# taz.de -- Deutscher WM-Titel im Fernschach: Wettkampf der Maschinen | |
> Deutschland gewinnt die WM im Fernschach. Den Reiz dieser Disziplin, bei | |
> der Computerprogramme sich duellieren, versteht indes kaum noch einer. | |
Bild: Weltmeister Matthias Kribben posiert vor einem Schachbrett | |
Beim Fernschach sind Millionenklagen wie im Fall Hans Niemann nicht zu | |
befürchten. Niemand dürfte Deutschland den gerade errungenen | |
Weltmeistertitel bei der 21. Fernschacholympiade im Nachhinein streitig | |
machen wollen. Die Hilfe von Computerprogrammen ist in dieser Disziplin gar | |
unerlässlich. Nach seiner Niederlage gegen Niemann in St. Louis hatte | |
Weltmeister Magnus Carlsen dem US-Großmeister Betrug durch Computerhilfe | |
unterstellt. | |
Der 19-Jährige sieht sein „Leben ruiniert“ und konterte mit einer [1][Klage | |
auf je 100 Millionen Dollar Schadensersatz] gegen den Norweger. Carlsen | |
muss nun wohl beweisen, dass Niemann auffällig oft wie ein Schachprogramm | |
spielte. | |
[2][Im Fernschach] dagegen duellieren sich mehr oder minder | |
Schachprogramme. So steht nach knapp drei Jahren die Fernschach-Olympiade | |
vor dem Ende – und Deutschland ist bereits Weltmeister. Ein Grund, darauf | |
stolz zu sein, gibt es wohl kaum. Das Sextett der älteren deutschen Herren, | |
die zwischen 55 und 70 Lenze zählen, hatte wohl vor allem die Penunzen für | |
die beste Computer-Hardware. „Da spielen doch nur Stockfish und Leela | |
gegeneinander“, zeigt sich Roland Schmaltz mit Blick auf die zwei stärksten | |
Schachprogramme überzeugt. | |
Der Baden-Badener Nahschach-Großmeister versteht den Reiz von Fernschach | |
nicht mehr – wie so viele andere Schachspieler, die sich davon abwandten. | |
Bei den rund 1.500 von einst 8.000 (anno 1991) verbliebenen deutschen | |
Fernschachspielern haben Rechner das Kommando übernommen. Die | |
Fernschachspieler geben nur die Züge der Gegner ein und bestimmen vor | |
allem, wann die Engines genug gerechnet haben. | |
## Weltmeister in Weltrangliste hinten | |
„Bei mir ist die Freude ob der überwiegenden Bedeutung der Engines verloren | |
gegangen – leider, denn Fernschach war für mich viele Jahre eine | |
bereichernde Art des Schachspiels, bei dem ich in erster Linie gelernt | |
habe, genau zu analysieren. Ich habe deshalb vor 18 Monaten meine | |
Fernschachlaufbahn beendet“, erzählt der Basler Matthias Rüfenacht. | |
Die sechs deutschen „Weltmeister“ sind starke Vereinsspieler, kaum mehr. | |
Der beste Nahschachspieler des Sextetts, Roland del Rio, liegt mit 2.224 | |
Elo-Ratingpunkten auf Platz 16.726 der Nahschach-Weltrangliste. Dass bei | |
der WM nicht viel Menschliches beigetragen wird, verdeutlichen weitere | |
Indizien: Die Remisquote liegt bei 95,5 Prozent. Von den bisher 467 Partien | |
wurden nur 21 entschieden. Logisch, wenn Stockfish gegen sich selbst spielt | |
und nur eine schnellere und damit eine minimal tiefer rechnende Hardware | |
den Unterschied macht. | |
Vier gewonnene Partien und kein einziger Verlust in 72 Duellen reichten so | |
den Deutschen, um den Titel zu gewinnen. Matthias Kribben (62), Stephan | |
Busemann (65), Hans-Dieter Wunderlich (70) und der 55-jährige „Youngster“ | |
Robert Bauer remisierten ihre jeweils zwölf Begegnungen. Der fünfte | |
Fernschach-Großmeister im Bunde, Robert Klaus Freiherr von Weizsäcker (67), | |
ist der Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Der | |
ehemalige Präsident des Deutschen Schachbundes (2007 bis 2011), der nie den | |
Glanz des großen Namens – wie erhofft – auf den Verband übertragen konnte, | |
gewann eine Partie. Del Rio war Sieger bei drei Duellen. | |
Vor den Top-Engines würde selbst Weltmeister Carlsen kapitulieren – so wie | |
in St. Louis gegen Hans Niemann: [3][Sollte der Ruf des Amerikaners] nicht | |
mehr reingewaschen werden, kann sich der 19-Jährige zumindest als | |
Fernschachspieler Erfolge verschaffen. Schließlich müsste Niemann dann | |
wissen, wie man Stockfish am besten einsetzt. | |
15 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Hartmut Metz | |
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