# taz.de -- Raed Saleh, der Verkehr und das G-Wort: Diese Logik ist très SPD | |
> Für SPD-Chef Raed Saleh bringt Verkehrsberuhigung die Gentrifizierung im | |
> Schlepptau. Das kann man so nicht stehen lassen. | |
Bild: Der Bergmannkiez in Kreuzberg: Nur noch für Besserverdienende, weil die … | |
Nicht mit allem, was er sagt, hat SPD-Chef Raed Saleh Unrecht. Zum | |
Beispiel, wenn er [1][im Interview mit dem Tagesspiegel] zu Gentrifizierung | |
und Verkehrswende sagt: „Paris ist für mich keine Vorbildstadt. Es gibt | |
eine reiche Innenstadt mit ein paar Radwegen und die armen Menschen wohnen | |
am Rand. Die Polizei geht dort mit Gewalt gegen Migranten vor.“ | |
Stimmt klar in Bezug auf die soziale Ungleichheit, aber auch ein bisschen | |
in Sachen Mobilität. Zwar sind zuletzt nicht „ein paar“, sondern sehr viele | |
Radwege an der Seine entstanden, aber ehrlicherweise sollte man sagen: | |
Lägen diese Wege in Berlin, die VerkehrsaktivistInnen würden den Senat für | |
jeden zweiten davon der fahrlässigen Tötung anklagen, so eng und | |
un-protected sind sie. | |
Andererseits tut Paris enorm viel, um den Autoverkehr im Zentrum | |
auszudünnen. Davon ist Berlin noch meilenweit entfernt. Glaubt man Saleh, | |
muss man allerdings sagen: Gott sei dank. Denn für ihn führt die | |
Verkehrsberuhigung die Gentrifizierung im Schlepptau, führen autoarme Kieze | |
zum Anstieg der Mieten und Quadratmeterpreise. Wer Geld hat, möchte nicht | |
umgeben von Lärm und Unfallgefahren leben, so die Logik. | |
Richtig ist allerdings: das möchte niemand. Und insofern sich Salehs Kritik | |
gegen Strategien wie Kiezblocks richtet, sei angemerkt, dass diese das Auto | |
keineswegs komplett verbannen wollen. Es geht vielmehr darum, es mit | |
Durchfahrsperren und Tempolimits so einzuhegen, dass man damit gut leben | |
kann. | |
## Nicht nur in Hipstervierteln | |
Die Idee der Mobilitätswende ist ja auch nicht, nur Hipsterviertel zu | |
beruhigen. Sie soll überall greifen. Dann aber verteilt sich der Mehrwert | |
an Ruhe und Sicherheit über die ganze Stadt und macht nicht einzelne | |
Viertel überdurchschnittlich attraktiv. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg | |
hat genau das erkannt und nimmt sich auch Kieze vor, in denen niemand die | |
Trommel rührt. | |
Was die Parkgebühren angeht, die Saleh nicht über das jetzt beschlossene | |
Maß anheben will: Darüber lässt sich reden. 120 Euro im Jahr sind aber noch | |
lange kein Ausschlusskriterium für Menschen, die sich überhaupt ein Auto | |
leisten können, und eine Staffelung der Gebühren – sei es nach den Maßen | |
der Autos oder dem Einkommen der HalterInnen – haben schon die Grünen ins | |
Gespräch gebracht. | |
Bleibt die City-Maut, die bislang nur die Grünen wollen. Hier käme es | |
vielleicht auch auf einen weichen Übergang an, mit jährlich steigenden | |
Preisen, damit Entscheidungen über das eigene Mobilitätsverhalten in Ruhe | |
getroffen werden können. | |
Im Übrigen: Das Gentrifizierungs-Argument einzusetzen, wenn es um | |
Verkehrspolitik geht, beim Thema Enteignung aber lieber auf Deals mit der | |
Wohnungswirtschaft zu setzen, ist, naja: très SPD halt. | |
26 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://plus.tagesspiegel.de/berlin/mobilitatswende-ist-mehr-als-ein-autofr… | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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