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# taz.de -- Berliner Fußballsensationen: Das bessere Pokalfinale
> Zwei Berliner Klubs, welche die Bewegung des sozialistischen Arbeiter-
> und des jüdischen Sports verkörpern, dürfen vom FC Bayern München
> träumen.
Bild: Zwei Klassen schlechter, na und? Sparta Lichtenberg gewinnt 5:1 gegen den…
Was sich im Halbfinale des Berliner Landespokals ereignet hat, lässt sich
prosaisch formulieren: Am Osterwochenende besiegte ein sechstklassiger
Berlinliga-Vertreter einen viertklassigen Regionalligisten; am Tag zuvor
hatte ein fünftklassiger Oberligist einen weiteren Regionalligavertreter
rausgehauen. Schaut man aber genauer hin, klingt es sensationell: Der SV
Sparta Lichtenberg schlug den BFC Dynamo 5:1, übrigens nach 0:1-Rückstand,
nachdem [1][der TuS Makkabi] den FC Viktoria 3:2 besiegt hatte. Noch
aufmerksamer hingeguckt, wird es sporthistorisch: Rausgeflogen sind der
zehnfache DDR-Meister BFC und der siebenfache Deutsche Meister Viktoria.
Weiter sind hingegen zwei Vereine, die die beinah vergessene Bewegung des
sozialistischen Arbeiter- und des jüdischen Sports verkörpern.
Einer dieser zwei Vereine hat garantiert die Chance, in der Hauptrunde des
DFB-Pokals einen Spitzenklub zugelost zu bekommen. Gehofft wird auf Bayern
München. Dortmund, Gladbach oder Schalke wären vermutlich eine kleine
Enttäuschung. Im Profifußball wirkt eben die Zentralisation des Kapitals.
Aber Klubs wie Viktoria oder Dynamo beweisen, es kann auch nach unten
gehen. Sparta und Makkabi demonstrieren hingegen, dass der Fußball, der uns
meist alternativlos scheint, verheißungsvoll sein kann.
Sparta Lichtenberg kickte von 1911 an im Arbeiter-Turn- und Sportbund
(ATSB). Das sozialistische Selbstverständnis wirkte bis auf den Platz: Der
Regionalverband führte 1922 ein „klassenloses Spielsystem“ ein: kein Auf-
oder Abstieg, sondern nur geografisch gegliederte Ligen. 1927 wurde das
wieder abgeschafft. 1928 spaltete sich [2][der Arbeitersport.] Die
KPD-nahen Lichtenberger fanden sich in der Kampfgemeinschaft für Rote
Sporteinheit (KG) wieder. 1933 verboten die Nazis beide, KG und ATSB. Für
die illegale Arbeit wurde der SC Empor Lichtenberg gegründet. Zu den
bekannten Namen gehörten Werner Seelenbinder und Erwin Nöldner:
Seelenbinder nahm 1936 als Ringer an den Olympischen Spielen teil und
plante dort Widerstandsaktionen. Nach Nöldner sind in Berlin ein Platz und
eine S-Bahn-Station benannt. Beide wurden 1944 ermordet.
## Vereine mit großer Tradition
Der TuS Makkabi bildete sich zwar erst 1970, aber steht für die im 19.
Jahrhundert begründete Tradition des jüdischen, politischen Sports. 1895
entstand in Konstantinopel der erste jüdische Turnverein der Welt, 1897
fand in Basel der erste Zionistenkongress statt und 1898 wurde mit Bar
Kochba Berlin der erste deutsche jüdische Sportverein gegründet.
Sowohl die jüdischen als auch die Arbeitersportler machten dem bürgerlichen
Sport Konkurrenz: Es gab eigene Arbeiterolympiaden (die erste 1925 in
Frankfurt/Main) und Makkabiaden (die erste 1932 in Tel Aviv). Die Nazis
zerschlugen den Arbeitersport 1933. Als „arisch“ geltende Klubs, die sich
bis heute für „normale Vereine“ halten, warfen ab 1933 ihre jüdischen
Mitglieder hinaus. Die NS-Machthaber ließen jüdische Vereine bis 1938
existieren, dann ging Repression in offenen Terror über.
Sparta und Makkabi stehen für [3][die bessere Geschichte des Sports.] Wer
von beiden im DFB-Pokal antritt, zeigt sich am 3. Juni. Neben dem
diesjährigen DFB-Pokal-Finale geht es in Berlin auch um den Landespokal: im
Mommsenstadion. Wie das Olympiastadion liegt das in Charlottenburg. Wer
historisch bedeutsamen Sport erleben möchte, geht dorthin.
12 Apr 2023
## LINKS
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[3] /Olympische-Spiele-der-Arbeiterbewegung/!5016005
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Kolumne Über den Ball und die Welt
Amateursport
Berliner Fußball-Verband
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Makkabiade
Fußball und Politik
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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