# taz.de -- Kommunizieren im Alltag: Die Coronasprache | |
> Corona macht unsere Kommunikation kaputt. Aber es gibt Hoffnung: Mit | |
> Hilfe meines Sohnes habe ich eine Coronasprache entwickelt. | |
Bild: Maskenproblem bei der Kommunikation? Mehmets Lautsprache funktioniert imm… | |
„Früher war alles besser“ ist seit Corona kein blöder Spruch mehr. Es ist | |
eine Tatsache. | |
Wegen dieser Krankheit darf ich meine lieben Kumpels weder küssen, noch | |
umarmen, nicht mal die Hand geben. Mit der großen Maske laufen sie einfach | |
an mir vorbei. Oder rufen mir auf der Straße zu: „Hallo Helmut, alter | |
Schwede, wie geht’s dir?“ | |
„Ich bin nicht der Schwede Helmut. Ich bin der Türke Osman.“ | |
„Oh, Entschuldigung.“ | |
Oder ich sehe meinen Arbeitskollegen Hans auf der Straße und rufe | |
begeistert: „Hallo Hans, alter Kumpel“, aber werde sofort zurechtgewiesen. | |
„Ich bin nicht Hans, mein Herr. Ich bin Fatma.“ | |
Selbst diese armselige Begrüßung ist zu riskant, am besten gar nicht den | |
Mund aufmachen, sagen die Corona-Experten. Die ganz winzigen und | |
supersportlichen Viren würden sogar durch den Mundschutz hindurchflitzen | |
und einen brutal umbringen. Was die ganzen Diktatoren in jahrelanger Arbeit | |
nicht geschafft haben – alle Menschen mundtot zu machen – hat ein winziges | |
Virus in kürzester Zeit erledigt. | |
Aber ist Sterben in diesem Fall nicht die bessere Alternative, wenn man | |
seine Kumpels nicht mal begrüßen darf? | |
„Nein, ist es nicht. Ich werde viel lieber weiterleben als dich zu grüßen, | |
Osman“, sagt mein Kumpel Nedim trocken. | |
„Aber ohne jegliche menschliche Kommunikation ist es schon ein wenig wie | |
lebendig begraben zu werden, nicht wahr, mein Freund?“, bettele ich | |
regelrecht nach ein bisschen Liebe. | |
„Nein, ist es nicht. Mein Fernseher reicht mir“, meint er. | |
Also suche ich nach neuen Kommunikationsmöglichkeiten, um unsere | |
Zivilisation trotz Corona doch noch zu erhalten. Und werde nach kurzer | |
Zeit fündig. Mit der neuen „Coronasprache“, die ich erfunden, entwickelt | |
und patentiert habe, kann man sich sogar mit geschlossenem Mund | |
unterhalten. | |
Sie beruht auf einem denkbar einfachen System, das ich meinem sprachfaulen | |
Sohn Mehmet abgeguckt und perfektioniert habe. Mehmet spricht nämlich nicht | |
– er grunzt wie eine Sau! „Hhrr, hhrr, hhrr“, insbesondere morgens. Und | |
zwar ohne den Mund aufzumachen, was in diesen Coronazeiten plötzlich Gold | |
wert ist und über Leben und Tod entscheiden kann. | |
Ich brauchte nur Mehmets „Hhrr, hhrr, hhrr“ mit dem Morsealphabet zu | |
kombinieren. Dreimal kurz „hhrr“, einmal lang „hhrr“, zweimal kurz „h… | |
bedeutet: „Wie geht’s dir?“ | |
In der Praxis hört sich das so an: „Hhrr, hhrr, hhrr, hhhhhrrrrr, hhrr, | |
hhrr?“ | |
Ich kann auch problemlos: „Grüße deine Frau Hümeyranim“ sagen, ohne den | |
Mund aufzumachen: „Hhrr, hhrr, hhhhhrrrrrr, hhrr, hhhhhrrrrr, hhhhhrrrrr!“ | |
Mein Lieblingssatz ist aber: „Hhhhhrrrrr, hhrr, hhrr, hhhhhrrrrr, hhhrrr“, | |
und bedeutet: „Corona ist doof!“ | |
16 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Osman Engin | |
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