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# taz.de -- Nachruf auf Betty White: 99,9 Jahre unproblematisch
> Es gibt das Vorurteil, alte Menschen lebten nicht auf der Höhe der Zeit.
> Betty White bewies bis zu ihrem Tod das Gegenteil.
Bild: Bis ins hohe Alter ein Vorbild: Die Schauspielerin Betty White
Das hässliche 2021 ist mit einer traurigen Nachricht zu Ende gegangen: Die
US-Schauspielerin [1][Betty White ist wenige Wochen vor ihrem 100.
Geburtstag gestorben]. Die Intro-Musik von „The Golden Girls“ hat meinen
Vater – den stets erschöpften Schichtarbeiter – im Abendprogramm glücklich
gemacht. Er fand die TV-Wohngemeinschaft der vier sassy white Seniorinnen
so lustig, dass er den Fernseher bei der ersten Strophe „thank you for
being a friend“ lauter geregelt hat, um bloß keinen der doppeldeutigen
Witze zu verpassen. Hätte es in den Neunzigern Streaming-Dienste gegeben,
Baba hätte seine Lieblings-Sitcom in der Endlosschleife gebinged.
Die Autorin Roxane Gay hat es in einem Kondolenz-Tweet auf den Punkt
gebracht: Betty White ist [2][„charming, delightful, hilarious, talented
and unproblematic for 99,9 years“]. Und selbst das ist nur die halbe
Wahrheit: White hat sich schon in den Fünfzigern gegen antischwarzen
Rassismus in den USA eingesetzt, sie war eine verlässliche Verbündete für
die LGBTQ-Community, eine der Pionierinnen in Hollywood und hat sich einen
Namen als Tierschützerin gemacht. Bis ins hohe Alter war sie ein Vorbild.
Es gibt dieses Vorurteil, dass alte Menschen nicht auf der Höhe der Zeit
leben würden: Das stimmt nicht. Zwar trifft es zu, dass von besonders
vielen alten weißen Männern (Achtung! Das ist schlicht eine evidenzbasierte
Beschreibung) Machtmissbrauch und ekelhafte Menschenfeindlichkeit ausgeht,
die Komponente „alt“ deutet hier nur darauf hin, dass weiße Männer über …
Jahre Macht akkumuliert, ge- und vererbt haben. Was nicht bedeutet, dass
alte Menschen per se böse sind. Niemand ist per se böse.
Im Umkehrschluss heißt es oft, dass die junge Generation schon alles regeln
und die historisch gewachsenen Ungleichheiten in unseren Gesellschaften
abbauen werde. Ich wünschte, es wäre so. Sehr viele junge Menschen sind
politisch und moralisch aber broke. Weil mein Kopf auch nicht vor
Vorurteilen gefeit ist, habe auch ich Aha-Momente, wenn ich auf die Profile
von Hassbriefschreiber*innen mit Klarnamen klicke. Ich erwarte alte
weiße Männer und finde oft mit hässlichen Nationalflaggen geschmückte
Bilder, auf denen Menschen noch hässlichere spiegelnde Sonnenbrillen tragen
und daneben steht, sie seien – so wie ich – rund um das Jahr 1988 geboren.
Den Punkt, den ich machen möchte: Es gibt wunderbare ältere Menschen, wie
zum Beispiel [3][Omas gegen Rechts]. Eine Initiative von politisch
engagierten Omis, die nicht zuschauen wollen, dass Rechtsextreme und ihre
Liberalo-Friends (wieder) übernehmen. Sie sind im hohen Alter verlässlich
antifaschistisch. Sie und viele andere stabile Senior*innen retten das
Image einer älteren Generation, die zu Unrecht pauschal als gestrig
gebrandmarkt wird.
Weiße alte Männer, nehmt euch also ein Beispiel an Betty White:
„Unproblematic for 99,9 years, you can do it, too!“
5 Jan 2022
## LINKS
[1] /US-Schauspielerin-Betty-White-gestorben/!5747881
[2] https://twitter.com/rgay/status/1477006327385755649
[3] /Protest-gegen-Rechts-in-Berlin/!5606771
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Kolumne Die Nafrichten
Schwerpunkt LGBTQIA
Hollywood
Antirassismus
Frauen
Schwerpunkt Rassismus
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