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# taz.de -- Kälteprotzen in Katar: Hier wird nur kalte Luft produziert
> In Doha bläst es aus den Klimaanlagen, als gebe es kein Morgen. Dabei
> wird es jetzt kaum mehr als 29 Grad warm.
Bild: Auch im Stadion sorgen die Klimaanlagen für unangenehme Kühle
Diese WM wird [1][als WM der Gebläse] in die Fußballgeschichte eingehen. Es
wurde so viel kalte Luft erzeugt wie noch nie. Überall wird aus vollen
Rohren geblasen. In Bussen, in Konferenzzentren, in U-Bahnen, ja sogar im
Stadion laufen die Klimaanlagen auf Hochtouren. Die Kaltluftlöcher glotzen
einen dutzendfach, hundertfach, tausendfach an, und ihre polare Fracht wird
mit unerbittlicher Penetranz in die Atmosphäre geschickt.
Vielleicht reicht meine Auffassungsgabe ja nicht aus, um den katarischen
Klimawahnsinn zu verstehen. Also frage ich mich immer noch: Warum in Allahs
Namen wird ein Stadion bei einer Außentemperatur von 26 Grad auf 22 Grad
heruntergekühlt – mit einem aberwitzigen Aufwand? Warum muss in
Innenräumen eine Temperatur von 17 oder 18 Grad herrschen, wenn es doch
völlig reichte, auf 23 Grad zu dimmen? Oder meinetwegen auch gar nicht.
Die ganz große Hitze in Doha ist vorbei, deswegen sprechen wir ja auch von
einer Winter-WM. Tagsüber wird es jetzt kaum mehr als 29 Grad warm, nachts
sinkt die Temperatur auf 18 oder 19 Grad ab. Die Gebläse laufen trotzdem
überall, was kein mitteleuropäischer Organismus auf Dauer aushält. Einer
nach dem anderen ist hier krank geworden. Der ewige Heiß-kalt-Wechsel mag
anfangs noch wie eine Kneipp-Kur wirken, nach drei, vier Wochen der
WM-Auszehrung treffen die arktischen Ströme auf ausgemergelte Körper ohne
Resistenzen.
Katarrh in Katar ist das Motto, und die Kollegen gehen fast alle an ihre
Vorräte an Aspirin oder Ibuprofen. Klimaanlagen sollen angeblich ein
Zeichen des Wohlstands sein, und je kühler man es in der Wüste machen kann,
desto reicher darf man sich fühlen. Toll, [2][wir domestizieren die Natur!]
Wir machen Wetter!
Ja, darum scheint es hier zu gehen: ums Kälteprotzen. Dieses Protzen findet
auch in anderen Bereichen statt. Das Grünflächenprotzen, obwohl das Wasser
knapp ist. Das SUV-Protzen, obwohl …, äh, nein. Fossile Brennstoffe sind
genug da. Und das ist wohl ein Teil des Protz-Problems.
Ich verstehe, dass man im katarischen Hochsommer kühle Ecken sucht, habe
aber auch gelesen, dass es viele dieser Fälle gegeben hat:
[3][Wanderarbeiter, die sich nach einer Hitzeschlacht auf der Baustelle,]
womöglich dehydriert, zur Erholung in eine katarische Kältekammer begaben.
Sie schliefen ein und wachten nie wieder auf. Der Kreislauf kollabierte.
Sie kehrten im Sarg in die Heimat zurück. Klimaanlagen sind Killer, auf
vielen Ebenen. Aber in Doha bläst es, als gebe es kein Morgen.
11 Dec 2022
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## AUTOREN
Markus Völker
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