# taz.de -- Feilschen bei der Klimakonferenz: Wie Glasgow zum Marktplatz wird | |
> Fast alles ist käuflich – auch Klimaschutz. Die Konferenz in Glasgow soll | |
> nach Jahren des internationalen Streits Handelsregeln beschließen. | |
Bild: Auf dem Marktplatz für Klimaschutz? Ein Windpark in Großbritannien | |
Klimaschutz als Ware: Kennt denn die Konsumwut gar keine Grenzen? | |
Ja, auch Klimaschutz kann man kaufen. So steht es jedenfalls im | |
[1][Paris-Abkommen, genauer in dessen Artikel 6]. Dort heißt es, dass | |
manche Länder bei der nötigen Senkung der Treibhausgasemissionen | |
„freiwillig kooperieren“ wollen und dürfen. Das klingt erst mal nach | |
Zusammenhalt und Teamwork – legt aber eigentlich den Grundstein für den | |
Handel mit Klimaschutz. Die Idee: Ein Land kann einem anderen Geld zahlen, | |
um dort Emissionen zu sparen, etwa den Bau eines Windparks finanzieren. Den | |
positiven Effekt auf das Klima darf sich dann die Geldgeberin anrechnen. | |
Das Ganze können Regierungen bilateral untereinander arrangieren, es ist | |
aber auch geplant, ein zentrales Handelssystem aufzubauen – also einen | |
internationalen Marktplatz für Klimaschutz. Auf dem dürften sich neben | |
Staaten auch Privatunternehmen tummeln. | |
Warum wollen Staaten mit Klimaschutz handeln? | |
Erst einmal: Nicht alle Staaten wollen das tun, die Europäische Union zum | |
Beispiel bislang nicht. Aber der Idealfall wäre: Ein reicher Staat, der | |
seine eigenen Emissionen für den Moment schon bestmöglich heruntergefahren | |
hat, finanziert zusätzlich in einem armen Land ein Klimaschutz-Projekt, das | |
dort sonst am Geld scheitern würde. So kann die eine Partei sich mit einem | |
weiteren Klima-Erfolg schmücken, die andere profitiert von den | |
Investitionen: Win-win! | |
Aber? | |
Viele Klimaschützer:innen befürchten, dass es zu dem Idealfall nicht | |
oft käme, und warnen vor folgender Möglichkeit: Ein Staat, der sich um | |
seinen Beitrag zur Erhaltung eines lebenswerten Planeten drücken will, | |
zahlt einem anderen Staat Geld für ein möglichst billiges | |
Klimaschutz-Projekt, um seine im Rahmen des Paris-Abkommens versprochenen | |
Emissionsminderungen trotz Nichtstun auf dem Papier einzuhalten. In der | |
Realität würde der Handel dann vielleicht sogar zu weniger Klimaschutz | |
führen. | |
Kann man solche Rechenspielchen unterbinden? | |
Komplett kann man wohl nicht ausschließen, dass Länder den Klimaschutz zu | |
Hause schleifen lassen, weil er woanders günstiger ist. Oder dass | |
Regierungen ihre eigenen Klimaziele extra schwächer gestalten, um | |
Klimaschutz zum Verkaufen übrig zu haben. Etliche kleine Inselstaaten wie | |
Santa Lucia, die auf erfolgreichen Klimaschutz ganz besonders angewiesen | |
sind, setzen sich zum Beispiel für eine Löschungsrate ein, um das Problem | |
zu verringern. Das hieße: Einen Teil jeder gehandelten Emissionsminderung | |
dürfte sich keines der beteiligten Länder anrechnen. Über derartige | |
Handelsregeln verhandeln die Staaten auf der laufenden Weltklimakonferenz | |
in Glasgow, und zwar zum wiederholten Male. Das Thema wird von Gipfel zu | |
Gipfel geschoben, weil einige Regierungen ziemlich offen Verwässerungen | |
durchsetzen wollen. | |
Wer ist der größte Bremser? | |
[2][Allen voran ist das Brasilien]. Das Land treibt zwar die Rodung seines | |
Regenwalds massiv voran, will dessen verbleibenden Klimaschutznutzen aber | |
trotzdem an andere Länder verkaufen. Die Regierung bringt dabei aber | |
teilweise offenkundig absurde Forderungen in die Verhandlungen ein. Zum | |
Beispiel will sie Doppelzählungen erlauben. Dann dürften sich sowohl Käufer | |
als auch Verkäufer denselben Klimaschutzerfolg anrechnen. Das wäre so, als | |
wollten Bäcker und Käuferin dasselbe Brot aufessen. | |
Welche Länder bremsen noch? | |
Zum Beispiel China und [3][Australien]. Zusammen mit Brasilien wollen diese | |
Staaten weiter die sehr alten und sehr billigen Zertifikate aus einem | |
früheren Klima-Handelssystem nutzen, dem Clean Development Mechanism (CDM). | |
Das Problem: Der Nutzen gilt als sehr gering. Die meisten der CDM-Projekte | |
würden wohl einfach weiterlaufen, selbst wenn kein Geld mehr durch die | |
übrigen Zertifikate hereinkommt. Wenn Länder sich die Ramschpapiere noch | |
anrechnen dürften, stünde zwar Klimaschutz auf dem Papier, wäre aber kaum | |
real. | |
11 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/paris_abkom… | |
[2] /Klimaschurke-Brasilien/!5811891 | |
[3] /Klimaschurke-Australien/!5808999 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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