# taz.de -- Ich und meine Gastfreundschaft: Die Corona-Hilfe | |
> Endlich bin ich Deutscher durch und durch und Corona schützt mich auch | |
> noch vor meinem orientalischen Freundeskreis. Dachte ich. | |
Bild: Für den Inhalt des Kühlschranks hat orientalische Gastfreundschaft grav… | |
Nach gefühlt 100 Jahren in Deutschland bin ich endlich über den Berg! Ich | |
meine damit aber nicht die bayrischen Alpen, sondern ich habe mich doch | |
noch integriert – und zwar gründlich! Bin waschechter Deutscher geworden. | |
Jetzt bin ich weder Deutscher mit Migrationshintergrund noch Türke mit | |
Migrationsvordergrund. Sondern eine stinknormale Kartoffel wie du und ich, | |
die unangemeldet in seine heilige Privatsphäre hereinstürmende sogenannte | |
„Gäste“, abgrundtief hasst. Die Gäste, die sich vorher anmelden, hasse ich | |
noch mehr, da kann ich nämlich nicht mehr so tun, als wäre ich nicht da. | |
Umso mehr freue ich mich, dass ich von dieser chronischen Krankheit, | |
genannt „orientalische Gastfreundschaft“, endlich völlig geheilt worden | |
bin. | |
Ich kann mir im Nachhinein nicht mal mehr erklären, weshalb ich all die | |
Jahre irgendwelche als Gäste getarnte Halunken persönlich einladen, | |
geschweige denn sie gemocht haben könnte. Wofür sind diese Schnorrer denn | |
überhaupt gut, dass man sie freiwillig ins Haus lässt? | |
Essen einem den ganzen Kühlschrank leer, saufen einem eimerweise Tee und | |
Bier weg, stören beim Fernsehen und lassen bis zum Morgengrauen nicht | |
schlafen. Es ist mir richtig schleierhaft, wie ich solche Blutegel jeden | |
Tag ertragen konnte. Ich muss wohl in der Hinsicht stark masochistische | |
Neigungen gehabt haben, die ich nach jahrelanger Intensivbehandlung – dank | |
der tatkräftigen Unterstützung meiner fürsorglichen Nachbarn Oma Fischkopf | |
von oben und Opa Prizibilsky von unten, die jedes Mal lautstark mit der | |
Polizei gedroht haben, wenn ich Gäste hatte –, erfolgreich auskuriert habe. | |
Leider wusste ich damals, gefangen in meiner orientalischen Denkweise, ihre | |
große Fürsorge nicht richtig einzuschätzen. | |
## Keine Lügen mehr | |
Voller Freude über meine späte Genesung komme ich von der Arbeit strahlend | |
nach Hause und rufe höchst erleichtert: | |
„Eminanim, dieses blöde Corona hat doch was Gutes gehabt. Wir brauchen | |
nicht mehr das ganze Haus zu verdunkeln und uns im Keller zu verstecken, | |
oder irgendwelche andere Lügen zu erfinden, damit man uns in Ruhe lässt. | |
Dank Corona können uns die Blutsauger Nedim, Hasan, Ahmet, Ismail und | |
Konsorten und deren Schnorrer-Weiber nicht mehr Tag für Tag belästigen. | |
Selbst die Coronaviren sind mir viel lieber als diese rücksichtslosen | |
Parasiten“, grinse ich wie Honigkuchenpferd und betrete überglücklich das | |
Wohnzimmer. | |
„Osman, seit heute dürfen in geschlossenen Räumen wieder bis zu zehn Leute | |
zusammenkommen“, stammelt Eminanim mit hochrotem Kopf, umzingelt von viel | |
mehr Rotköpfen, die mich wenig freundlich anglotzen. Als da wären: Nedim, | |
Hasan, Ahmet, Ismail und ihre Schnorrer-Weiber! | |
24 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Osman Engin | |
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