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# taz.de -- Foiling-Segeln bei der Kieler Woche: Mit Auftrieb übers Wasser ras…
> In der Coronapandemie wechselte der Kieler Adrien-Paul Farien zum
> Foiling-Segeln. Nun hat er bei der Kieler Woche den Sieg geholt.
Bild: Siegte bei der Kieler Woche: Adrien-Paul Farien
Hamburg taz | Ihre Gesichter kann Adrien-Paul Farien nicht sehen, dafür ist
er zu weit draußen auf der Kieler Förde. Aber der [1][Foiling-Segler] aus
der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt weiß, dass auch dieses Mal
wieder einige Menschen in Schilksee am Ufer stehen und sich staunend diese
Fragen stellen: Wie ist das möglich? Wie kann das sein, dass die Segelboote
mit so viel Luft unter dem Rumpf auf dem Schwert stehend über die Wellen
jagen?
Dass sie dies tun, hat für Farien einen Nebeneffekt, den er nicht mehr
missen möchte. Die Akustik sei eine ganz andere als bei den „49ern“, in
denen er mit Mirco Klösel lange ein Team gebildet hatte. „Normalerweise ist
es relativ laut beim [2][Segeln]. Es rauscht, weil das Boot das Wasser
verdrängt.
Beim Foilen muss man sich das so vorstellen: Sobald das Boot abhebt, hört
man nur noch ein leises Pfeifen. Mehr ist da gar nicht“, sagt Farien, der
jedes Mal aufs Neue die Stille da draußen genießt. „Man fliegt einfach über
das Wasser. Oder auch: Man schneidet das Wasser. Es fühlt und hört sich die
ganze Zeit so an, als würde das Wasser geschnitten werden.“
Die technische Erklärung dazu: Das Foiling-Segeln funktioniert wie das
Fliegen in der Luft. Beim Foil handelt es sich um einen Tragflügel
unterhalb der Wasseroberfläche. Aufgrund seiner Wölbung strömt das Wasser
oben schneller vorbei als unten am Flügel. Dadurch entsteht ein Auftrieb,
der die Jolle oder den Katamaran anhebt. Mit der Folge, dass das foilende
Boot wegen des geringeren Wasserwiderstandes deutlich schneller über die
Wellen fahren kann.
## Schon Silber bei der EM auf dem Gardasee geholt
Seine erstes Erlebnis mit dem Foilen hatte der 22-Jährige vor acht Jahren
in Kiel. Er blieb aber zunächst den olympischen Bootsklassen treu – bis zum
Beginn der Coronapandemie im März 2020. „Ich wusste damals zunächst nicht,
wie es weitergeht. Mir war aber klar, dass ich mit den 49ern aufhören
würde“, erzählt Farien, der sich in dieser Zeit an ein Trainingserlebnis
auf Mallorca erinnerte.
Dort hatte er ein Foil-Boot der Klasse „Waszp“ getestet. „Das war ein
cooles Boot. Ich dachte zunächst nicht, dass es für mich eine Option sein
würde“, so der Kieler. „Aber dann, in dieser ganzen Coronaphase, wurde es
für mich auf einmal extrem attraktiv.“ Er benötigte keinen Partner mehr,
konnte schnell aufs Wasser und damit extrem flexibel in seiner Segelzeit
sein. Es war mit der „Wespe“ gewissermaßen eine Liebe auf den zweiten
Blick.
Die hat ihm aber Glücksmomente und Erfolge beschert: Bei der EM auf dem
italienischen Gardasee gewann Farien im vergangenen Jahr ad hoc Silber, nun
holte er sich den Sieg bei der Kieler Woche. Ein Jahr zuvor hatten die
„Wespen“ ihre Premiere bei der traditionsreichen Regatta gehabt. „Damals
hatten wir unseren Bootspark direkt am Wasser. Da kamen viele Leute vorbei
und sagten: ‚Wow, das muss ich auch unbedingt machen!‘“, schildert Farien.
„Meiner Meinung nach wird in Zukunft eine ähnliche Klasse, nicht unbedingt
die jetzige, olympisch werden.“
Er hielte dies für eine richtige, notwendige Entscheidung. Denn mit dem
derzeitigen Erscheinungsbild des [3][Segelns] bei den Olympischen Spielen
hat der Student der Sozioökonomik so seine Probleme: „Der Segelsport hat so
viele langweilige Klassen. Die interessieren keine Sau. Keiner weiß, was
die Leute da machen. Es ist stinklangsam, es tut nur weh.“ Das
Foiling-Segeln sei da anders, packender – auch, weil die Wettbewerbe
oftmals im K.-o.-System ausgetragen und die Siegerinnen und Sieger
schneller feststehen würden.
## Eine „geile Motte“ in der Garage
Was Farien beim Foiling-Segeln so begeistert, ist die enorme Rasanz zu
jeder Phase einer Wettfahrt. Denn auch bei den Kursänderungen gehe es
darum, dass das Boot fliegt. „Das Ziel ist es, dass man auf einer
Kursrundung 100 Prozent Flugzeit hat und bei jedem Manöver der Rumpf des
Bootes trocken bleibt. Sonst verliert man an Geschwindigkeit.“
Durch die Waszps habe er den Spaß am Sport zurückgewonnen. „Ich bin seit
vielen Jahren das erste Mal wieder segeln gegangen, um segeln zu gehen –
so, als wenn ein Profifußballer einfach mal wieder mit den Jungs auf dem
Fußballplatz kicken geht“, sagt Farien, der mittelfristig einen Wechsel in
die Foiling-Klasse „Moth“ („Motte“) anstrebt.
Und in fünf Jahren, wo sieht er sich dann? „Dann bin ich hoffentlich
Weltmeister in der Waszp und eventuell Geschäftsmann oder Profisegler“,
sagt Farien. Er hält kurz inne und stellt noch eine rhetorische Frage:
„Warum nicht in einem Beruf sein, für den man Emotionen pflegt und nebenbei
noch eine geile Motte in der Garage haben, an der man abends herumbastelt
und einmal die Woche damit auf der Förde herumheizt?“
26 Jun 2022
## LINKS
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[3] /Solidaritaet-im-Ukraine-Krieg/!5838599
## AUTOREN
Christian Görtzen
## TAGS
Kiel
Segeln
Wassersport
Regatta
Segeln
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