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# taz.de -- Entlastung für Krankenhauspflegekräfte: Immer noch zu oft am Limit
> Vivantes setzt den Tarifvertrag zur Entlastung der Pflegekräfte nur
> zögerlich um, klagt Verdi. Bei der Charité klappt es schon etwas besser.
Bild: Zuwenig Personal hat zuviel Stress: Blick ins Vivantes Klinikum Neukölln
Berlin taz | Die [1][Tarifverträge für Charité und Vivantes], die im
vorigen Jahr nach wochenlangen Streiks abgeschlossen wurden, waren
Meilensteine: Erstmals in Deutschland wurde etwas Handfestes gegen die
chronische Überlastung der Krankenhaus-Pflegekräfte unternommen. Knapp vier
Monate nach Inkrafttreten klagt Verdi jedoch, dass Vivantes den
Tarifvertrag „Pro Personal Vivantes“, wie er dort heißt, immer noch nicht
umgesetzt habe. Gleiches gelte für den [2][Tarifvertrag für die
Vivantes-Tochterunternehmen], der eine schrittweise Angleichung an den
Tarifvertrag des Öffentlichen Diensts, TVöD, vorsieht.
Eine Delegation der Vivantes-Beschäftigten übergab daher am Mittwoch eine
Petition mit 850 Unterschriften an Gesundheitssenatorin Ulrike Gote und
Finanzsenator Daniel Wesener (beide Grüne), die zur Aufsichtsratssitzung
bei Vivantes waren. Die Beschäftigten fordern mehr Druck des Senats, damit
beide landeseigenen Konzerne die bundesweit beachteten Tarifverträge
umsetzen. Gote blieb jedoch auf taz-Anfrage zurückhaltend: „Ich bin sicher,
dass die Tarifpartner auch bei Vivantes eine gute Lösung zur konkreten
Umsetzung der Tarifverträge finden.“
Tatsächlich könnten diese in Zukunft einiges an der desolaten Situation in
den Krankenhäusern verbessern, wie erste Erfahrungen bei der Charité hoffen
lassen. Mareen Höwler, examinierte Pflegerin auf einer Intensivstation der
Charité, berichtet der taz, auf ihrer Station gebe es schon eine spürbare
Entlastung. Zwar müsse sie noch immer „sehr häufig in belasteten Schichten
arbeiten“ – also in solchen, in denen sie mehr Patient*innen betreuen
muss, als laut Tarifvertrag erlaubt ist.
Aber sie habe sich dafür seit Januar auch schon zwei zusätzliche
Urlaubstage „erarbeitet“ – für fünf „belastete Schichten“ gibt es a…
Charité einen Tag Urlaub mehr. Zudem sei es ein großer Fortschritt, dass
die Überlastung überhaupt gemessen wird. Dies geschieht mit einer
Dienstplansoftware, die pro Schicht die Bettenbelegung und Zahl der
Pflegekräfte registriert. „Vielen Kolleg*innen geht es ja vor allem
darum, dass ihre Überlastung anerkannt wird“, sagt Höwler.
## 10 Pflegekräfte auf 17 Patient*innen
Laut Entlastungstarifvertrag gibt es nun für jede Station eine festgelegte
Mindestpersonalausstattung. Auf Höwlers Intensivstation beträgt der
Pflegekraft-Patient*innen-Schlüssel zum Beispiel 1:1,7. Heißt: Für 17
Patient*innen müssen mindestens zehn Pflegekräfte in der Schicht
eingeteilt sein. Geht dies nicht, müssen Betten gesperrt werden. Geht dies
auch nicht, bekommen Kolleg*innen den erwähnten Freizeitausgleich oder
mehr Geld am Jahresende – oder können für ein Sabbatical Zeit ansparen.
Dass dieses System bei Vivantes noch nicht funktioniert, sei nicht dem
Unwillen geschuldet, den Tarifvertrag umzusetzen, erklärt Christoph Lang,
Leiter Konzernkommunikation. Nach seiner Schilderung liegt es vor allem am
Betriebsrat, dass die Erweiterung der Dienstplanungssoftware sowie die
Eingruppierung beim neuen Tarifvertrag „Töchter“ nicht so schnell
vorangehe, wie man sich dies wünsche. Dennoch komme man „Schritt für
Schritt“ voran: Im Mai, teils auch erst im Juni, würden die Mitarbeitenden
der „Töchter“ ihre höheren Löhne bekommen.
Für die Pfleger*innen gebe es seit 1. April eine Übergangslösung mit
einem halben freien Tag pro 10 Schichten. „Vivantes hat ein großes
Interesse daran, dass die Verbesserungen so schnell wie möglich vollständig
bei unseren Beschäftigten ankommen“, versichert Lang.
Manzey erwidert, es sei offenkundig, dass Vivantes sich mit der Umsetzung
viel Zeit lasse. Viele Informationen, die der Betriebsrat brauche, gebe die
Geschäftsführung nur zögerlich heraus. Auch habe man monatelang Zeit
gehabt, die Umstellung der Software vorzubereiten: „Bei der Charité klappt
es ja auch.“
Ganz reibungslos läuft es mit dem neuen Tarifvertrag dort übrigens auch
nicht. Sowohl Manzey als auch Höwler berichten von „Reibungen“ mit der
Charité-Leitung, welches Personal in die Überlastungssoftware eingerechnet
wird. So würde die Geschäftsführung etwa Stationsleitungen, die im Büro und
nicht „am Bett“ arbeiten, einbeziehen – obwohl sie zur Entlastung der
Pfleger*innen gar nichts beitragen. Solche Auseinandersetzungen würden
die Umsetzung der Tarifverträge wohl weiterhin begleiten, sagt Manzey.
Schließlich seien die Verträge sehr kompliziert und ließen „viel
Interpretationsspielraum“.
Dennoch bleibt Höwler optimistisch, was das Ziel des Tarifvertrags angeht:
Durch spürbare Arbeitsentlastung den Pflegeberuf attraktiver zu machen und
wieder mehr Personal zu finden, das in Berlins Krankenhäusern arbeiten
möchte. „Meine Freunde, die auch in der Pflege arbeiten, finden das schon
cool, was wir erreicht haben.“
27 Apr 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Vivantes
Pflege
Charité
Kitaplatzausbau
Verdi
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