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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Nigeria: Vergiftete Atmosphäre
> In Nigeria stehen bald Wahlen an. Die Opposition hofft auf eine Rückkehr
> an die Macht – doch sie zerfleischt sich gerade. Ein unruhiger Wahlkampf
> droht.
Bild: Lagos am 1. Oktober: Obi-Fan bei einer Wahlkundgebung
Abuja taz | Wenige Monate vor den Wahlen in Nigeria wird die politische
Atmosphäre in dem Land mit 217 Millionen Einwohnern immer giftiger. Der
bisherige Präsident Muhammadu Buhari tritt nach zwei Amtszeiten nicht mehr
an, und seine Nachfolge bei den Wahlen im Februar 2023 ist völlig offen.
Die große Oppositionspartei PDP (People’s Democratic Party) hofft zwar auf
die Rückkehr an die Macht – aber ihr läuft die Zeit davon, ihre inneren
Spannungen zu sortieren, und diese nehmen einen zunehmend ethnischen
Charakter an, was für den Vielvölkerstaat Nigeria explosiv ist.
Die PDP führte das weltgrößte Schwarze Land 1999 von der Militärdiktatur
zur Demokratie unter ihrem damals weltweit respektierten Führer Olusegun
Obasanjo, der acht Jahre lang regierte. Aber 2015 verlor sie unter Führung
des glücklosen Präsidenten Goodluck Jonathan die Macht an Exdiktator
Muhammadu Buhari und dessen APC (All Progressives Congress), und heute ist
sie nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Im vergangenen Mai kürte die PDP einen Altpolitiker zum neuen
Präsidentschaftskandidaten: Atiku Abubakar, einst Obasanjos Vizepräsident,
der schon mehrere Präsidentschaftswahlen verloren hat – zuletzt holte er im
Jahr 2019 41 Prozent gegen 56 Prozent für den wiedergewählten Amtsinhaber
Buhari.
Die Idee war, dass der 75-jährige nordnigerianische Muslim den 54-jährigen
Südnigerianer Ezenwo Wike zum Vizepräsidentschaftskandidaten kürt. Wike,
Gouverneur des Ölstaates Rivers im Niger-Flussdelta, gilt als eine der
dynamischsten und zugleich kontroversesten Figuren in Nigerias Politik.
## Opposition profitiert von Krise
Stattdessen entschied sich Abubakar im Juli aber für Ifeanyo Okonwa, der
64-jährige Gouverneur des benachbarten Ölstaates Delta. Der Grund: Wike
fand, die PDP hätte einen anderen Präsidentschaftskandidaten aufstellen
sollen. Okonwa ist hingegen loyal.
Wike steht für eine Fraktion der PDP, die findet, nach dem muslimischen
Nordnigerianer Buhari müsse jetzt ein Nichtmuslim aus dem Süden an die
Macht kommen, nicht ein weiterer muslimischer Nordnigerianer wie Abubakar.
Eine Fraktion namens G5 (Fünf Gouverneure) innerhalb der PDP unterstützt
diese Argumentation. Die Abubakar-Fraktion aber verweist darauf, dass der
letzte PDP-Staatschef Goodluck Jonathan bereits ein nichtmuslimischer
Südnigerianer war, und findet, dass daher nun in der Partei wieder der
muslimische Norden an der Reihe sei.
Für die Regierungspartei APC von Präsident Buhari ist die Krise der
Opposition ein gefundenes Fressen. Sie hat für ihre
Präsidentschaftskandidatur 2023 einen Kompromiss gefunden: Bola Tinubu, ein
muslimischer Südnigerianer. Der ehemalige Gouverneur der Megastadt Lagos
hat den Nordnigerianer Kashim Shettima als Vizekandidaten gekürt, und die
APC ist damit gut aufgestellt.
Mittlerweile haben zwei einflussreiche Exgouverneure die PDP verlassen und
ziehen mit eigenen Parteien ins Rennen. Rabiu Kwankwaso und Peter Obi
treten jeweils für die NNPP (New Nigeria Peoples Party) und die LP (Labour
Party) an. Sie öffnen damit die politische Landschaft, die seit der
Demokratisierung 1999 faktisch ein Zweiparteiensystem war. Vor allem der
Geschäftsmann Obi scheint desillusionierte Jugendliche anzuziehen.
Zuletzt legte auch der Vorsitzende des PDP-Kuratoriums, Walid Jibrin, sein
Amt nieder, um die „Einheit der PDP“ zu wahren, wie er sagte. Immerhin ist
PDP-Geschäftsführer Iyorchia Ayu noch im Amt.
## „Fragiler Frieden ist bedroht“
PDP-Kandidat Abubakar versucht nun, den Schaden zu begrenzen. Vergangene
Woche sagte er auf einer Wahlkampftour im Süden, er werde den Weg für eine
Präsidentschaft aus dem südostnigerianischen Igbo-Volk ebnen – die einzige
der drei großen Volksgruppen Nigerias, die noch nie einen Präsidenten
gestellt hat. Das gilt als Hinweis, dass Abubakar bei einem Sieg 2023
eventuell nur eine Amtszeit lang regieren würde und dann dem Igbo Wike den
Vortritt lassen könnte.
Doch die größte Igbo-Lobbyorganisation SERG (South East Revival Group) hat
dies bereits zurückgewiesen: Sie unterstützt den abtrünnigen Kandidaten
Peter Obi. Abubakars Zusage sei „bloß ein politisches Statement“, sagte
SERG-Präsident Willy Ezugwu.
All diese Wirren nähren Sorgen, dass [1][Nigeria] eine unruhige Wahl
bevorstehen könnte. Der Dachverband der registrierten politischen Parteien
des Landes CNPP (Conference of Nigeria Political Parties) hat die
Nigerianer zu „höchster Wachsamkeit gegenüber Wahlfälschungskomplotten“
aufgerufen. Dies folgte auf Berichte, die regierende APC wolle per Gericht
die Wahlkommission zwingen, keine Computertechnologie bei der
Stimmenauszählung einzusetzen.
Die CNPP warnte vor „ernsten Konsequenzen“, sollte die Wahl „untergraben�…
werden: „Die Folgen wären undenkbar, könnten den fragilen Frieden des
Landes bedrohen und müssen um jeden Preis vermieden werden.“
12 Oct 2022
## LINKS
[1] /Nigeria/!t5007566
## AUTOREN
Emeka Okonkwo
## TAGS
Nigeria
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Westafrika
Nigeria
Schwerpunkt Islamistischer Terror
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