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# taz.de -- Eskalation in Kosovo: Nur keine „bosnischen Verhältnisse“
> Militante Serben versuchen immer mehr Einfluss in Kosovo zu erzwingen –
> unterstützt von Serbiens Präsidenten Vućić. Nun droht die Lage zu
> eskalieren.
Bild: Unbeeindruckt: Eine Frau durchquert die Blockade serbischer Nationalisten…
Die seit Jahren schwelenden Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo
haben jetzt eine bedrohliche Dimension erreicht. Zwar gab es in den letzten
Jahren immer wieder Krawalle militanter Serben in Nordkosovo. Sie
protestierten militant gegen angebliche Übergriffe des seit 2008
unabhängigen Staates auf das von ihnen beanspruchte Gebiet. Doch jetzt wird
der Ton noch schärfer. Überall in der von rund 50.000 Menschen bewohnten
Region tauchten jetzt Straßensperren auf – selbst im Nordteil der Stadt
Mitrovica.
Militante Serben blockieren seit 18 Tagen in den Dörfern jene Straßen, die
zu den Grenzübergängen nach Serbien führen. Mit den Barrikaden protestieren
sie auch gegen die Verhaftung eines ehemaligen Beamten der Kosovo-Polizei.
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić versetzte am Montagabend die
serbischen Streitkräfte erneut in erhöhte Alarmbereitschaft. Innenminister
Bratislav Gašić erklärte sogar, Ziel sei es, „alle Maßnahmen zu ergreifen,
um das serbische Volk im Kosovo zu schützen“.
Am Sonntagabend fielen sogar Schüsse nahe der Gemeinde Potok. Die serbische
Seite machte zunächst Albaner dafür verantwortlich. Als sich aber
herausstellte, dass eine Patrouille der multinational geführten
Nato-Schutztruppe KFOR in der Nähe war und eine internationale Untersuchung
eingeleitet werden sollte, verschwand diese Behauptung wieder.
In den letzten fünf Jahren hatte Vučić die serbischen Streitkräfte sechsmal
in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Dies blieb bisher jedoch folgenlos.
Denn Vučić scheut den Konflikt mit der Nato-geführten KFOR. Dies könnte
jetzt aber mit dem [1][Rückenwind aus Moskau] anders werden, befürchten
einige unabhängige Analytiker in Prishtina. Denn Vučić fordert erstmals
von der KFOR, serbische Truppen, rund 100 Mann, sollten in Nordkosovo
stationiert werden.
## Serbische Pläne, albanischer Widerstand
Serbien, das Kosovo nach wie vor als eigenes Staatsgebiet betrachtet, will
jetzt eine militärische Präsenz in Kosovo durchsetzen und gleichzeitig die
serbisch dominierten Gemeinden in Kosovo zu einem serbischen
Gemeindeverbund mit eigenen Institutionen zusammenführen.
Aber diese Pläne stoßen auf den erbitterten Widerstand der kosovarischen
Regierung und der Mehrheit der ethnisch albanischen Bevölkerung unter
Regierungschef Albin Kurti. Bisher hat die Regierung der Forderung der
Serben, unterstützt von den Europäern, nicht nachgegeben. Kurti will keine
[2][bosnischen Verhältnisse] in Kosovo.
Die USA werden zudem der Stationierung serbischer Truppen in Nordkosovo
nicht zustimmen, heißt es aus kosovarischen Regierungskreisen. Darauf könne
man sich verlassen. Kosovos Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz
verweist zudem auf den Kompromiss in Bezug auf die Reisefreiheit – sowohl
die kosovarischen Nummernschilder wie auch Ausweispapiere sind von
serbischer Seite anerkannt worden. Sie deutet damit an, dass es bei all den
Spannungen in den letzten Monaten auch Fortschritte gegeben habe.
Dennoch müsse die Kosovoregierung weiter auf der Hut sein, fordern
politische Beobachter, Analytiker und Schriftsteller wie Shkëlzen Maliqi
und Veton Surroi, die vor Jahrzehnten den Krieg und die
Unabhängigkeitsbewegung durchlebt und mitgestaltet haben. Sie hatten immer
wieder, wie die Ministerin selbst, darauf verwiesen, dass bei der
militärischen Besetzung Kosovos durch Nato-Truppen 1999 das Gebiet nördlich
von Mitrovica ausgenommen war.
## Vučić duldet keine Opposition im Kosovo
Hier wurde in mehr als 20 Jahren eine von extremen Nationalisten,
Geheimdienstleuten und Kriminellen dominiertes serbisches Einflussgebiet
geschaffen, das unter der Kontrolle des jetzigen Präsidenten Vučić liegt.
Eine Opposition gibt es dort nicht. Als unabhängige Serben aus den Enklaven
des südlichen Landesteils sich vor wenigen Wochen dazu entschlossen, in der
Kosovoregierung mitzuarbeiten, wurden sie vom Vučićregime bedroht.
Vor allem [3][die französische Regierung] stand damals hinter der
Entscheidung, dieses serbische Einflussgebiet zu schaffen. Viele Albaner im
Kosovo trauen auch aus anderen Gründen der europäischen Politik trotz aller
anderslautenden Beteuerungen nicht zu, das Land wirklich zu beschützen und
in die EU zu führen. Sie vertrauen allein den USA. Angesichts der
prorussischen Position in Serbien hat der Kosovokonflikt wieder eine
internationale Dimension.
27 Dec 2022
## LINKS
[1] /Serbiens-Reaktionen-auf-den-Krieg/!5837801
[2] /Krise-in-Bosnien-und-Herzegowina/!5821767
[3] /Elf-Jahre-Unabhaengigkeit-des-Kosovo/!5570905
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Kosovo
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