# taz.de -- Rechte Angriffe auf Bibliothek in Berlin: Zerrissen, zerschnitten, … | |
> Erneut wurden in der Bibliothek Tempelhof-Schöneberg mutwillig Bücher | |
> über Rechtsextremismus zerstört. Die Bücherei hat eine gute | |
> Gegenstrategie. | |
Bild: Zerstörte Bücher in der Bibliothek Tempelhof-Schöneberg vergangenen So… | |
BERLIN taz | Eigentlich wollte die Mitarbeiterin des Eva-Maria-Buch-Hauses | |
der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg vergangenen Freitag nur einer | |
Leserin bei der Suche ihres verlorenen Handys helfen. Was sie aber unter | |
einem der Bücherregale fand, waren fünf mutwillig zerstörte Bücher. Fast | |
alle setzen sich kritisch mit Rechtsextremismus auseinander. Unbekannte | |
haben sie zerrissen, zerschnitten oder Gipsklumpen zwischen die Seiten | |
gesteckt. | |
Es ist bereits der dritte Vorfall dieser Art in der Bibliothek. Bereits im | |
vergangenen Sommer wurden Bücher zerstört. Immer waren es Publikationen | |
über die extreme Rechte oder linke Themen. Etwa „Völkische Landnahme“ von | |
Andreas Speit, Philip Schlaffer: „Hass.Macht.Gewalt“. Aber auch Lou Zuckers | |
Biografie über Clara Zetkin und „Marx für Eilige“ von Robert Misik waren | |
darunter. Oder zum wiederholten Mal das Buch von Patrick Stegemann und | |
Sören Musyal: „Die rechte Mobilmachung. Wie radikale Netzaktivisten die | |
Demokratie angreifen“. | |
Der Bibliotheksleiter Boryano Rickum machte nach einer Anzeige bei der | |
Polizei nun am Jahrestag der Bücherverbrennung der Nazis auf den erneuten | |
Angriff [1][in den sozialen Netzwerken aufmerksam]: „Heute vor 89 Jahren | |
verbrannten NS-Schergen Bücher auf dem Bebelplatz. Heute muss ich | |
feststellen, dass erneut mutwillig zerstörte Bücher gefunden werden.“ Die | |
„feige Zerstörung von Büchern“ sei „ein Angriff auf unsere | |
Meinungsfreiheit, unsere Öffentlichkeit und Demokratie“. Bibliotheken seien | |
Orte der Demokratie und müssten verteidigt werden, so Rickum zur taz. | |
## Sofort durch neue Bücher ersetzt | |
Nicht zuletzt deswegen hat die Bibliothek eine Gegenstrategie gegen die | |
offenbar rechtsextrem motivierten Anschläge entwickelt: Bereits der Angriff | |
im vergangenen Sommer sei mit bibliothekarischen Mitteln beantwortet | |
worden, so Rickum. Die zerstörten Bücher würden sofort ersetzt, es gebe | |
daraufhin eine Sonderpräsentation der zerrissenen Titel. Hinzu kommt | |
Programmarbeit: Die Bibliothek hat eine Lesereihe mit dem Namen „Starke | |
Seiten“ mit den betroffenen Autor*innen gestartet, bei der diese mit | |
Leser*innen über Rechtsextremismus ins Gespräch kommen können. „Damit | |
passiert dann das Gegenteil von dem, was durch die Täter_in intendiert ist: | |
eine breitere Auseinandersetzung mit dem Thema. Menschen machen sich | |
Gedanken – ein Akt der demokratischen Bildungsarbeit“, sagt Rickum. | |
Gleichwohl betont der Bibliothekar, dass der ebenfalls betroffene taz-Autor | |
Andreas Speit zu Recht darauf hingewiesen habe, dass es zwar schön sei, | |
wenn eine Bibliothek nach solchen Taten viel Aufmerksamkeit bekomme, „aber | |
es gut wäre, wenn es auch in den Fällen von physischen Angriffen auf | |
Menschen ähnlich viel Aufmerksamkeit geben würde“, so Rickum. Für | |
Videokameras sehe er derzeit keine Notwendigkeit, aber über eine Erhöhung | |
des Sicherheitspersonals denke die Bibliothek nach – damit Büchereien | |
sichere Orte blieben. | |
Mittlerweile äußerte sich auch der [2][Tempelhofer Kulturstadtrat Tobias | |
Dollase] (parteilos, für die CDU) zum wiederholten Angriff: „Dieser | |
wiederholte rechte Übergriff auf die Bibliothek in Tempelhof ist feige und | |
zielt auf unsere Meinungsfreiheit und Demokratie.“ Es sei leider kein | |
Einzelfall – auch seien jüngst in der Bibliothek unbefugt | |
Propagandamaterialien rechter Gruppierungen ausgelegt worden. „Wir werden | |
uns auch in Zukunft solchen rechten Angriffen gemeinsam und entschlossen | |
entgegenstellen“, so Dollase. | |
Der Aufruf von Rickum, die hässliche Taten in einen „wunderschönen Akt | |
demokratischen Handelns“ umzukehren, stößt auf Twitter schon jetzt auf viel | |
Gegenliebe. Einige schlugen vor, die zerstörten Bücher in einem Glaskasten | |
als Exponate auszustellen. Andere wollten betroffene Bücher sofort lesen. | |
Ebenso boten direkt weitere Expertinnen auf dem Gebiet an, der | |
[3][Bibliothek ihr Buch zu spenden]. | |
12 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/benoitgadogado/status/1524008402573217793 | |
[2] https://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/aktuelles/pressemitteilungen… | |
[3] https://twitter.com/kattascha/status/1524060864839626753 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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