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# taz.de -- Prozess gegen TÜV Süd: Nur Beileid für die Brasilianer
> Vor dem Landgericht München sieht der TÜV Süd keine rechtliche
> Verantwortung für die 270 Toten nach dem Staudammbruch in Brasilien.
Bild: Demonstrierende fordern Gerechtigkeit für die Opfer von Brumadinho, Bras…
München taz | „Es ist ein schreckliches Unglück geschehen“, sagt Florian
Stork, Chef-Justiziar des TÜV Süd. Im großen [1][Münchner Gerichtssaal] an
der Justizvollzugsanstalt Stadelheim spricht er den Angehörigen sein
Beileid aus und meint: „Wir wollen das Leid überhaupt nicht infrage
stellen.“ Und dennoch: Das deutsche Prüfunternehmen sehe „keine rechtliche
Verantwortung“ für die Katastrophe des 25. Januar 2019.
Der Bruch des Staudamms einer Eisenerzmine hatte damals im brasilianischen
Brumadinho eine gewaltige Schlammlawine ausgelöst, die Teile des Ortes
zerstörte. [2][270 Menschen kamen ums Leben]. Nur wenige Monate zuvor war
der Damm vom brasilianischen TÜV-Ableger untersucht und als sicher
zertifiziert worden.
Am Dienstag saßen sich Vertreter aus [3][Brumadinho im Bundesstaat Minas
Gervais] und TÜV-Anwälte in einem Musterprozess gegenüber. In dem Verfahren
wird juristisches Neuland verhandelt: Kann ein Unternehmen für das
Umweltvergehen in Deutschland zur Verantwortung gezogen werden, das seine
Tochterfirma im Ausland begangen hat?
Avimar Barcelos, der Bürgermeister von Brumadinho, ist für das Verfahren
nach München gereist. Ebenso wie zwei Brüder und der Ehemann der
Ingenieurin Izabela Barroso – die damals 30-Jährige war von der
Schlammlawine getötet worden. „Niemand kann Izabela zurückbringen“, sagt
der Bürgermeister vor Gericht.
## „Die sollen kommen“
„Doch ich bin empört, dass der TÜV sich weigert, Verantwortung zu
übernehmen.“ Barcelos, ein jüngerer Mann, erzählt, dass seine Gemeinde
immer noch zu großen Teilen zerstört sei. Erst 30 Prozent des giftigen
Schlamms sei beseitigt. „Die sollen kommen und sich anschauen, was sie
angerichtet haben.“
Die Vorsitzende Richterin des Landgerichts, Ingrid Henn, versuchte, eine
Güteverhandlung zu erreichen, bei der sich beide Seiten auf
Entschädigungssummen einigen. Dazu war Rechtsanwalt Jan Erik Spangenberg,
der die Kläger vertritt, grundsätzlich bereit.
Für die Gemeinde werden umgerechnet 70.000 Euro verlangt, für die
Angehörigen der Getöteten pro Person zwischen 15.000 und 30.000. Das könnte
der TÜV Süd problemlos aufbringen. Allerdings: Spangenberg vertritt nach
eigenen Angaben weitere 1200 Angehörige. Für das Unternehmen steht auf
einmal eine Milliarde Euro Entschädigung im Raum – viel auch für den TÜV.
Doch es gibt ja auch noch den Betreiber der Mine, der in der Verantwortung
steht. Dabei handelt es sich um den brasilianischen Mega-Bergwerkskonzern
Vale. Der TÜV stellte sich in der Verhandlung auf den Standpunkt, sein
Gutachten sei „in Ordnung“ gewesen, meinte Firmenanwalt Philipp Hanfland.
## Keine gemeinsamen Nenner
Es gebe keinen „Nachweis missbräuchlichen Verhaltens“ und keinen
„Kausalzusammenhang“. Der Opfervertreter hingegen verwies auf Mails, in
denen Vale-Vertreter Druck beim TÜV gemacht haben sollen, ein positives
Gutachten zu fertigen. Und er benannte technische Details, die belegen
sollen, dass nicht sauber geprüft wurde.
Auf keinen gemeinsamen Nenner kam man auch bei der Frage, ob der
Vale-Konzern, der TÜV oder beide zur Entschädigung verpflichtet sind. 5,8
Milliarden Euro stehen im Raum, die der Vale-Konzern versprochen haben
soll. Das meiste davon gehe in den Straßenbau, der wiederum vor allem den
Bergbau-Konzernen nutzt, kritisierte Opferanwalt Spangenberg.
„Von den Angehörigen hat noch niemand irgendeine Entschädigung erhalten.“
TÜV-Anwalt Hanfland widersprach: Die Auszahlung werde vorbereitet, im
kommenden Jahr solle Geld fließen, „eine gigantische Summe“. Und zwar auch
an die Angehörigen. Dies bezweifelten die Kläger. Spangenberg: „Da müsste
man noch Jahre und Jahrzehnte warten.“
In München war dies der erste und zugleich letzte Prozesstag. Die beiden
Parteien sollen, so sagte die Richterin, nun schriftlich verschiedene
Fragen beantworten. Auf das Urteil müssen die Menschen aus Brumadinho und
der TÜV eine Weile warten – es ist für den 1. Februar 2022 angesetzt.
28 Sep 2021
## LINKS
[1] /TUeV-Sued-vor-Gericht/!5803780
[2] /Prozesse-wegen-Dammbruch-in-Brasilien/!5743141
[3] /Verantwortung-fuer-Bergbau-Folgen/!5574965
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Brasilien
Staudamm
TÜV
Brasilien
Brasilien
Menschenrechte
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