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# taz.de -- Russische Schachspieler gegen Krieg: Schwärzester Donnerstag
> Einige russische Schachgroßmeister wenden sich gegen den Krieg in der
> Ukraine. Die Olympiade in Moskau sagt der Weltverband ab.
Bild: „Kann nicht mehr denken“: Jan Nepomniachtchi (Russland) beschäftigt …
Die zügige Abkehr des Schach-Weltverbandes (Fide) von Russland kam dann
doch überraschend. Schließlich gilt deren Präsident Arkadi Dworkowitsch als
Putin-Vertrauter. Die Fide sucht neue Ausrichter für seinen Kongress, der
geplanten ersten Olympiade der Behinderten in Sibirien und vor allem für
die traditionsreiche Olympiade in Moskau, bei der zuletzt 2018 im
georgischen Batumi 184 Mannschaften an den Start gingen.
Die Fide teilte mit, dass auch für den Wettbewerb vom 26. Juli bis 8.
August ein neuer Gastgeber gesucht werde: „Die sich schnell
verschlechternde geopolitische Situation zwingt den Fide-Rat zu diesem
schwierigen Zug“, hieß es nach einer außerordentlichen Sitzung des
Führungsgremiums. Dass weder vom russischen Angriff noch vom Krieg
gesprochen wurde, dürfte ein Zugeständnis an Dworkowitsch gewesen sein.
Der 49-Jährige wurde von Wladimir Putin bei der Kandidatur unterstützt,
damit Russland wenigstens in einer bedeutenden Sportart den Präsidenten
stellt. So rückte Dworkowitsch, der Putin ab 2008 als Wirtschaftsberater
und seit Mai 2012 als stellvertretender Ministerpräsident gedient hatte,
vor vier Jahren als Nachfolger [1][des untragbar gewordenen Kalmücken
Kirsan Iljumschinow] auf.
Eine Sache von internationalem und vor allem nationalem Prestige,
schließlich lieben zig Millionen Russen den Denksport und Putin selbst soll
ihn genauso wie Eishockey schätzen – wegen der großen Erfolge der
Nationalteams. Vor allem zu Sowjetzeiten dominierten die Russen das Schach:
1970 schlug die UdSSR in einem legendären Kampf in Belgrad gar den „Rest
der Welt“ mit 20,5:19,5 und 1984 mit 21:19. Bei letzterem Duell führte den
24-fachen Olympiade-Rekordsieger Anatoli Karpow als Weltmeister vor seinem
Thronfolger Garri Kasparow an.
## Kasparow kritisiert Altbundeskanzler Schröder
Während der stets linientreue Karpow in der Staatsduma die Anerkennung der
besetzten Gebiete in Luhansk und Donezk als „Volksrepubliken“ ebenso wie
den Einfall in die Ukraine abnickte und dafür vom Westen mit Sanktionen
überzogen wurde, sieht Kasparow seine unzähligen Warnungen vor Putin
bestätigt. Auf Twitter forderte der politische Aktivist, die Ukraine in
allen Bereichen zu unterstützen und angesichts „Putins Kriegsmaschinerie“
alle Gelder seiner „Bande einzufrieren“. Es sei sinnlos, mit ihm zu
„diskutieren“, anders als mit Isolation seien Putins „Lügen und sein Has…
nicht zu stoppen. Auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder griff er an. Gegen
„Putins Lakaien in der freien Welt wie Schröder“ müssten Strafen verhängt
werden.
Weil sich auch einige russische Großmeister online mit einer
Unterschriftenaktion gegen den Krieg wandten, dürfte selbst Dworkowitsch
klar geworden sein: Eine Olympiade in Moskau mit den Teilnehmern aus
Russland, Weißrussland und vielleicht ein paar Schurkenstaaten wäre eher
peinlich als positive Propaganda für das einheimische Regime.
Wie andere Sportler beeinflusste der Kriegsausbruch die russischen
Schach-Großmeister. „Dieser Donnerstag ist schwärzer als alle schwarzen
Donnerstage zuvor“, [2][befand Jan Nepomniachtchi.] Der Vizeweltmeister
stand an dem Tag des Einmarschs ebenso wie seine Landsleute Andrei Esipenko
und Wladislaw Artemjew im Halbfinale des Online-Turniers Airthings Masters.
Nepomniachtchi spielte von Moskau aus und beklagte die Qualität seiner
Schnellschach-Partien trotz eines klaren 2,5:0,5-Erfolgs über Esipenko:
„Mein Spiel ist sehr, sehr schlecht, weil ich nicht denken kann. Ich muss
mich auf meine Intuition verlassen.“
Derweil veröffentlichte der russische Schachgroßmeister Sergei Karjakin,
2016 WM-Herausforderer von Weltmeister Magnus Carlsen, über Twitter einen
Brief, den er Präsident Wladimir Putin schrieb. Darin heißt es: „Ich drücke
Ihnen, unserem Hauptbefehlshaber, meine volle Unterstützung bei der
Verteidigung der Interessen von Russland und seinem multinationalem Volk,
der Beseitigung von Drohungen und der Etablierung des Friedens aus!“
28 Feb 2022
## LINKS
[1] /US-Sanktionen-gegen-Schachverbandschef/!5252045
[2] /Carlsen-vor-Schach-WM-Titelverteidigung/!5820538
## AUTOREN
Hartmut Metz
## TAGS
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Schach-WM
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