# taz.de -- Abschied in Großbritannien: „Die Königin war meine Queen“ | |
> Mitten im ostenglischen Ipswich haben sich hunderte Menschen versammelt. | |
> Sie die Trauerfeier für die Queen auf einer Leinwand. | |
Bild: Die Eheleute Dan und Steph Harris mit ihren Kindern beim Public Viewing i… | |
IPSWICH taz | Vollkommen leere Straßen empfangen die Besucher:innen am | |
frühen Vormittag auf dem Weg vom Bahnhof ins Stadtzentrum von Ipswich. Erst | |
mitten im Herzen der Stadt haben sich etwa 300 Menschen um eine digitale | |
Leinwand versammelt. [1][Sie wollen die Liveübertragung der Trauerfeier der | |
Queen ansehen.] Die Liegestühle und Stühle, die die Stadt aufgestellt hat, | |
sind voll belegt, einige Besucher:innen müssen stehen, andere haben auf | |
Treppen oder auf dem Boden Platz genommen. | |
Manche umarmen sich, halten sich an den Händen oder trocknen ihre Tränen. | |
Niemand spricht. Nur die Stimme einer Angestellten in einer Würstchenbude | |
in der Nähe ist zu hören. Dann erschallt eine Hymne über den Platz: Die | |
Liveübertragung beginnt. | |
Ipswich – das ist eine uralte Hafenstadt in Suffolk, etwa 100 Kilometer | |
nordöstlich von London, in den beiden Weltkriegen schwer von deutschen | |
Angriffen getroffen. Die etwa 140.000 Bürger:innen von Ipswich schienen | |
die Stadtverwaltung mit ihrem Interesse an der Königsfamilie zunächst | |
überrascht zu haben. Denn bei der Proklamation von König Charles III. am | |
Samstag vor einer Woche, zwei Tage nach dem Tod der Queen, hatten sich hier | |
6.500 Personen zum Public Viewing versammelt. Kurzum organisierte | |
Bürgermeister John Cook eine öffentliche Liveübertragung für die | |
Bestattungsfeier von Queen Elizabeth II. | |
## Dem verstorbenen Boss Respekt zollen | |
Für den 52-jährigen Stephen Black ist es selbstverständlich, die | |
Trauerfeier hier im Stadtzentrum öffentlich zu verfolgen. „Ich bin ein | |
Veteran der Royal Air Force, Station Wattisham“, berichtet der Mann mit | |
Verdienstorden an der Jacke. „Ich habe gemeinsam mit Prinz Harry und Prinz | |
William gedient.“ Es sei deshalb selbstverständlich, dass „Leute aus diesem | |
Regiment ihre Anteilnahme und ihren Respekt gegenüber ihrem verstorbenen | |
Boss zeigen“. Mit Boss meint er die Queen. | |
Die Eheleute Dan und Steph Harris, die ihre zwei Kinder mitgebracht haben, | |
kommen aus Framingham, etwa 31 Kilometer entfernt. Die Bestattungsfeier | |
öffentlich zu sehen, sei ihnen wichtig, damit die Kinder sich später daran | |
erinnern, erzählen sie. „Ipswich war einfach der nächstgelegene Ort für | |
uns.“ | |
Mechaniker Steven Malkin, 59 Jahre alt, schluchzt. Er trägt eine Jeansjacke | |
und ein rotes Kopftuch. „Ipswich ist meine Stadt und die Königin war meine | |
Queen“, sagt er. Schon als kleiner Junge sah er Elizabeth II. bei einem | |
Besuch in Ipswich. | |
Auch Angela Scrivener hat die Queen schon gesehen, im Finanzdistrikt | |
Londons, wo sie damals arbeitete. „Es war kurz nach dem Terroranschlag am | |
7. Juli 2005, und ich weiß noch genau, was sie damals anhatte“, berichtet | |
sie. Ihr Ehemann Jeff erklärt, das hier auf dem Stadtplatz sei wie ein | |
Gottesdienst in einer Kirche. „Die Choräle bewegen uns, weil wir gläubige | |
Christen sind.“ | |
## Sie merken, dass sich hier etwas Historisches abspielt | |
Einige Anwesende hat der Zufall hergebracht. Zum Beispiel Lauren Wright, | |
Esther South und Eve Abbott, alle 18 Jahre alt. „Wir sind rausgegangen, um | |
Freunde zu treffen“, berichtet Eve. „Meine Eltern haben sich beschwert, | |
weil ich die Bestattung nicht zu Hause im Fernsehen sehen wollte.“ Die drei | |
schildern, wie sie die Live-Übertragung dann plötzlich doch gefesselt habe, | |
da sie merkten, dass sich hier etwas Besonderes, Historisches abspiele. | |
„Plötzlich merkten wir, dass es etwas ist, wovon wir späteren Generationen | |
erzählen werden“, sagt Eve. | |
Nachdem der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, seine Predigt zum | |
Abschied der Queen in der Westminster Abbey beendet hat, bemerkt Victoria | |
Biutanaseva, 48, die mit ihren zwölfjährigen Zwillingstöchtern Litiana und | |
Lilibet gekommen ist, dass ihr die Worte sehr nahe gingen. „Es machte | |
keinen Unterschied, wer sie war, sie wurde einfach als Mensch mit Liebe und | |
Respekt geehrt.“ | |
Auch Edward John Gemmel, 41, der am hinteren Ende des Platzes von einer | |
Bank den Gottesdienst beobachtet, haben die Worte gefallen. Der Obdachlose, | |
der zahlreiche Tattoos im Gesicht trägt, sagt: „Am Ende landen wir alle in | |
der gleichen Grube.“ Er sei sehr traurig, „weil die Queen viel fürs Land | |
getan hat“. | |
Als im Gottesdienst in Westminster Abbey die Nationalhymne mit den Worten | |
„God Saves the King“ erklingt, erheben sich alle. Es fließen Tränen. Sogar | |
eine Polizeibeamtin muss sich das Auge wieder trocknen. Um 12 Uhr mittags | |
vermischen sich schließlich die Glocken aus dem Rathaus mit dem Ende der | |
Übertragung. Später, im Mannings Pub am Stadtplatz, hebt eine Runde | |
Geselliger die Biergläser: [2][„Cheers, to the Queen!“] | |
19 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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