# taz.de -- Kunststreit in Sachsen: Ganz mieses Kino | |
> Görlitz darf die Installation der Künstlerin Lisa Maria Baier abbauen. | |
> Ihre nachträglichen Veränderungen ihres Werkes verletzten den Vertrag. | |
Bild: So gefällt sich Görlitz: als Kulisse für Historienschinken | |
Die Stadt Görlitz darf das Kunstwerk von Lisa Maria Baier mit dem Titel | |
„Kulisse“ auf dem Platz vor der Stadthalle entfernen, entschied das | |
Verwaltungsgericht Dresden am Montag. Ein Eilantrag der Künstlerin gegen | |
den Abbau ihrer Installation wurde abgewiesen. | |
Das Grundrecht der Kunstfreiheit, das Baier ins Feld geführt hatte, um die | |
nachträglichen Veränderungen am Konzept ihrer Arbeit zu rechtfertigen, sei | |
nicht berührt, so das Gericht. Die Künstlerin habe freiwillig einen Vertrag | |
geschlossen und sich damit den vertraglichen Bindungen unterworfen. | |
Der alte Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) gelte | |
für alle Personen und daher auch für Konzeptkünstler:innen. Gegen die | |
Entscheidung kann Beschwerde beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht | |
eingelegt werden. | |
## Kino verkehrt | |
Die Installation der Dresdner Meisterschülerin sollte fünf Kinosessel und | |
eine Plexiglasscheibe mit dem eingravierten Wort „Kulisse“ zeigen, in ihr | |
sollte die Situation im Kino umgedreht werden, dort sitzt man im Sessel um | |
zu betrachten, in Görlitz vor der Stadthalle würde man betrachtet werden. | |
Michael Wieler, der Kulturbürgermeister von Görlitz, hatte die Arbeit als | |
eine von neun weiteren für die Görlitzer ART 2021/2022 ausgewählt, die als | |
Hommage an die Filmstadt Görlitz gedacht ist. | |
Nun schauen die Personen in den fünf Kinosesseln nicht mehr auf das Wort | |
Kulisse, sondern auf ein Protestbanner gegen das totale Abtreibungsverbot | |
in Polen. Man könnte das Banner als Kinoplakat interpretieren, das einen | |
Film ankündigt, der, obwohl er ein ganz mieser Film ist, immer wieder | |
aufgeführt wird, jetzt eben in Polen. | |
Verstößt Lisa Maria Baier überhaupt gegen den Vertrag? Wo ihre Installation | |
doch das filmische Thema wahrt? Sie weist nur mit dem auf Polnisch | |
formulierten Aufruf „aborcja bez granic“, Abtreibung ohne Grenzen, darauf | |
hin, dass die Filmstadt Görlitz auch eine Stadt ist, in der Abtreibungen | |
legal vorgenommen werden können. Und das gereicht der Stadt verdammt noch | |
mal nicht weniger zum Ruhm, als Kulisse für historische Filmstoffe zu sein. | |
## Solange das Grundgesetzt gilt, gilt auch die Kunstfreiheit | |
Der Kulturbürgermeister versteht das offenbar nicht. Er versteht anderes | |
Grundlegendes nicht. So schreibt er in einer Entgegnung auf einen offenen | |
Brief der Studierenden der Hochschule für Bildende Künste Dresden, die | |
Freiheit der Kunst sei immer eine Errungenschaft, nichts Gegebenes. | |
Vielleicht sollte er doch mal ins Grundgesetz schauen. Dort steht sie, | |
obwohl wie ein liberales Abtreibungsrecht eine Errungenschaft, sehr wohl | |
als gegeben. | |
27 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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Sachsen | |
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