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# taz.de -- Neue Wege im Bahnradsport: Splitter stören nicht
> Mit der Champions League macht sich der Bahnradsport kompatibel für die
> Fernsehzukunft. Weder Holzspäne noch Corona können das ändern.
Bild: Emma Hinze (re.) rast auf Platz eins: Abschluss der Champions League
Ein bisschen Tischfeuerwerk im geschlossenen Raum, und dann betraten die
zwei Siegerinnen und zwei Sieger der neuen Track Champions League das
Innere des Londoner Velodroms. [1][Emma Hinze] gewann die Sprintwertung der
Frauen vor Lea Sophie Friedrich, das niederländische Toptalent Harrie
Lavreysen fing im Sprint der Herren den Keirin-König des Wettbewerbs,
[2][Stefan Bötticher], ab. Die Ausdauertitel gingen an die Britin Katie
Archibald und den US-Amerikaner Gavin Hoover. Alle vier bekamen
Prämienschecks über je 25.000 Euro. „Ich finde es gut, dass Frauen und
Männer gleichberechtigt sind, dass wir die gleichen Strecken fahren und
auch die gleichen Prämien bekommen“, hob Hinze die ziemlich neue
Gendergerechtigkeit hervor.
Sportlich überzeugten vor allem die Kurzzeitformate bei diesem neuen
Wettbewerb. Sie bestanden aus Sprint und Keirin. Im Sprint gab es das
Novum, dass Vorläufe und Halbfinals im Dreierformat ausgetragen wurden. Das
reduzierte die Anzahl der Läufe und führte zu neuen taktischen Finessen.
Das Finale bestritten jeweils zwei Athletinnen und Athleten in jeweils nur
einem Lauf. Dort setzten sich mit Emma Hinze und Harrie Lavreysen die
jeweiligen Favoriten durch.
Spannender wurde es im Keirin. Bei ihrem Versuch, eine Lücke zu finden, die
es nicht gab, ging Hinze am Freitag sogar zu Boden. Sie verpasste nicht nur
das Finale und verlor wertvolle Punkte. Sie war auch körperlich
angeschlagen. Umso bemerkenswerter war ihr anschließender Sieg im
Sprintfinale. Drastisch beschrieb sie ihre Verfassung: „Ich hatte einige
Splitter in meinem Hintern, die sie mir dann nach dem Rennen rausgezogen
haben.“
Noch aufregender, zum Glück ohne Holzsplitter im Körper, ging es im Keirin
der Männer zu. Bei drei der insgesamt vier Wettkampftage setzte sich
überraschend Bötticher durch. Vor allem am doppelten Abschlusstag in London
am Freitag und Samstag lieferte der Chemnitzer zwei taktische
Glanzleistungen ab. Erst machte der ebenfalls fürs Finale qualifizierte
Berliner Maximilian Levy das Rennen so schnell, dass der auf einer hinteren
Position hinter dem Schrittmachermotorrad gestartete Lavreysen viel Kraft
beim Aufholen verbrauchen musste.
Als der zu Bötticher aufgeschlossen hatte, zwang ihn Letzterer auf die
längere Außenbahn. „Harrie war hinten und es war ziemlich schnell. Er ist
dann losgefahren, aber ich konnte spüren, dass er vielleicht nicht mehr so
stark war wie im Sprint und konnte ihn halten“, beschrieb Finalsieger
Bötticher die entscheidenden Szenen. Im Keirinfinale am Samstag setzte sich
Lavreysen umgehend an die Spitze. Er wurde dann aber von Levy überholt und
etwas ausgebremst. Mit Schwung kam Bötticher von hinten und fing Lavreysen
noch ab.
## Mit Taktik zum Sieg
Das taktische Meisterwerk der beiden Deutschen war allerdings dadurch
begünstigt, dass Levy in seinen letzten Rennen der Karriere keine eigenen
Siegambitionen hatte und sich deshalb in den Dienst Böttichers stellte.
Zudem nahm Lavreysens Landsmann Jeffrey Hoogland, vom physischen
Leistungsniveau höher einzuschätzen als Bötticher, als Kontaktperson zweier
an Corona erkrankter Teamkollegen nicht mehr an den beiden Wettkampftagen
in London teil.
Überhaupt setzte die Pandemie dem Wettbewerb heftig zu. Ursprünglich waren
sechs Events geplant. Nach dem Auftakt in Mallorca fiel die nächste
Station, das Velodrom bei Paris, aus, weil es zum Impfzentrum umgebaut
worden ist. Nach der dann folgenden Station in Litauen sowie dem Londoner
Doppelevent wurde das für nächste Woche angesetzte Finale in Tel Aviv
aufgrund der strengen Coronaregeln in Israel abgesagt.
Dennoch ist das neue Format als Erfolg zu bewerten. Das meinen sogar
konkurrierende Veranstalter. „Das ist eine tolle Ergänzung“, konstatierte
Dieter Stein, sportlicher Leiter des für Februar 2022 geplanten Berliner
Sechstagerennens. „Jeder Wettkampf im Bahnradsport ist willkommen, denn es
gibt viel zu wenige davon“, sagte Stein. Man müsse nur darauf achten, dass
sich die Termine nicht überschneiden.
Die UCI, neben den Fernsehsendern Europsport und Discovery, Mitveranstalter
des neuen Formats, ist bei der Kalenderplanung also zu Neutralität
aufgerufen, um den klassischen Bahnveranstaltungen im Winter nicht das
Wasser abzugraben. Der Regulator ist hier auch Wettbewerber – das birgt
Konfliktpotenzial.
5 Dec 2021
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## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Radsport
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