# taz.de -- Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien: Urteil lässt viele Fragen offen | |
> Zwei serbische Geheimdienstler sind zu zwölf Jahren Haft verurteilt | |
> worden. Ein früherer Freispruch ist hinfällig. | |
Bild: Jovica Stanišić (l) und Franko Simatović am Mittwoch vor Gericht in De… | |
SPLIT taz | 12 Jahre für Jovica Stanišić und Franko Simatović. Doch das | |
Urteil der [1][Nachfolgeinstitution des UN-Tribunals in Den Haag], das am | |
Mittwoch im letzten Prozess gegen die serbischen Kriegsverbrecher erging, | |
lässt viele Fragen offen. Das betrifft vor allem die Rolle Serbiens bei den | |
Verbrechen in Kroatien, Bosnien und Herzegowina und im Kosovo. Diese waren | |
nicht Gegenstand des Urteils. | |
Mit dem Verdikt wurde ein Freispruch für Stanišić und Simatović aus dem | |
Jahre 2013 revidiert, der sehr umstritten war. Jedoch können die beiden | |
Geheimdienstleute in Berufung gehen. Sollte ihre Untersuchungshaft | |
angerechnet werden, könnten sie schon bald wieder auf freien Fuß kommen. | |
Munira Subasić, Vorsitzende der Vereinigung „Mütter von Srebrenica“, zeig… | |
sich über das Urteil erleichtert. Dort wurde festgestellt, dass es einen | |
Plan Serbiens für die Verbrechen der ethnischen Säuberungen in Bosnien und | |
Herzegowina gegeben habe, was Belgrad bisher vehement bestreitet. | |
Zudem ist der Schuldspruch gegen Stanišić und Simatović der erste gegen | |
Verantwortliche aus dem Stab des früheren serbischen Präsidenten Slobodan | |
Milošević. „Serbien wird keinen Weg finden, sich davon freizusprechen,“ | |
sagte Subasić – ein Anspielung darauf, dass bisher kein Serbe aus Serbien | |
wegen Verbrechen in Kroatien und Bosnien [2][in Den Haag verurteilt] worden | |
ist. | |
## Dünne Beweislage | |
Stanišić war Leiter des staatlichen Sicherheitsdienstes und Simatović sein | |
Stellvertreter. Beide gehörten zum engen Kreis um Slobodan Milošević, der | |
2006 noch vor der Urteilsverkündung in Haft gestorben war. Obwohl bekannt | |
ist, dass die beiden Geheimdienstleute schon in Kroatien 1991 in der | |
Krajina an Verbrechen beteiligt waren und sich ihre Blutspur über Bosnien | |
und Herzegowina 1992-95 bis nach Kosovo 1999 zieht, hob das Gericht zwar | |
die „bedeutende Rolle“ beim Aufbau von paramilitärischen Einheiten hervor, | |
konnte dies jedoch lediglich in der Region Bosanski Šamac im April 1992 | |
nachweisen. | |
Das liegt auch daran, dass wichtige Dokumente in Belgrad immer noch der | |
Geheimhaltung unterliegen. Die Sozialwissenschaftlerin Nevenka Tromp, die | |
in Den Haag lebt und seit Jahrzehnten alle Prozesse dort genau verfolgt, | |
kritisiert, dass auch Den Haag mauere und Beweise über die Organisierung | |
des Krieges, die gegen Ex-Präsident Milosevic gesammelt worden waren, für | |
andere Prozesse unter Verschluss halte. Dabei seien Stanišić und Simatović | |
in die Strukturen des ehemaligen Präsidenten eingebunden gewesen (Joint | |
criminal enterprise). | |
Die beiden Angeklagten hatten die Aufgabe, sich um die Bildung, | |
Finanzierung, Ausbildung sowie logistische Unterstützung für | |
paramilitärische Einheiten zu kümmern. Die „Arkanovski“ des Zeljko | |
Raznatovic Arkan, die „Tiger“, die „Scorpions“, die „Serbischen | |
Freiwilligengarde“ und andere Einheiten hatten die Drecksarbeit bei der | |
ethnischen Säuberung zu leisten. | |
Obwohl das Gericht nur in der nordostbosnischen Regjon Bosnanski Šamac | |
Beweise sammeln konnte, schilderte der Vorsitzende Richter Burton Hall in | |
der Urteilsbegründung anschaulich die „Terrorkampagne“ der serbischen | |
paramilitärischen Einheiten gegen die nicht-serbische Bevölkerung. | |
Serbische Streitkräfte und Paramilitärs hatten Bosanski Šamac im April 1992 | |
eingenommen. Dabei sei es auch zu Plünderungen, Vergewaltigungen und der | |
Zerstörung von religiösen Gebäuden und Kulturdenkmälern gekommen, sagte | |
Richter Burton Hall. Bosnische Kroaten und Muslime seien in | |
Internierungszentren gebracht worden, wo sie unter unmenschlichen | |
Bedingungen festgehalten, gefoltert und getötet worden seien. Stanišić und | |
Simatović hätten diese Verbrechen angestiftet und angeleitet. | |
1 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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