. Rabbiner Jeremy Gordon | |
belehrt die Gemeinde über die Geschichte der Rückkehr jüdischer Menschen | |
unter Cromwell und Charles II. und dass es seitdem Tradition und wichtig | |
sei, das Königshaus zu preisen, umso mehr heute, wo Charles III. sich als | |
Verteidiger des Glaubens überhaupt verstehe. Anlässlich der Krönung hat die | |
Synagoge die britische Nationalhymne neu auf Hebräisch übersetzt, sie wird | |
zur Feier des Tages vorgetragen. | |
## Er ist aber nicht die Queen | |
Auf einer Veranstaltung der protestantischen „[7][Newington Green Unitarian | |
Church]“ im Ostlondoner Stadtteil Hackney fragt sich Veranstalter Nick | |
Toner, ob Charles III. auch diese Gemeinschaft, eine Abspaltung der | |
anglikanischen Staatskirche, verteidigen würde. Eingeladen sei Charles | |
allemal. Für heute hat er Musiker:innen und Dichter:innen | |
eingeladen, die das Thema Monarchie mit Spaß und Humor behandeln können. | |
Doch es geht um mehr. Dieser Abend ist auf der Internetseite der | |
antimonarchischen Organisation „Republic“ empfohlen. | |
Zwei der Musiker:innen sind sich vollkommen klar, weshalb sie hier | |
heute spielen wollen. Sophie Crawford, 32, eine professionelle | |
Folkmusikerin und Organisatorin der Gruppe „[8][Queer Folk]“ gibt sich als | |
Sozialistin aus und hält das Königshaus als Verschwendung in Zeiten der | |
Not. „Ich werde unter anderem Joe Hill nach Paul Robeson singen“, sagt sie | |
– ein Gewerkschafter, der von der Polizei umgebracht wurde. | |
Steve White von der Punkband „[9][Steve White and the Protest Family]“ will | |
sarkastische Lieder spielen, mit denen die Band schon zum Jubiläum letztes | |
Jahr auftrat. „Ich habe keinerlei Toleranz für die Monarchie. Ich glaube | |
dass auch andere allmählich davon ablassen. Selbst wer noch romantische | |
Gefühle für die Queen hatte, fühlt mit Charles nicht mehr das gleiche.“ | |
Außerhalb der Feiernden in der Innenstadt bestätigen viele ähnliche | |
Meinungen. Von der taz befragte Brit:innen, Eingewanderte aus Spanien und | |
Litauen und auch Besucher aus Guernsey glauben, es reiche mit der | |
Monarchie. Eine Neuseeländerin und ein Australier sowie | |
Amerikaner:innen sind für die Monarchie, richtig überzeugt hören sie | |
sich jedoch auch nicht an. | |
[10][Laut dem Meinungsinstitut YouGov] unterstützen 62 Prozent aller | |
Brit:innen die Monarchie, allerdings sinkt der Anteil bei den | |
18-24-Jährigen auf 36 Prozent. Es ist diese Generation, die auf Instagram | |
und TikTok am meisten Spaß mit Parodien zur Inthronisierung hat, und mit | |
Videos, die sich über Charles, Camilla und den ganzen Prunk lustig machen. | |
Als Spaßobjekt hat die Monarchie bei ihnen doch noch „Zukunft“. | |
Derweil saßen die echten Monarchist:innen am Ende des Tages durchnässt | |
mit Plastikfähnchen in der U-Bahn. | |
7 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Kroenung-von-Charles-III/!5928783 | |
[2] https://www.republic.org.uk/ | |
[3] /Vor-der-Kroenungsfeier-in-Grossbritannien/!5928704 | |
[4] https://www.hibiscuscommunitycentre.co.uk/ | |
[5] https://insidecroydon.com/2023/04/29/coronation-vegetarian-picnic-lloyd-par… | |
[6] https://www.newlondon.org.uk/ | |
[7] https://www.new-unity.org/ | |
[8] https://queerfolk.co.uk/About | |
[9] https://protestfamily.com/ | |
[10] https://yougov.co.uk/topics/society/articles-reports/2023/05/03/where-does… | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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