# taz.de -- Auftakt der Tour de France: Dänen im Partymodus | |
> Der Abstecher der Tour de France in den Norden sorgt für Stürme der | |
> Begeisterung. Überraschungssieger wird einer, der sein Glück kaum fassen | |
> kann. | |
Bild: Überbrückungsetappe: Der Tour-Tross überquert den Großen Belt in Dän… | |
Der [1][Grand Départ der Tour de France in Dänemark] schrieb | |
herzzerreißende Geschichten. Denn der erste Sieger, Yves Lampaert, war ein | |
Überraschungssieger, der sein Glück kaum fassen konnte. Der zweite, Fabio | |
Jakobsen, dann ein Sieger der Herzen. Und der Mann, der am Wochenende Gelb | |
eroberte, Wout van Aert, ist der wohl vielseitigste Fahrer unter der | |
Radsportsonne. | |
Yves Lampaert war völlig außer sich. Er hielt die Hände vor das Gesicht, | |
schaute auf den Monitor, der ihm mitteilte, dass er der Schnellste des | |
Auftaktzeitfahrens der Tour de France geworden war. „Ich habe den großen | |
Wout van Aert geschlagen“, rief er aus. „Mir sprengt es förmlich den Kopf.… | |
Mit der Erwartung, unter die besten zehn zu fahren, vielleicht die besten | |
fünf, war der 31-Jährige nach Dänemark gekommen. | |
Er hatte sich auch nicht auf einen ganz frühen Startplatz eintragen lassen | |
wie die großen Favoriten auf den Gesamtsieg, Tadej Pogačar und Primož | |
Roglič. Mit frühen Startplätzen hatten die Cracks gehofft, dem avisierten | |
Regen aus dem Weg zu gehen. Ihnen half es nicht. Der Regen war am frühen | |
Nachmittag stärker. | |
Lampaert, der nicht gepokert hatte, hatte sogar ein wenig bessere | |
Bedingungen. Als alle schon glaubten, das Klassement sei gemacht, van Aert | |
habe vor Pogačar und Filippo Ganna gewonnen, als auch schon Journalisten | |
ihre ersten Berichte schrieben, stieg Lampaert erst aufs Rad. Der | |
Bauernsohn aus Flandern, der in der Jugend Judomeister seines Landes wurde | |
und in seiner Freizeit die Felder seiner Eltern am liebsten mit | |
Großtraktoren aus Amerika befährt, legte die beste Zeit hin. | |
„Auch ich habe das nicht geglaubt, dass Yves für den Sieg gut ist“, sagte | |
Teamboss Patrick Lefevere der taz. Aber Lampaert, immerhin 2021 belgischer | |
Landesmeister im Zeitfahren geworden, vor Supertalent Remco Evenepoel | |
übrigens, nutzte die Gunst der Stunde. Gelb war er am nächsten Tag zwar | |
wieder los. Als Etappenzweiter sicherte sich van Aert die Bonussekunden, | |
die ausreichten, um Lampaert von vorn zu verdrängen. | |
## „Ich bin nicht traurig“ | |
Den Bauernsohn aus Flandern focht dies aber nicht an. „Ich bin nicht | |
traurig. Ich habe mehr erreicht, als ich je erwartet habe“, sagte er. | |
Selbstlos spannte er sich auch in den Sprintzug seines [2][Teamkollegen | |
Fabio Jakobsen] ein. Der Gelbe ging in den Wind, um Jakobsen in gute | |
Position zu bringen. Und Jakobsen lieferte ab. | |
Es war mehr als ein Sieg. Denn vor knapp zwei Jahren war Jakobsen noch | |
schwer gestürzt. Nach einem Crash in Katowice rang er um sein Leben. Viele | |
Stunden verbrachte er im OP. Ein Schädel-Hirn-Trauma hatte er erlitten, | |
alle Zähne verloren, sich den Gaumen gebrochen. Sein Gesicht musste mühsam | |
erst wieder zusammengesetzt werden. Acht Monate dauerte es, bis er wieder | |
erste Rennen fuhr, fast ein ganzes Jahr, bevor er den ersten Sieg landete. | |
Im Herbst 2021 dominierte er die Sprints der Spanienrundfahrt, eroberte | |
dabei auch das Punktetrikot. | |
In diesem Sommer verdrängte er Altmeister Mark Cavendish aus dem | |
Tour-de-France-Kader. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. | |
Natürlich wissen wir, was für Mark spricht. Fabio aber ist momentan der | |
schnellste Sprinter weltweit“, sagte Teamchef Lefevere – noch vor dem | |
Tagessieg von Jakobsen. | |
Für den Belgier hat sich jetzt ein Kreis geschlossen. „Als Junge habe ich | |
von einem Etappensieg bei der Tour de France geträumt. Dann kam der Sturz | |
dazwischen. Jetzt ist mein Traum Realität geworden“, sagte er. | |
Bemerkenswert ist auch, dass Jakobsen mental so stark geworden ist, dass | |
er sich von den vielen Stürzen auf der Etappe nicht verunsichern ließ. Die | |
eigenen schlimmen Erfahrungen kann er offenbar gut ausblenden. | |
Gastgeber Dänemark konnte sich ebenfalls über einen Teilerfolg freuen. | |
Magnus Cort Nielsen, eigentlich ein Sprinter, holte sich auf der zweiten | |
Etappe alle drei Bergwertungen der vierten Kategorie aus einer | |
Ausreißergruppe heraus und eroberte so das Bergtrikot. Ihm lag bei der | |
Siegerehrung förmlich das ganze Land zu Füßen. Schon bei der | |
Teampräsentation hatte er das dänische Publikum angeheizt und zu | |
Sprechchören herausgefordert. Jetzt lieferte er seinen Beitrag. | |
Magnus Cort Nielsen rundete damit drei Tage voller Begeisterung ab. | |
Dänische Fans standen dicht gedrängt an der Strecke, als sei Corona niemals | |
dagewesen. Das löste wiederum doppelte Schauerwellen aus: Solche der Freude | |
über die Begeisterung und solche der Furcht, wie viel Coronaviren Tross und | |
Peloton der Tour de France wohl aus Dänemark nach Frankreich bringen mögen. | |
Am Montag gibt es neue Tests. Der Tag der Wahrheit nach einem großen | |
Feierexzess. | |
3 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.letour.fr/de | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Fabio_Jakobsen | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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