| # taz.de -- Survival-Show „7 vs. Wild“ auf Youtube: Wild gewordene Männer | |
| > „7 vs. Wild“ handelt von sieben Männern, die in Schwedens Wildnis ums | |
| > Überleben kämpfen. Warum boomt das Reality-Format ausgerechnet jetzt? | |
| Bild: Entwickler und Produzent des Reality-Formats „7 vs. Wild“: Fritz Mein… | |
| Es fließen Tränen, es wird gefroren und philosophiert: Wenn die Männer im | |
| Youtube-Reality-Format [1][„7 vs. Wild“] sich dem Überleben in der Wildnis | |
| stellen, entsteht eine abenteuerreiche Achterbahn der Gefühle. Der geben | |
| sich auch die Zuschauer:innen des Formats hin. Sie fühlen sich | |
| hingezogen von den puren Emotionen und dem Herausfordern des | |
| Überlebenstriebs, der dargestellt wird. Über fünf Millionen Aufrufe haben | |
| die meist geklickten Folgen auf Youtube. | |
| Das Konzept ist simpel: „Ausgesetzt in der Wildnis von Schweden kämpfen | |
| sieben Kandidaten sieben Tage ums Überleben“, verrät die rauchige | |
| Männerstimme im Trailer. Dabei dürfen die ausschließlich männlichen | |
| Teilnehmer nur wie viele Gegenstände mitnehmen? Richtig, sieben. Die Idee | |
| an sich ist bekannt und ein Kernpfeiler für klassisches Reality-TV; aber | |
| erst mit „7 vs. Wild“ erreicht ein waschechtes deutsches Survival-Format | |
| den Mainstream. Warum boomt das ausgerechnet jetzt? Zeigt der Erfolg etwa, | |
| dass die Coronakrise das Tier in uns wiedererweckt hat? | |
| Wegen der Pandemie zitterten in den letzten Monaten viele um den Erhalt der | |
| kritischen Infrastruktur. Das kann den Gedanken triggern: Was ist, wenn | |
| alles zusammenbricht? Was gestern noch dystopisch schien, ist heute | |
| Realität. Vater Staat kann scheitern. Für diesen Ernstfall machen die | |
| Männer bei „7 vs. Wild“ eine Generalprobe. Sie wissen genau Bescheid: | |
| Welche Utensilien nutzen, wo ein Lager aufschlagen, welche Pilze essen. Und | |
| vielleicht hoffen einige Zuschauer:innen darauf, sich etwas abgucken zu | |
| können. | |
| Dass der Erfolg des Formats mit der Coronakrise zusammenhängen könnte, | |
| glaubt auch Frank Schwab. Er ist Medienpsychologe an der Uni Würzburg und | |
| beschäftigt sich vor allem aus einer evolutionspsychologischen Perspektive | |
| mit Medien. „Grundsätzlich ist die Thematik rund ums Survival sicherlich | |
| sehr aktuell“, sagt er. | |
| ## Eine archaische Abenteuererzählung | |
| Ausschlaggebend für den Erfolg sei vor allem der soziale Vergleich, den die | |
| Zuschauer:innen aus dem Youtube-Format ziehen, so Schwab. Schaut man | |
| sich an, wie bitter die Männer frieren, scheint das Ausharren im Lockdown | |
| auf dem Sofa vielleicht nicht ganz so schlimm. Das Video wird zum Guckloch | |
| in eine ungemütliche Welt. | |
| Schwab vermutet außerdem, dass der Konsum den Zuschauer:innen als | |
| [2][mood management] dient. Das bedeutet, dass sie ihre | |
| Medienkonsumentscheidungen danach richten, welche Alltagsstimmung sie bei | |
| sich wahrnehmen. Da sich viele von ihnen seit Beginn der Pandemie bedroht | |
| fühlen, ziehen sie ein Medienangebot vor, das diesen diffusen Ängsten ein | |
| konkretes Bild gibt. Das Konsumieren von Survival-Formaten dient dann als | |
| Verarbeitungsmechanismus. | |
| „Außerdem spielt da der Aspekt der semantischen Nähe mit rein“, erklärt | |
| Schwab. Das heißt, Menschen vermeiden in ihrem Medienkonsum Dinge, die zu | |
| nah an ihren echten Problemen sind. „Ich will keine Filme sehen, in denen | |
| Viren eine Gefahr darstellen, sondern lieber Wölfe“, so Schwab. Damit | |
| spielt er auf die in der [3][schwedischen Wildnis herumstreunenden Wölfe] | |
| an, die bei „7 vs. Wild“ angekündigt werden. Und erklärt zugleich: Wölfe | |
| sind weiter weg und gleichzeitig konkreter – anders als das Virus, das ganz | |
| nah dran ist, aber sehr schwer zu greifen. | |
| In dieser Generalprobe zur Apokalypse wird ein ganz bestimmtes Bild | |
| reproduziert: [4][Männer überleben allein im Wald]. Wer nach Hilfe ruft, | |
| hat verloren. Den Wettkampf gilt es komplett isoliert zu bestreiten, nur | |
| die Kamera darf dabei sein. „Es fühlt sich ein wenig an wie ein | |
| Initiationsritus, über den man zum richtigen Mann wird“, sagt der | |
| Medienpsychologe. Das habe etwas von einer archaischen Abenteuererzählung. | |
| Einen Gewinn kann dieses spezielle Format sicherlich bringen: das Ende | |
| unseres mystifizierten Bildes der Natur. „Das Schöne und das Grausame der | |
| Natur wird deutlich“, beobachtet Schwab. Das Format biete die Möglichkeit, | |
| eigene Momente zu entwickeln, wie das Filmen von spektakulären | |
| Sonnenuntergängen und dichtem Nebel. Gleichzeitig sehe man das Leid, das | |
| beispielsweise eine fehlerhafte Ausrüstung zur Folge haben kann. | |
| Sowieso: Zu wissen, welche sieben Sachen man am besten auf eine einsame | |
| Insel mitnehmen sollte, kann so verkehrt nicht sein. Auch wenn dafür hin | |
| und wieder das Tier in uns geweckt werden muss. | |
| 9 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=GUCU22DismM | |
| [2] https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/mood-management/9939 | |
| [3] /Schwedens-Umgang-mit-Waldgebieten/!5786633 | |
| [4] /Maennerforum-Vorstand-ueber-Geschlechterrollen/!5724974 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Meyer-Oldenburg | |
| ## TAGS | |
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| Oliver Polak | |
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