Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach der Wahl in Algerien: Die Peiniger gewinnen
> Kaum jemand ging wählen, keine Partei hat eine Mehrheit bekommen: Sieger
> der Parlamentswahl in Algerien ist die Clique der herrschenden Generäle.
Bild: Die Wahlbeteiligung in Algerien erreichte mit nur 23 Prozent einen histor…
Berlin taz | Algeriens Militärregime hat ein neues Parlament wählen lassen.
Der Restauration einer pseudodemokratischen Fassade im Land sind die
Generäle hinter den Kulissen damit ein Stück näher gekommen. Legitimität
genießt die neue Nationalversammlung in Algier keineswegs.
Die Abstimmung am Samstag war weder frei noch transparent, die amtlich
festgestellte Wahlbeteiligung erreichte mit nur 23 Prozent einen
historischen Tiefstand. Einschüchterungen gegen die Opposition und die
[1][Protestbewegung „Hirak“] („Bewegung“) im Vorfeld und der
[2][Wahlboykott der Opposition] zeigen zudem: Algeriens politische Krise
ist alles andere als vorbei.
Angesicht lautstarker Manipulationsvorwürfe gegen die staatlich
kontrollierte Wahlbehörde ANIE und der Repressionswelle, die seit Wochen
auf den Hirak einprasselt, gerieten die am Mittwoch verkündeten vorläufigen
Endergebnisse fast zur Nebensache. Überraschend sind die Resultate
trotzdem, schnitten doch die beiden Regimeparteien Nationale
Befreiungsfront (FLN) und Nationale Demokratische Sammlung (RND) unerwartet
gut ab. Die seit 1962 fast durchgängig regierende frühere Einheitspartei
FLN zog mit 105 der 407 zu vergebenden Mandate als stärkste Kraft ins neue
Parlament ein. Die RND gewann 57 Sitze.
Das prognostizierte starke Abschneiden der vom Regime kooptierten
konservativen Islamisten blieb derweil aus. Abderrezak Makri, Chef der
Bewegung für die Gesellschaft und den Frieden (MSP), hatte sich im Vorfeld
der Abstimmung Hoffnungen auf den Wahlsieg und damit auf das Amt des
Premierministers gemacht. Mit 64 Sitzen blieb seine Partei, die zwischen
2002 und 2012 gemeinsam mit FLN und RND regiert hatte, dann aber weit
hinter den eigenen Erwartungen zurück. Die MSP-Abspaltung El Bina gewann 40
Mandate, unabhängige Kandidat*innen 78 Sitze.
## Protestbewegung bleibt hartnäckig
Nun können also exakt jene Parteien, gegen die sich der friedliche
Massenaufstand von 2019 richtete, erneut mit der Regierungsbildung
beauftragt werden. Sogar eine Neuauflage der von [3][Ex-Präsident Abdelaziz
Bouteflika] protegierten Koalition aus FLN, RND und MSP wird nicht
ausgeschlossen.
Grotesk wäre das vor allem, da Bouteflika und die von ihm kooptierte
parteipolitische Klasse einer der Hauptauslöser für die Massenproteste 2019
waren. Korruption, Misswirtschaft und die Monopolisierung der politischen
Macht durch die Staatselite hatten damals vor allem junge Menschen auf die
Straße getrieben.
Nachdem die Hirak-Proteste Bouteflika erfolgreich zum Rückzug gezwungen
hatten, übernahm die Armee das Ruder und versucht seither mit allen
Mitteln, die vom Hirak geforderten tiefgreifenden Reformen zu verhindern.
Bisher mit Erfolg.
Doch auch der Hirak bleibt hartnäckig und hatte zu Jahresbeginn erneut
starken Rückendwind. Seit April knüppelt die Polizei jedoch immer rigoroser
auf Proteste ein und ließ Hunderte Oppositionelle, Journalist*innen und
Aktivist*innen verhaften. Die Anzahl der politischen Häftlinge ist
inzwischen auf 241 angestiegen, so das Komitee zur Befreiung der Gefangenen
(CNLD).
Das Wahlergebnis zeigt, dass das Regime Konzessionen nicht mehr für nötig
hält. Angesichts der Polizeigewalt beschränken sich die Proteste derzeit
fast ausschließlich auf die traditionell aufmüpfige Kabylei. Der Hirak
muss nun aber reagieren, um nicht endgültig in die Enge getrieben zu
werden.
Eine neue, potenziell wirkmächtige Protestform: lokale Generalstreiks.
Schon seit Monaten finden diese vereinzelt statt, häufen sich aber seit
zwei Wochen massiv. Setzen Hirak und Opposition dieses Mittel geschickt
ein, könnte sich das Blatt noch mal wenden.
16 Jun 2021
## LINKS
[1] /Protestbewegung-in-Algerien/!5753632
[2] /Repression-in-Algerien/!5773409
[3] /20-jaehrige-Amtszeit-in-Algerien-endet/!5585397
## AUTOREN
Sofian Philip Naceur
## TAGS
Algerien
Abdelaziz Bouteflika
Wahlen
Abdelaziz Bouteflika
Algerien
Algerien
Algerien
Algerien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Drei Jahre nach Aufstand in Algerien: Stillstand statt Bewegung
Algeriens Protestbewegung, die das Bouteflika-Regime stürzte, wird heute
massiv unterdrückt. Dutzende Gefangene sind im Hungerstreik.
Algerischer Ex-Präsident: Abdelaziz Bouteflika ist tot
Der einstige Unabhängigkeitskämpfer regierte Algerien 20 Jahre, bis ihn
eine Massenbewegung zum Rücktritt zwang. Nun ist er 84-jährig verstorben.
Parlamentswahl in Algerien: Wahlsieger Frust
Nur ein Viertel der registrierten Wähler hat einen gültigen Stimmzettel
abgegeben. Das zeigt, wie stark sich die Menschen vom Staat abwenden.
Wahl in Algerien: Umbruch bleibt aus
In Algerien gewinnt die alte Regierungspartei die erste Parlamentswahl nach
dem Sturz von Abdelaziz Bouteflika. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 30
Prozent.
Repression in Algerien: Opposition boykottiert Pseudowahl
Erstmals seit dem Sturz Bouteflikas wählt Algerien ein neues Parlament.
Wahl-Kritik versucht das Regime seit Wochen mit Gewalt zu verhindern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.