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# taz.de -- Porträt Sascha Lobo: Dieser Mann hat nur einen Trick
> Viele Medien lassen sich von Sascha Lobo das Internet erklären. Denn er
> hat immer den passenden Satz, die "Punchline", parat. Für sein neues Buch
> zerreißen sie ihn. Warum?
Bild: "Natürlich biete ich hundert Ansatzpunkte, um mich anzugreifen": Sascha …
Natürlich ist es leicht, in Sascha Lobo etwas hineinzuprojizieren. Und noch
leichter, das mit nichts Gutem zu tun. Der unmögliche rote Irokesenkamm,
die mediale Dauerpräsenz sowieso, dazu ein kräftiger Schuss Arroganz und
Größenwahn.
Er will das Internet erklären und dann macht er auch noch Werbung für
Vodafone! Sascha Lobo ist ein Loboist - seine eigene Marke und ihr
Vermarkter. Der ist so tief drin in der eigenen schönen Warenwelt, der
merkt doch gar nichts, sagen die Kritiker.
Doch, der Großerklärer des Internets, der Einzige der deutschen Netzwelt,
der für einen Großkonzern Werbung macht, ist verletzt. Oder verstört?
Sascha Lobo sitzt in einem Café am Berliner Helmholtzplatz, Bezirk
Prenzlauer Berg, und versucht damit umzugehen, dass Kritiken ihm nahegehen.
Der 35-Jährige hat gerade ein Buch geschrieben, "Strohfeuer", sein erster
Roman. Die ersten Kritiken sind meist vernichtend. Das hat das Buch nicht
verdient - es ist keine große Literatur, aber eine kluge, unterhaltsame
Satire. Doch ob FAZ oder Welt, es ist eine Häme, die man selten liest im
Feuilleton.
Die ganze Abneigung der Kulturszene gegen Lobo scheint in die Rezensionen
gepackt. Die Kritiker machen dabei kaum einen Unterschied zwischen Stefan,
der unsympathischen Ichfigur im Roman, und Sascha Lobo.
Dieser Stefan ist ein Arsch, immer her hinter den 3 Gs: Geld,
Geschwindigkeit, Geschlechtsverkehr. Er nutzt Frauen aus, Freunde,
Mitarbeiter, Kunden. Lobo hatte damals auch eine Werbeagentur, spielte mit
beim Boom der New Economy Ende der neunziger Jahre, bis die Dotcom-Blase
laut zerplatzte.
Was ihn so kränke, sagt Lobo, sei, dass viele der Kritiker ihn mit einer
Figur gleichsetzen, die keinerlei Entwicklung durchmacht. "Wie fatal wäre
es, wenn ich als Mensch so wäre, wenn ich aus der Niederlage der New
Economy nichts gelernt hätte", sagt Lobo, der damals Mitarbeiter entlassen
musste, viele Schulden machte.
Gesicht des Netzes
Selbstverständlich sei es ein Vexierspiel mit der medialen Wahrnehmung,
sagt Lobo. "Natürlich biete ich hundert Ansatzpunkte, um mich anzugreifen,
aber ich dachte, das ist ein Mechanismus, den das Feuilleton durchschaut."
Er sei selbst überrascht, wie nah es ihm geht. Fahrig wirkt er, müde, trotz
zwölf Stunden Schlaf. Da ist keine Arroganz in seinem Reden, eher ein noch
ratloses Sich-selbst-das-alles-irgendwie-erklären-Wollen.
Im "Großbereich Internet und Gesellschaft", da fühle er sich zu Hause und
Kritik treffe ihn wenig. Aber nun, als Romanautor …"Ich fahre seit 2004
jedes Jahr zum Bachmann-Preis und bin auch nicht gerade der unbelesenste
Depp, aber ich stehe klar am Anfang. Deshalb nehme ich mir das auch so zu
Herzen."
Ob Kritik gerechtfertigt sei, entscheide natürlich nicht der Kritisierte -
und man könne sich nicht immer darauf zurückziehen, missverstanden worden
zu sein, sagt der Autor. Die Literaturszene funktioniert eben nicht wie die
Medien, die Sascha Lobo gern bedient. Auf allzu viel Selbstdarstellung
reagiert sie eher allergisch.
Lobo verdient als Blogger, Twitterer, Werbefigur und Berater sein Geld
damit, dem Internet ein Gesicht zu geben. "Pionier des Web 2.0",
"Vorzeigeblogger", "Klassensprecher des Internets" - die Medien geben ihm
ihre Labels und stärken seine Marke.
Er ist das Symbol für das Neue - für das Böse -, und das sagt viel mehr
über die Medien aus als über ihn. Sie nutzen dankbar, dass er zu vielem
etwas sagen kann und will - und das leicht verständlich. Da müssen sich die
Journalisten selbst nicht so tief einarbeiten.
Natürlich genießt er die Aufmerksamkeit. "Ich habe den Antrieb und
verleugne ihn zu keinem Zeitpunkt", sagt Lobo. 2009 hatte er vier
Interviewtermine oder Auftritte pro Woche. Und er sage häufiger Nein, als
man glaubt. Zum Amoklauf von Winnenden sollte er sich äußern. Aber er habe
sich nicht auf Kosten dieses Ereignisses profilieren wollen.
