# taz.de -- Wir fordern: Werbung für nachhaltige Produkte | |
> … weil alle wissen, dass wir das wenigste davon wirklich brauchen. Ohne | |
> staatliche Interventionen ist ein bewussterer Konsum nicht möglich. | |
Bild: Ernte von Bio-Weintrauben – der Handel macht das nicht ohne bestimmte H… | |
BERLIN [1][taz Panter Stiftung |] Weil ich weiß, dass die Waren, die ich | |
kaufe, viel zu oft in Plastik verpackt sind, versuche ich, den | |
Verpackungsmüll, so gut es geht, zu vermeiden. Es wird eine zweite | |
Verwendung für die Speiseeisschalen gefunden, die Kunststoffverpackung des | |
Toilettenpapiers wird als Mülltüte verwendet und die Farbkübel dienen noch | |
jahrelang als Putzeimer. | |
Weil ich es selbst gesehen habe, dass unzählige Plastikteile im Fangnetz | |
eines Nordseefischers aus dem Wasser geholt werden, weiß ich, dass im | |
Abfall viel Kunststoff in den Gewässern landet, nicht abgebaut werden kann | |
und die Meerestiere daran verenden. Dieses Erlebnis hat unsere ganze | |
Familie geprägt, wir sind zu fünft. Niemand in dieser Familie geht sorglos | |
mit Neukäufen, der Art der Verpackung und dem Wegwerfen nach kurzer | |
Nutzungsdauer um. Auch die Jüngste unter uns kann mit ihren sechs Jahren | |
verstehen, warum umsatzstarke Branchen die Werbung dominieren, dies zu | |
höherem Konsum führt und dass deswegen dafür gesorgt werden muss, dass | |
nachhaltige Projekte und Produkte durch die 20-Prozent-Regelung bekannt | |
werden. | |
Weil ich es gut machen will, erziehe ich unsere Kinder zu umsichtigen | |
Menschen. | |
Ich versuche, so gut es geht, Lebensmittel zu kaufen, die nicht | |
menschliches oder tierisches Leid verursacht haben, die saisonal sind und | |
nicht um die halbe Welt zu uns gebracht wurden. Unsere Kleidung soll eine | |
gute Qualität haben und wird viele Male weitervererbt, an Verwandte und | |
Freunde mit kleineren Kindern, an Freundinnen mit Kleidergrößen, die ich | |
mal hatte. Wenn es keiner braucht, bringe ich Kinderwagen, Inliner und | |
Kleidung zum DRK-Laden. Pappkartons und Obstkisten aus Holz verbrennen wir | |
im Ofen. Überhaupt werden nur die Räume geheizt, in denen wir uns tagsüber | |
aufhalten. „Mach das Licht aus“ gehört seit meinen Kindertagen zum | |
Familiengespräch wie „bitte“ und „danke“. | |
Weil ich weiß, dass das alles nicht reichen wird, bin ich frustriert. | |
Weil eine Ausgrenzung von Menschen stattfindet, die nicht bewusst | |
nachhaltig leben, bin ich alarmiert. Die Menschen vertragen gegenwärtig | |
keine weitere Spaltung mehr. | |
Weil immer jemand anderes weiß, dass das Gütesiegel für Lachs/Eier/Bio-Obst | |
doch nicht hält, was es verspricht, bin ich resigniert. | |
Weil ich nirgends so viele Einwegkaffeebecher und Kunststoffteller sehe, | |
wie in den Händen der Großstädter, von denen die Konsumkritik, der | |
Klimaaktivismus und der Aufruf zum Verzicht kommen, bin ich genervt. | |
Weil bekannt wird, [2][dass die Abfallwirtschaft ein großer Betrug ist] und | |
ich mir nicht vormachen soll, dass die Mülltrennung zu irgendetwas Gutem | |
führt, bin ich desillusioniert. | |
Wenn die wirklich gute, tolle und wirksame 20-Prozent-Forderung real | |
geworden ist, wird jemand herausfinden, dass die nachhaltigen Projekte, die | |
diese Kapazität nutzen, auch wieder nur Greenwashing und Etikettenschwindel | |
betrieben haben. | |
Die Regierung eines Landes, dessen Bürger:innen eingeredet wurde, sie | |
hätten als Verbraucher:innen selbst die Macht, den Markt zu steuern und | |
durch ihre Kaufentscheidung zu beeinflussen, was produziert wird und wie, | |
die ist fein raus. Wenn diese Regierung will, dass ich mich um meine | |
Arbeit, meine Kinder und auch noch ein bisschen um die demokratische | |
Partizipation als Bürgerin kümmere, soll sie damit aufhören, mir die | |
Pseudoverantwortung für Klima und Konsum rüberzuschieben. | |
Ab morgen soll sie sich darum kümmern, dass der irre Verpackungsmüll | |
verboten wird (wer schon einmal ein Haus gebaut hat, weiß, wie ungebremst | |
bei Baumaterialien Folie verschwendet wird). Sie soll sicherstellen, dass | |
die Abfallwirtschaft zumindest bundesweit funktioniert und verlässlich das | |
tut, was sie soll. Kinder sollen heranwachsen mit einem Gespür für einen | |
nachhaltigen Lebensstil, sie sollen wissen, dass nicht immer mehr Besitz | |
glücklicher macht. | |
Aber: Sie sollten nicht weiterhin Opfer der Verschiebung von Verantwortung | |
an die Einzelnen sein. Die Regierung hat dafür zu sorgen, dass im | |
Supermarktregal Qualitätslebensmittel stehen, hinsichtlich | |
Produktionsbedingungen, Tierwohl und Klima. Gütesiegel gibt es nicht mehr, | |
denn es gibt nur noch gute Lebensmittel. | |
Elektrogeräte sind von hochwertiger Machart und können sogar repariert | |
werden. Bei der Anschaffung kann der Staat finanziell unterstützen – es | |
wird sich lohnen. Die produzierten Gegenstände, vom Schirm bis zum Regal, | |
müssen aus Materialien sein, die in der Kreislaufwirtschaft als Wertstoff | |
eingesetzt werden können. | |
Seit der Zeitenwende und den Beschlüssen zu Rüstung und Energie kann | |
niemand mehr sagen, dass unsere Regierung nicht die Kompetenz besitzt, | |
grundlegende Entscheidungen zu treffen. | |
Ich will, dass der Tag beginnt in einem Land, in dem die Entscheidungen | |
beim Einkaufen immer richtig sind. Die 20-Prozent-Werbung für nachhaltige | |
Projekte wird uns rückblickend daran erinnern, wie es mal war. Und wir | |
werden es kaum glauben können. | |
SONJA BAUER | |
19 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Sonja Bauer | |
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