Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Olympia-Vergangenheit des Quizmasters: Robert Lembkes Schweinderl
> Kriege, Gigantismus, Kommerzialisierung: Der verstorbene Quizmaster und
> Holocaust-Überlebende Robert Lembke ist heute noch als Sportkritiker
> aktuell.
Bild: Wo ist er? Robert Lembke besucht 1988 die Asiade in Südkorea – und ein…
Neulich hörte ich mir den Langschwatz-Podcast der Zeit mit Günther Jauch
als Gast an. Der berichtete in der zweiten Stunde darüber, wie er im Alter
von 12 Jahren den Robert-Lembke-Moderatorenwettbewerb auf der
Funkausstellung gewonnen habe. Robert Lembke, sagten die Langschwatzenden,
den kenne heute keiner mehr.
Ich bin so alt, dass ich mit dem Namen etwas anfangen kann. Ich kann mich
gut an die „Was bin ich?“-Sendungen im Westfernsehen erinnern, im Sessel
bei den Großeltern sitzend tauchte ich ein in die behagliche Atmosphäre
harmloser Unterhaltung. Jauch sagt dann im [1][Zeit-Podcast]: „Der war nur
so als Rateonkel bekannt, hatte aber mehr auf dem Kasten.“ Lembke sei Chef
der Mission bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München gewesen,
behauptet Jauch, also irgendwie dem großen Sport verbunden.
Delegationsleiter der Olympiasportler war der Mann mit den Schweinderln und
den 5-Mark-Stücken zwar nicht, aber immerhin Direktor des Deutschen
Olympia-Zentrums (DOZ). Er sorgte dafür, wie es „Im großen Handbuch der
Olympischen Sommerspiele“, herausgegeben von Lembke selbst, heißt, dass die
Spiele „durch Funk und Fernsehen in die ganze Welt übertragen werden“.
Dieser Lembke, der eigentlich [2][Robert Emil Weichselbaum] hieß und dessen
Vater Jude war, hatte in der Tat mehr auf dem Kasten. Der abgebrochene
Jurastudent und ehemalige Sachbearbeiter der IG Farben hatte sich nach
journalistischen Anfangsjahren bei der Münchner Neuen Zeitung vor allem ums
Administrative im Öffentlich-Rechtlichen verdient gemacht. Vom
Sportkoordinator der ARD stieg er auf zum Alleinherrscher über 1.500
Techniker und Verwalter von 125 Millionen Mark als Geschäftsführer des
DOZ; nebenbei verfasste der Hundefreund das Standardwerk „Kurzgefasste
Dackelkunde“.
Im Vorwort des erwähnten Olympiabuchs outet sich Robert Lembke als
entschiedener Kritiker der Spiele, was bemerkenswert ist, wollte er doch
die Bilder überall auf dem Globus vertreiben. Er konnte offensichtlich
zwischen verschiedenen Rollen changieren, und in einer schlüpfte er
regelmäßig in den Anzug des Aphoristikers: „Im alten Griechenland beendete
man Kriege, um die Spiele begehen zu können – wir lassen von Zeit zu Zeit
die Spiele ausfallen, um unsere Kriege führen zu können.“
## Aphorismen gegen den Olympiawahn
Es geht noch weiter: „Die Spiele sind ins Riesige gewachsen. Sie verlangen
Stille und verursachen Lärm. Aus der Begegnung ist ein Treffen geworden,
aus dem Kult die Show.“ Damit nicht genug, schreibt Lembke: „Die Massen,
die man braucht und lockt, müssen gehindert werden, die Spiele zu bedrohen.
Das Olympische Dorf wird zum umzäunten und bewachten Gladiatorenkäfig,
zwischen Zirkusvolk und Bewunderern liegt das Kassenhäuschen.“
Schlimmer noch sei die Kommerzialisierung und Politisierung der Spiele,
vermerkt Lembke. „Seit vielen Jahren werden sie teils von Gastgebern, teils
von Gästen, teils von beiden missbraucht“, schreibt jener Mann, der 1933
seine journalistische Karriere lieber beendete, als eine
„Loyalitätserklärung“ im Sinne der Nazis zu unterzeichnen. „Der Glaube,
dass man verlorene Kriege oder geglückte Überfälle, verlorene
Menschlichkeit oder geglückte Diebereien durch Erfolge im Hochsprung oder
Radfahren ausgleichen kann, ist offensichtlich weit verbreitet und
vielleicht nicht einmal völlig abwegig, wenn der Maßstab nur mehr die
öffentliche Meinung ist.“
Robert Lembkes Kritik wirkt wunderbar zeitlos: Der Sport sei dem Ghetto der
gesellschaftlichen Missachtung entkommen, nur um in einem goldenen Käfig zu
landen – und der sei ein „zwar scheußliches, aber ausbruchsicheres
Bauwerk“. Die nächsten Spiele finden in China statt. Welches von den
Schweinderln hätten Sie gern?
21 Oct 2021
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-09/guenther-jauch-interviewpodcast-al…
[2] https://www.zeit.de/kultur/2019-08/robert-lembke-deutsches-judentum-familie…
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne Olympyada-yada-yada
Olympische Winterspiele 2022
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Olympia 1936
## ARTIKEL ZUM THEMA
Olympische Winterspiele an Afrika vorbei: Exklusives Sportfest
Die Olympischen Winterspiele gehen am afrikanischen Kontinent praktisch
vorbei. Das wird mehr oder minder als naturgegeben hingenommen.
Olympischer Online-Verkauf: Waldi für alle
Ein Olympia-Shop des IOC bietet nun online seine Waren an. Unter den
hässlichen Maskottchen macht nur der Münchner Waldi eine gute Figur.
Historische Olympia-Maskottchen: Das Münchner Dackeltum
Dass 1972 ein Dackel zum Maskottchen der Sommerspiele wurde, fanden nicht
alle gut in der Stadt. Jetzt gibt es das Tier im neuen IOC-Shop zu kaufen.
Olympyada-yada-yada: Ist eSport sportlicher als Bridge?
Dieses Internet. Es bringt Dinge hervor. Sogar ganze Sportarten. Aber ist
eSport wirklich Sport? Und wenn ja, was für einer?
Kolumne Olympyada-yada-yada: Breakdance auf der Agora
Das greise olympische Komitee gibt sich jung und innovativ. Neue Sportarten
sollen den Wettstreit erweitern – der Grund dafür ist klar.
Kolumne Olympyada-yada-yada: Posttraumatische Belastungsstörung
Berlins Sportsenator findet, es sei wieder an der Zeit für Olympia. Aber
wie soll die Stadt das hinkriegen, wenn es nicht mal mit einem Flughafen
klappt?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.