Gerade rief ein Börsenmagazin an und wollte ein Statement zu einer Fusion
auf dem IT-Markt. Es bekam keines. Wenn er davon erzählt, scheint die Welt
der traditionellen Medien erschreckend unoriginell, träge und ignorant.
Internet, hhmm, ach ja, fragen wir mal den Lobo mit dem roten Haar. Denn
der kann alles erklären - und das unterhaltsam. Sein Trick ist die
Punchline. Aber davon später.
Zehnmal sei er in den letzten zehn Wochen für den Gründer der Piratenpartei
gehalten worden, sagt Lobo. "Ich frage mich lieber nicht, was das über die
Medien sagt, über die Piratenpartei und mich." Nun, es ist auch
Showbusiness, und da kennt er sich aus. Seit 1996.
Damals im Studium erdachte er für ein Diplomprojekt einen Medienhelden, den
Instant Media Hero, der plötzlich überall auftaucht und mit seiner Frisur
auffällt. "Das Projekt liest sich zum Teil wie eine Blaupause für das, was
mir später, ich sag mal: passiert ist", sagt Lobo. Einige Strategien und
Mechanismen von damals habe er sich gemerkt. Der Rest: Zufall, Glück.
Und die Punchline. Der Satz, der im Gedächtnis bleibt. So kam er damals zu
Maybrit Illner, seinem ersten Talkshowauftritt. Der Redaktionsvolontär fand
einen Satz toll, den Lobo bei einer Veranstaltung zu seinem ersten, mit
Holm Friebe verfassten Buch "Wir nennen es Arbeit" sagte. Den Satz hat er
vergessen.
Aber Lobo hat daraus gelernt: sich gut vorbereiten und zitierfähige Sätze
zurechtlegen. "Die Punchline ist mein einziger Trick, und mich verwundert,
dass das nicht mehr Leute machen", sagt er. Die Frisur dagegen stärkt nach
außen zwar die Kunstfigur Sascha Lobo, aber eigentlich wirkt sie nach
innen. Sein Aussehen ist ein Spiel mit der Lächerlichkeit. Schutzschild und
Legitimation.
"Das ist kein Fetisch der Erniedrigung, sondern ein Ausloten: Wie kommt es,
dass man sich den Leuten gegenüber schlecht fühlt?", sagt Lobo. Sein
argentinischer Vater, stets als Ausländer zu erkennen und sich nicht um
Kleiderkonventionen scherend, habe ihn früh gelehrt, dass Peinlichkeit im
Auge des Betrachters liegt, dass "normal nur eine Definition von irgendwem
ist".
Natürlich wird er öfter dumm angemacht. Auf der Straße seien die meisten
Reaktionen zwar positiv, aber im Internet gebe es viel Häme. Blogger und
Forenschreiber werfen Lobo vor, er spiele sich als ihr Sprecher auf. "Dabei
vermeide ich bewusst das Wir", sagt Lobo.
Neulich nannte ihn einer "Internetkaputtmacher". Da blieb er wieder ratlos.
Die selbst gegebene Aufgabe der Marke Sascha Lobo sei doch, "die digitale
Welt näherbringen zu wollen. Eine Form der Aufklärung: Das Digitale ist
nicht das Böse."
Die Weltverbesserer-Punchline. Und das Digitale hat Grenzen. Angewidert sei
er gewesen, erzählt Sascha Lobo, als zwei Stunden nach der
Loveparade-Katastrophe auf Blogs und Twitter schon die Schuldfrage geklärt
schien. Da müsse man auch einfach mal schweigen.
Genauso wie bei Privatem. "Ich überlege sehr genau, was von mir in die
Öffentlichkeit kommt. Der private Sascha Lobo ist nicht auf Facebook", sagt
er. Und natürlich ist auch der Lobo, der hier mit Kritik ringt, Teil der
Kunstfigur.
Vor dem Café steht sein Auto, bemalt im Himmelblau des Romancovers, auf dem
auch der rote Iro prangt. Auf der Frankfurter Buchmesse wird er so
vorfahren. Und die Kritiker wohl noch mehr reizen.
Er will es so, intensives Marketing, aber transparent. "Ich würde es für
bigott halten, so zu tun, als sei ich nicht Teil einer Inszenierung", sagt
Lobo. Und, noch so eine Punchline: "Es ist nicht mehr die Suhrkamp-Welt von
1957."
Doch ob das mit der Punchline im Literaturbetrieb funktioniert? Die Medien
wollen seine knackigen Zitate, aber ein ganzes Buch? Sascha Lobo sagt, er
zieht das durch, auch wenn er noch mehr schlechte Kritiken fürchtet. Auch
die bringen Aufmerksamkeit. Und einen Roman zu schreiben sei "das
Schwierigste, Erfüllendste, Schmerzhafteste, Persönlichste".
Er will wachsen in einem Bereich, in dem "meine Funktion nicht die ist,
Twitter zu erklären". Mit dem nächsten Roman könne er jedenfalls schon mal
drohen. Und da blitzt auf, was vielen Lobo-Kritikern abgeht: Selbstironie -
zu der auch gehört, sein Buch "Strohfeuer" zu nennen. Aber das ist alles
nur hineinprojiziert, natürlich.
5 Oct 2010
## AUTOREN
Daniela Zinser
Daniela Zinser
## TAGS
Podcast-Guide
Sascha Lobo
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