Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die These: Fußball kann vom Football lernen
> Interessant ist der Titelkampf der Bundesliga schon lange nicht mehr. Ein
> Blick zum US-Namensvetter würde für mehr Spannung sorgen.
Bild: Wer hätte es gedacht: Im American Football gibt es bei den Profis eine G…
Eigentlich bin ich ein großer Fußballfan. Im Stadion zu stehen, sein Team
anzufeuern und es im besten Fall auch noch gewinnen zu sehen – das ist
einfach geil. Mein letzter Stadionbesuch beim [1][Relegationshinspiel in
Berlin], als die beiden Fanreihen darum gekämpft haben, wer seine
Mannschaft lauter anfeuern kann, ist mir noch sehr präsent.
Er erinnert mich aber auch an mein Problem mit dem Fußball: Dass der
Abstiegskampf und die zweite Liga spannender sind als das Titelrennen der
höchsten Spielklasse, kann einfach nicht sein. Ich kann mich noch an den
Satz von Uli Hoeneß erinnern: „Wir wollen keine spanischen Verhältnisse.“
Gemeint war, dass nicht immer dieselben Teams die Titel abräumen sollen.
Insofern, herzlichen Glückwunsch! Der [2][Titelkampf der Bundesliga] ist
mittlerweile in etwa so interessant wie die Minigolf-Meisterschaft in
Hintertupfingen. Der FC Bayern ist zum zehnten Mal in Folge Meister
geworden. Und die Champions League hat dieses Jahr wieder mal Real Madrid
gewonnen.
Deshalb freue ich mich sehr, dass es jetzt endlich wieder American Football
im Fernsehen zu sehen gibt. Vergangene Woche startete die European League
of Football in ihre zweite Saison und begann direkt mit einem absoluten
Kracher. Der Vorjahresmeister Frankfurt Galaxy verlor gegen Düsseldorf
Rhein Fire. Ein Team, das erst seit diesem Jahr in der ELF spielt. Im
American Football ist alles offen, denn die Leistungsunterschiede zwischen
den Teams sind viel geringer als im Fußball.
## Mehr Fairness durch Gehaltsobergrenze
Jetzt kann man sagen: American Football ist hierzulande einfach noch nicht
so etabliert, sonst gäbe es da auch größere Unterschiede. Das wäre aber zu
kurz gedacht. Es gibt auch mehrere strukturelle Gründe, warum die European
Football League spannender als die FC-bayernisierte Fußballbundesliga ist.
Ein wichtiger Punkt ist die Gehaltsobergrenze, die es beim American
Football gibt – die Salary Cap. Jedes Team in der Liga hat gleich viel Geld
für Spielergehälter zur Verfügung. In der NFL, der US-amerikanischen
Football Liga, liegt die Obergrenze in der kommenden Saison bei gut 208
Millionen Dollar pro Team.
Das sorgt dafür, dass das Vermögen eines Teambesitzers keinen
entscheidenden Einfluss auf die Stärke des Teams hat. Teams mit größeren
finanziellen Möglichkeiten können sich kein reines [3][Starensemble
zusammenkaufen], in dem sie alle Gegner mit einem Riesenbudget ausstechen.
Mannschaften à la Paris Saint-Germain oder Real Madrid sind im Football
quasi unmöglich.
Nur ein Team in der Geschichte der US-Liga NFL konnte eine längere Phase
der Dominanz entwickeln. Die New England Patriots. Zwischen 2001 und 2019
gewann das Team um Star-Quarterback [4][Tom Brady], der mittlerweile in
Tampa spielt, sechs Titel. Eine Salary Cap gibt es auch in der europäischen
Liga ELF. Wenn die Uefa eine Gehaltsobergrenze nach dem Vorbild des
Footballs einführen würde, wäre das tatsächlich Financial Fairplay.
## Unterstützung für schwächere Teams
Die Salary Cap allein reicht aber nicht aus, um Chancengleichheit
herzustellen. Denn gute Spieler wollen Titel gewinnen und wechseln eher zu
besseren Teams als zu schlechteren. Deswegen gibt es noch ein zweites
Instrument zum Ausgleich der Teamstärke: [5][den Draft]. Einmal im Jahr
werden die vielversprechendsten Nachwuchsspieler nach einer strengen
Reihenfolge auf die NFL-Teams verteilt. Dabei darf das schlechteste Team
der Vorsaison zuerst wählen, das zweitschlechteste als nächstes, die beste
Mannschaft zuletzt.
So können Teams, die über Jahre nicht erfolgreich waren, in relativ kurzer
Zeit ein Team aufbauen, das um den Titel mitspielt. Ein Beispiel sind die
bereits erwähnten Patriots. Sie hatten vor ihrer Serie von sechs Super
Bowls keinen einzigen Titel gewonnen.
Der Spieler hat im Draftsystem kaum eine Wahl, zu welchem Team er kommt.
