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# taz.de -- Die Wahrheit: Wilde Jager
> Lebenslänglich Bayer: Die Obrigkeit im Freistaat hat schon immer gern
> Gewalt ausgeübt. Einst durch den Revierjäger am Tegernsee.
Der Menten Sepp war siebzehn Jahre alt, als ihm die Obrigkeit in den Rücken
geschossen hat. Ein Wilderer soll er gewesen sein. Der Revierjäger am
Tegernsee war jedenfalls überzeugt davon. Er will den jungen Kerl gesehen
haben, als der einen frisch erlegten Hirschen auf einen Schlitten verladen
wollte. Dass er den Sepp nicht gleich an Ort und Stelle erschossen hat, war
nicht gerade typisch für den Aufpasser im Revier.
Etliche Leute hatte er schon mit seinem Gewehr gerichtet, wenn er glaubte,
sie bei irgendwas erwischt zu haben. Wer Holz aus dem Wald holen wollte,
musste genauso daran glauben wie ein Wilderer oder einer der einfach nur
zum Schwammerlsuchen im Gehölz unterwegs war. Den wilden Jager von Gmund
hat man ihn geheißen. Zehn Menschen soll er in Ausübung seiner Pflicht
erschossen haben.
Und so war es fast ein Wunder, dass er den jungen Sepp gefangen genommen
hat, auf seinen Schlitten geschnallt und zur Gendarmerie nach Miesbach hat
bringen wollen, anstatt ihm gleich eine Kugel ins Herz zu jagen. Die Nacht
über hat er den Sepp einfach im Freien stehen lassen, wo er fast erfroren
wäre. Mit letzter Kraft hat er sich des Morgens frei gemacht und wollte
fliehen. Da landete dann doch noch eine Jägerkugel in seinem Rücken. Der
Schütze musste sich vor Gericht verantworten. Zwei Wochen wurde der Jäger
vom Dienst suspendiert, dann passierte das, was eben passiert, wenn einer,
der im Staatsgewand Gewalt ausübt, vor den Kadi muss: Er wird
freigesprochen.
Was seinerzeit im Jahre 1832 geschehen ist, passiert bis heute nicht viel
anders. Oder ist irgendjemandem im Bayernland je zu Ohren gekommen, dass
ein Schandi verurteilt worden wäre, der im Einsatz nicht an sich halten
konnte? Demnach hätte es Polizeigewalt nie gegeben in Bayern. Und wenn es
allzu offensichtlich ist, dass da etwas aus dem Ruder gelaufen ist, dann
ist das eben die „bayerische Art“ gewesen.
So hat der einstige Ministerpräsident Max Streibl es genannt, als 1992 um
die 500 Leute, die gegen den G7-Gipfel in München demonstriert hatten,
eingekesselt, stundenlang festgehalten und auch dann noch lange nicht
freigelassen wurden, als die Staatsanwaltschaft das längst angeordnet
hatte. Sie hatten so laut gepfiffen, dass die Blasmusik nicht zu hören war,
die die bayerischen Gastgeber nebst Trachtenkulisse dem Kanzler Helmut Kohl
und seinen Gästen haben vorführen wollen. Schon schlimm.
Am Tegernsee übrigens haben sich Freunde vom Menten Sepp ein Jahr nach
dessen Tod zusammengetan und dem Jäger aufgelauert. Mit Gewehrkolben haben
sie ihn und seine Gehilfen malträtiert. Ein Denkmal erinnert an die
Jagerschlacht von Grund, dem kleinen Weiler, in dessen Nähe sie
stattgefunden hat. Es ist auch ein Mahnmal, das an die Gewalt erinnert, die
von der Obrigkeit in Bayern immer schon besonders exzessiv ausgeübt worden
ist. Tradition nach bayerischer Art eben.
16 Jul 2021
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Bayern
Jagd
Gewalt
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