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# taz.de -- Debatte um Baseball-Ruhmeshalle: Problematische Verehrung
> In den USA wird kontrovers diskutiert, welche Baseball-Profis in die Hall
> of Fame gehören. Es geht um Doping – und vor allem um Moral.
Bild: Doper und bester Schlagmann aller Zeiten: Barry Bonds im Jahr 2004
Der Kommentator des Sport-Senders ESPN diagnostiziert „ein Versagen“. Der
Kollege von der landesweiten Tageszeitung USA Today sieht einen
„schrecklichen Fehler“. Und der Experte von The Nation geht noch einen
Schritt weiter, wenn er „eine groteske Heuchelei“ zu erkennen glaubt. Es
geht gerade hoch her auf den Sportseiten amerikanischer Zeitungen, in den
vielen Sport-Podcasts und Talk-Shows. Das Land ist wieder tief gespalten.
Der Anlass: ein Museum.
Vergangene Woche verkündete die Hall of Fame des Baseball, welche
ehemaligen Spieler in diesem Jahr in die Ruhmeshalle des Nationalsports
aufgenommen werden. Dass David „Big Papi“ Ortiz als einziger von den
abstimmenden Sportjournalisten ausgewählt wurde, machte weit weniger
Schlagzeilen, als wer den Sprung nicht schaffte. Denn mit Barry Bonds,
Roger Clemens, Manny Ramirez, Alex Rodriguez oder Sammy Sosa wurden
wiederholt ehemalige Größen verschmäht. Der Grund: Sie alle wurden des
Dopings überführt.
Vor allem an Bonds scheiden sich die Geister. Der mittlerweile 57-Jährige
ist einerseits, das sagen seine Statistiken nach 22 Profijahren in der
Major League Baseball (MLB), der beste Schlagmann aller Zeiten: Niemand hat
so viele Homeruns über den Zaun befördert, niemand wurde öfter zum besten
Spieler der Liga gewählt, niemand wurde so regelmäßig zur ersten Base
durchgewunken, weil der Pitcher Angst vor Bonds Schlagkraft hatte. [1][Aber
Bonds ist auch das Symbol für die sogenannte Steroid Ära], die erst 2005
endete, als die MLB Dopingtests einführte. Bis dahin wurden die Spieler
immer aufgeblähter, die Homeruns immer zahlreicher, und Bonds war der
Posterboy dieser Phase.
Trotzdem wird die Frage, ob jemand, dessen Statistiken durch
Muskelaufbaupräperate aufgepeppt sind, etwas in der Hall of Fame in
Cooperstown im Staate New York zu suchen hat, kontrovers diskutiert. Dass
Bonds nun zum zehnten Mal in Serie durchgefallen ist, damit von der
offiziellen Auswahlliste verschwindet und ihm nur noch die Chance bleibt,
von einem Sonderkomitee ausgewählt zu werden, ist lange nicht so
unumstritten, wie man denken sollte.
## Teil der Geschichte
Es gibt vor allem ein Argument, das die Bonds-Fans anführen: Die Hall of
Fame lügt sich in die eigene Tasche. Wer den größten Hitter aller Zeiten
und die anderen Doper ausschließt, obwohl sie aufgrund der nackten Zahlen
eigentlich aufgenommen werden müssten, verschließt die Augen vor einem Teil
der Geschichte, die ein solches Museum auch abbilden sollte.
Dagegen setzen andere wie Doug Glanville, selbst früher Profi und heute
Journalist: Die Doping-Ära gehört unbedingt ins Museum, muss sogar in einer
eigenen Ausstellung aufgearbeitet werden, aber die Hall of Fame ist mehr
als Museum – und für die Aufnahme in eine Ruhmeshalle müssen auch
moralische Kriterien zählen.
Da spätestens dreht sich die Diskussion im Kreis. Denn ginge es um Moral,
könnte man die halbe Hall of Fame leer räumen. Lange schon hängen dort
Bronzetafeln von überzeugten Rassisten, von Exprofis, die Spiele
verschoben, oder von Trainern, die ihre Ehefrau krankenhausreif geprügelt
haben. Und Doping? Gab es schon immer in der MLB. Um 1880 manipulierte
Hall-of-Fame-Mitglied Pud Galvin seinen Körper mit Affen-Testosteron, nach
dem Zweiten Weltkrieg schluckte nahezu die gesamte Liga Amphetamine. Und
nicht zuletzt ist auch Bud Selig, Chef der MLB in den 90er Jahren und
hauptverantwortlich dafür, dass die Liga viel zu spät gegen Doping vorging,
in der Hall of Fame vertreten.
Angesichts solcher Ungereimtheiten fragen sich manche, ob der Schwarze
Baseball-Star Bonds, der in seiner aktiven Zeit als schwieriger Charakter
galt und es sich dank seiner Arroganz mit vielen der in der Mehrheit weißen
Baseball-Schreiber verscherzte, die heute über die Aufnahme in die Hall of
Fame abstimmen, nicht auch noch [2][Opfer einer rassistisch eingefärbten
Retourkutsche] geworden ist.
2 Feb 2022
## LINKS
[1] /US-Baseball/!5166912
[2] /Black-Lives-Matter-im-US-Baseball/!5733891
## AUTOREN
Thomas Winkler
## TAGS
Baseball
Hall of Fame
MLB
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