Den Draft gibt es in allen großen amerikanischen Sportligen. Dass es ihn in
den großen europäischen Sportarten nicht gibt, liegt daran, dass in Amerika
die Nachwuchsförderung nicht – wie im europäischen Fußball – in Vereinen
stattfindet und die Spieler nicht seit Jugendjahren bei einem Team unter
Vertrag stehen, sondern an Schulen und Universitäten ausgebildet werden.
## Schwierig umzusetzen
Deswegen ist ein Modell nach dem Vorbild des Drafts schwierig zu
übertragen. Um einen Draft nach amerikanischem Vorbild zu veranstalten,
müsste unser ganzes [6][Nachwuchssystem] auf Schul- und Universitätssport
zugeschnitten werden. Dabei hätte jede Schule und Universität verschiedene
Sportmannschaften, die in einem Ligabetrieb gegeneinander antreten. Nach
Ende der Schul- oder Universitätsausbildung würden die Sportler dann ins
Profilager wechseln, ohne vorher an einen Verein gebunden zu sein. Wie in
den USA eben.
Die Debatte darüber ploppt auch immer wieder auf. Nämlich alle vier Jahre
nach den oft nicht zufriedenstellenden Ergebnissen der Olympischen Spiele.
Würde ein solches System implementiert werden, wäre auch ein Draft im
Fußball denkbar. Aktuell ist das leider nicht wirklich vorstellbar, da
gerade im Fußball viel Geld in die Jugendförderung fließt und die großen
Vereine das Privileg ihrer eigenen Nachwuchsschmieden wohl kaum aufgeben
werden. Sie würden damit auch ein Stück weit auf Macht und Einfluss
verzichten.
## Tradition bremst Fortschritt
Um wirklich radikal etwas zu verändern, ist der Fußball hierzulande auch
viel [7][zu versessen auf seine Tradition]. Man erinnere sich nur mal an
das Drama um die Einführung des Videobeweises. Die NFL hat den Videobeweis
seit 20 Jahren und dort funktioniert der einwandfrei.
Dass Football nicht so versessen auf seine Tradition ist, merkt man auch
bei den Regeln. Jedes Jahr werden veraltete Regeln von der NFL geändert.
Jüngstes Beispiel ist die Overtime-Regel. Bisher war ein Spiel, das in die
Nachspielzeit ging, beendet, sobald ein Touchdown erzielt wurde. Auch wenn
das gegnerische Team den Ball in der Nachspielzeit noch gar nicht in der
Hand hatte. Ab der kommenden Saison werden in den Playoffs beide Teams den
Ball zumindest einmal bekommen. Man probiert einfach mal aus, ob das besser
funktioniert.
Eine einfache und schnelle Möglichkeit, für mehr Spannung in den nationalen
Fußballligen zu sorgen, wäre die Einführung von Playoffs. Im Prinzip wie
die K.-o.-Phase der [8][Champions League]. Wenn dann noch eine
Gehaltsobergrenze hinzukommt, bin ich mir sicher, dass der Fußball und vor
allem die Bundesliga viele Fans zurückgewinnen können, die momentan an der
Verödung der Liga leiden.
Und wer Lust auf American Football bekommen hat, sollte sich mal mit der
European League of Football beschäftigen. Die gerade gestartete reguläre
Saison läuft noch bis zum 4. September. Danach – und darauf freue ich mich
schon besonders – starten die Playoffs.
11 Jun 2022
## LINKS
[1] /Hertha-BSC-nach-dem-Relegationsspiel/!5857407
[2] /FC-Bayern-vor-dem-Titelgewinn/!5846755
[3] /Paris-St-Germain-in-der-Koenigsklasse/!5836529
[4] /Archiv-Suche/!5838510&s=tom+brady&SuchRahmen=Print/
[5] /Rassismus-im-American-Football/!5762852
[6] /Nachwuchs-in-der-Fussball-Bundesliga/!5825003
[7] /Ex-Profi-ueber-Fussball-und-Tradition/!5858851
[8] /Champions-League-Seriensieger-Madrid/!5854814
## AUTOREN
Denis Pscheidl
## TAGS
Fußball
Fußball-Bundesliga
NFL
American Football
Football
American Football
Fußball
Fußball
American Pie
## ARTIKEL ZUM THEMA
American Football in Europa: Viel Donner um zwei Ligen
In der European League of Football schlägt Berlin Thunder die Istanbul
Rams. An der neuen Liga gibt es viel Kritik, vor allem aus Deutschland.
Martin Hinteregger in der Kritik: Offene rechte Flanke
Eintracht Frankfurts Hinteregger plant ein Festival für seine Fans. Dass
sein Partner dabei ein rechter Politiker ist? Will er nicht gewusst haben.
Die steile These: Wer ist schlimmer als RB Leipzig?
Die Anhänger des wahren™ Fußballs: Sie versuchen zu definieren, was gutes
Fansein ausmacht, doch schaffen wertkonservativen Kitsch.
Mehr Diversität in der NFL: Voll in die Offensive
In der National Football League müssen die US-Klubs bei der Trainerauswahl
künftig mehr auf Diversität achten. Eine Klage ist Auslöser für den Wandel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.