Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bewertung des deutschen Olympia-Sports: Wir gründen eine Kommission
> Der Leistungssport wird von PotAS, den Potenzialanalytikern durch die
> Mangel gedreht. Erzeugt wird eine Illusion von Berechenbarkeit.
Bild: Gut oder schlecht? Basketballer Moritz Wagner bei den Sommerspielen 2021
Eine Kommission, hat der englische Journalist Richard Harkness einmal
gesagt, ist eine Gruppe von Unwilligen, ausgewählt aus einer Schar von
Unfähigen zwecks Erledigung von etwas Unnötigem. Das ist typisch
angloamerikanischer Humor, über den die Funktionärinnen und Funktionäre des
deutschen Sports – wenn überhaupt – nur gequält lächeln können, denn ei…
ihrer Fetische besteht darin, bei Problemlagen Kommissionen mit der
Problemlösung zu beauftragen.
Eine dieser Kommissionen [1][trägt den Namen PotAS], und Harkness hätte
wohl sofort gedacht: Klingt nach Kalium (englisch: potass), ist aber
irgendwie falsch geschrieben. Da es sich natürlich um ein Akronym handelt,
hat PotAS nichts mit Chemie zu tun, sondern steht in all seiner Sperrigkeit
für: Potenzialanalysesystem.
Ersonnen wurde es vom DOSB, also dem Deutschen Olympischen Sportbund, und
dem BMI, dem Bundesministerium des Innern. Im Jahre 2017 ließ man die
Potenzialanalytiker los auf den deutschen Leistungssport, um zu ermitteln,
welcher Verband bei Olympischen Spielen besonders viele Medaillen holen
kann und wer zu den Abgehängten gehört. Man rückte den Verbänden also nicht
nur mit einer Kommission zu Leibe, sondern auch mit den Mitteln der
qualitativen und quantitativen Sozialforschung (Was mag wohl schlimmer
sein?).
Besonders beeindruckend ist das Formelwesen der PotAS-Kommission. Es lohnt
sich auch für den unbedarften Laien, einmal die Formelsammlung der Potasier
anzuschauen, denn es sieht nach Raketentechnik und höherer Mathematik aus.
Wir wundern uns, dass die Untersuchenden noch nicht für [2][die
Fields-Medaille] vorgeschlagen wurden, aber das kann ja noch kommen.
## Plaketten fürs Vaterland
Die deutschen Sportverbände haben mittlerweile richtig Angst vor den
Potasiern, weil die über Wohl und Wehe entscheiden, über Geldfluss oder
Flaute. Wer vorn landet im Bewertungssystem und dem Vaterland Ruhm und Ehre
in Form von Medaillen garantiert, kriegt ordentlich Kohle vom Staat, wer in
der avisierten Plakettenproduktion hinterher hängt, bekommt nur ein paar
Brosamen.
Zuerst wurde der deutsche Wintersport gescannt: Die Raketentechniker hatten
also knallhart objektiviert, ursprünglich weiche Kriterien durch ihre
Berechnungen quasi betoniert, und zur Überraschung aller lagen die
Rennrodler vorn und die Curler hinten. Bei den Sommersportlern waren die
Leichtathleten auf der Pool-Position, und die Basketballer fanden sich im
Kröpfchen wieder. Das war tatsächlich überraschend, denn die deutsche
Basketballauswahl der Männer hatte sich nicht nur spektakulär für die
Olympischen Spiele in Tokio qualifiziert, sie kam dort auch noch ins
Viertelfinale – ohne NBA-Star Dennis Schröder.
Die Verwunderung beim Deutschen Basketball-Bund war groß, aber die
Schablone, die die Potasier über den deutschen Sport gelegt hätten, sei
passgenau, versicherten die. Und das beweist allein schon die Aussage des
Ober-Potasiers Urs Granacher von der Uni Potsdam; er sagte unlängst in der
ZDF-Sportreportage: „Wenn wir Konzeptionen abprüfen, dann heißt das, dass
diese Punkte zunächst einmal auf dem Papier stehen. Ob sie gelebte Praxis
sind, haben wir noch nicht unmittelbar abgeprüft.“ WHAT?
Die Verbände können quasi nach Gutdünken etwas angeben – und es wird nicht
gecheckt? Lassen wir einmal beiseite, dass es in Befragungen zu
Verzerrungen kommt durch Phänomene wie soziale Erwünschtheit, Unvermögen,
Taktik, Selbstdarstellung oder bewussten Betrug, so fehlt hier auch ein
dringend benötigter Realitätscheck. Es liegt deswegen nahe, von einer
Objektivitätsillusion zu sprechen, die über die Vergabe von Millionen von
Euro entscheidet. Hatte Richard Harkness doch recht?
15 Oct 2021
## LINKS
[1] https://www.potas.de/startseite.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Fields-Medaille
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne Frühsport
DOSB
Kolumne Frühsport
Leistungssport
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Olympischer Sportbund in der Krise: Stützen des Systems
Beim DOSB soll mit der Wahl eines Nachfolgers von Präsident Alfons Hörmann
alles besser werden. Dabei lassen sich die Probleme nicht personalisieren.
Förderung des Leistungssports in Bremen: Schlafen, trainieren, lernen
Die Leistungssportförderung ist in Bremen schlecht aufgestellt. Helfen
soll, aus der sportbetonten Oberschule Ronzelenstraße ein Internat zu
machen.
Kolumne Pressschlag: Potas, Pusher und Plaketten
Die Reform des deutschen Spitzensports ist spalterisch. Sie sorgt für ein
Sport-Prekariat. Die Frage drängt sich auf: Wieviel sind sportliche Erfolge
wert?
Die Wahrheit: Blick in den Medaillenspiegel
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Diesmal darf sich die
Leserschaft an einem Poem über einen olympischen Spitzenkampf erfreuen.
Reform der Spitzensportförderung: Viel Potenzial nach oben
Das Spitzensportförderungskonzept der DOSB soll die Athleten in den
Mittelpunkt stellen. Die aber können darauf kaum Einfluss nehmen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.