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# taz.de -- Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009: Freisprüche aufgehoben
> 2009 stürzte das Kölner Stadtarchiv ein, zwei Menschen starben. Jetzt
> muss der Prozess gegen mutmaßlich Verantwortliche wohl teils wieder
> aufgerollt werden.
Bild: Eingestürztes Kölner Stadtarchiv beben dem angrenzenden zerstörten Woh…
Karlsruhe/Köln dpa | Alles zurück auf Anfang – zwölf Jahre nach dem
[1][Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit zwei Toten] hat der
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Freisprüche von zwei Bauleitern
vollumfänglich kassiert. Die Urteile des Landgerichts Köln vom Oktober 2018
seien in allen Bereichen aufzuheben, eine andere Kammer muss nun neu
verhandeln, sagt der Vorsitzende Richter Ulrich Franke und findet deutliche
Worte. Das Landgericht habe seinerzeit die fehlenden Abstimmungen auf der
Baustelle nicht berücksichtigt, das Fehlen engmaschiger Kontrollen und die
„gehäufte Anzahl von Zwischenfällen außer Betracht gelassen“, moniert er.
„Darin liegt der Rechtsfehler.“
Zwar hatte das Landgericht seinerzeit durchaus eine Verletzung der
Sorgfaltspflichten der beiden Männer festgestellt. Fälschlicherweise habe
es dann aber den Schluss gezogen, dass dies nicht die Ursache für die
Katastrophe vom 3. März 2009 gewesen sei. Genau das sei aber nicht
ausreichend geprüft worden. „Ein neues Tatgericht wird möglicherweise noch
eine Pflichtverletzung feststellen können“, sagt Franke. Der Ausgang ist
allerdings offen. Am Ende könnte auch ein neuer Freispruch für die
Bauleiter stehen. Neue Zeugen werden nun in Köln gehört werden,
Sachverständige geladen. Nur die Anklage, die verlesen werden wird, bleibt
gleich.
Nebenkläger Marvin Pagel, der inzwischen 18 Jahre alte Halbbruder von einem
der Opfer, weiß zunächst nicht, ob er lachen oder weinen sollte. „Es geht
mir nicht um Sühne“, sagt der bescheiden wirkende junge Mann. „Sondern
darum, dass geklärt wird, was passiert ist, warum es passiert ist und ob
jemand dafür zur Verantwortung gezogen werden kann.“ Andererseits bedeute
es für seinen Mandanten natürlich nun eine Tortur, wenn das ganze Verfahren
von neuem beginne, ergänzt Pagels Anwalt aus der Vorinstanz, Bernhard
Scholz.
Zu dem dramatischen Einsturz war es gekommen, als Arbeiter während
Bauarbeiten an einer U-Bahn-Haltestelle in unmittelbarer Nähe des Archivs
einen großen Steinblock in der Baugrube lassen, als dieser sich nicht
entfernen lässt. In der Folge bilden sich Fehlstellen in der Betonwand, die
die Baugrube umschließt. Sie gibt nach – rund 5000 Kubikmeter Wasser und
Kies strömen hinein. Ein riesiger Hohlraum bildet sich unter dem Archiv,
das nach vorne wegkippt und zwei angrenzende Wohngebäude mitreißt. Die
beiden Opfer, Pagels 17 Jahre alter Halbbruder und ein 24 Jahre alter
Anwohner, werden unter dem Schutt begraben und erst Tage später geborgen.
Jahre vergehen, bis es kurz vor der Verjährung zu Anklagen und schließlich
2018 zum Prozess kommt. Ergebnis unter anderem: Die zwei Freisprüche für
die beiden Bauleiter vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen.
Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Revision zum BGH eingelegt. Während
der Verhandlung dazu im Juli nennt die Bundesanwältin das Kölner Urteil
„durchgehend rechtsfehlerhaft“. Das sieht der BGH nun ähnlich.
Bis heute sind die Menschen, die den Einsturz miterleben mussten,
traumatisiert. Viele verloren ihr Zuhause, ihr gesamtes Hab und Gut.
Unzählige Dokumente werden verschüttet. Der Schaden liegt nach Schätzung
der Stadt Köln bei 1,2 Milliarden Euro. „Vor dem Tod der beiden Menschen
verblasst jedweder Schaden“, sagt BGH-Richter Franke. Köln hat inzwischen
ein neues Stadtarchiv. Anfang September wurde es eröffnet. Drama und Trauma
um das alte Archiv bleiben. Der neue Prozess wird die Stadt bald wieder
beschäftigen.
13 Oct 2021
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