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# taz.de -- Spendendinner des Gesundheitsministers: Spahns Schweigekartell
> Mit wem traf sich Spahn kurz vor seiner Quarantäne zum Spendendinner? Auf
> Nachfragen reagieren mutmaßliche Teilnehmer mit Schweigen.
Bild: Schweigt zu seiner Teilnahme an einem Spendendinner – Jens Spahn
Es könnte so leicht sein, wenn Jens Spahn nur wollen würde. Vor ein paar
Tagen sprach der Gesundheitsminister in der Bundespressekonferenz über die
Corona-Warnapp. Er sagte: „Mit wem ich beim Abendessen gesessen habe, das
weiß ich und das kann ich benennen.“ Die Deutschlandfunk-Reporterin Nadine
Lindner kommentierte auf Twitter dazu: „So weit zur Theorie. In der Praxis
wäre das auch mal was für sein #Spendendinner …“
Tja.
Spahn will partout nicht. Und doch sickern nun Informationen zum
Teilnehmerkreis des mittlerweile [1][berüchtigten Treffens am 20. Oktober
2020 in Leipzig durch]. Gastgeber war der PR-Unternehmer Peter Zimmermann,
früher Regierungssprecher und Staatssekretär für CDU-Regierungen in Sachsen
und Thüringen. Er hatte zum Abendessen mit dem Gesundheitsminister in sein
Privathaus eingeladen[2][, wie Spiegel-Recherchen ergaben] – pikanterweise
in der sich anbahnenden zweiten Coronawelle und einen Tag, bevor Spahn
selbst positiv auf das Virus getestet wurde.
Seit Ende Februar ist überliefert, dass nach dem Treffen Spenden bei Spahns
CDU-Kreisverband Borken eingegangen sind. Laut Bild soll Gastgeber
Zimmermann – er und Spahn kennen sich seit Jahren – die Teilnehmer
aufgefordert haben, jeweils 9.999 Euro für Spahns Bundestagswahlkampf zu
spenden. Demnach exakt einen Euro unter der für Parteispenden festgelegten
Veröffentlichungsgrenze, also legal, aber doch anrüchig.
Wer waren die Männer, die für den exklusiven Zugang zu Spahn angeblich
zahlen sollten? In Leipzig kursiert seit ein paar Tagen eine Liste mit den
Namen von elf Personen, die angeblich dabei waren: im Medienbereich tätige
Unternehmer, ein in Leipzig nicht ganz unbekannter Medizin-Unternehmer,
Rechtsanwälte, ein Computerfachmann, stadtbekannte Bau- und
Immobilienunternehmer, alle seit Jahren in der Region aktiv.
Erstellt hat die Liste ein seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik
vernetzter Akteur, der sich im Umfeld der Teilnehmer gut auskennt. Einen
potenziellen zwölften Teilnehmer-Namen – das Gendersternchen ist in diesem
Fall entbehrlich – reicht der Informant später nach: ein
Marketing-Fachmann.
Die Liste gibt – weil nicht jeder auf ihr als tatsächlicher Teilnehmer
verifiziert werden kann – kein vollständiges Bild. Aber doch einen guten
Eindruck von der illustren Gesellschaft, in die sich Spahn im Herbst begab
und über die er weiterhin nicht sprechen will.
Auf konkrete Anfragen an die potenziellen Teilnehmer reagiert zunächst der
in Leipzig nicht ganz unbekannte Mediziner, gibt sich aber in einer E-Mail
wenig auskunftsbereit: „Sehr geehrter Herr Meisner, ich habe von unserer
Telefonzentrale von Ihrem Anruf und Interesse an einem Spendendinner
erfahren. Bitte wenden Sie sich bei Fragen an meinen Anwalt, Herrn XXX.
Hochachtungsvoll.“ Der Anwalt, ein bekannter Medienrechtler, lässt wissen:
„Mein Mandant war überhaupt nur circa 45 Minuten auf der Veranstaltung und
musste diese dann wegen einem dringenden OP-Termin verlassen. Ein Kontakt
zu Jens Spahn hat nicht stattgefunden. Es wurden auch keinerlei Spenden
erbracht.“ Insofern, so der Anwalt des Mediziners weiter, „besteht unseres
Erachtens überhaupt kein Berichterstattungsanlass. Vielmehr verbietet sich
jedwede namentliche Erwähnung unseres Mandanten in einem Artikel.“
An diese offenbar dringende Empfehlung hielt sich auch [3][die Welt am
Sonntag], die im März über die Teilnahme eines „prominenten Leipziger
Medizinunternehmers“ an der Runde mit Spahn berichtete. Der Mann sei „auch
als Geschäftsmann versiert“, hieß es bloß andeutungsweise. Eine seiner
Firmen solle bald Systeme für die Automatisierung in Medizin und Chirurgie
entwickeln und vertreiben – „wobei ein persönlicher Kontakt mit dem
Gesundheitsminister hilfreich sein dürfte“, wie die Zeitung schrieb. Doch
das Gesundheitsministerium lässt Fragen dazu unbeantwortet. Und der
Medizinunternehmer auch.
Beobachter in Leipzig sprechen inzwischen von einem „Schweigekartell“. Denn
neben dem Leipziger Medizinunternehmer und Gastgeber Zimmermann selbst wird
überhaupt nur in einem weiteren Fall eine Teilnahme am Spendendinner mit
Spahn offiziell bestätigt – ein Rechtsanwalt, der sich auf
Unternehmensverkäufe und Firmenfusionen spezialisiert hat. Die Frage nach
Spenden an Spahns CDU-Kreisverband beantwortet der Rechtsanwalt nicht.
Zimmermann selbst schreibt nach einer Journalisten-Anfrage an zwei weitere
mutmaßliche Teilnehmer, die beiden Herren hätten ihn über die Fragen
informiert. „Wir werden uns zu diesen von Ihnen gestellten Fragen und
Mutmaßungen nicht äußern.“ Beide Männer sind seit Jahren oder sogar
Jahrzehnten im Privatradio-Geschäft in Sachsen tätig gewesen, inzwischen
auch Kompagnons von Zimmermann.
Sieben der mutmaßlichen Teilnehmer am Spendendinner reagieren auf Anfragen
gar nicht. Warum dementieren sie nicht, wenn sie beim Essen mit Spahn nicht
dabei waren? In einem Fall – dem eines weiteren Rechtsanwalts – lässt
dessen Kanzlei wissen: „Eine Teilnahme können wir nicht bestätigen.“ Ist
das ein hartes Dementi?
Ein solches gibt es unter den Leuten auf der angeblichen Gästeliste
lediglich in einem Fall: Steffen Göpel. Auch er war als Teilnehmer vermutet
worden. „Ich habe an dem Treffen nicht teilgenommen“, teilt der
Immobilienunternehmer und Honorarkonsul der Republik Belarus mit. Größere
Bekanntheit bekam Göpel im Mai 2020, als ihn FDP-Chef Christian Lindner
nach einer Sause im Lokal „Borchardt“ innig und ohne Mundschutz umarmte.
Göpel unterhält Geschäftsbeziehungen zu mehreren angeblichen Gästen Peter
Zimmermanns am 20. Oktober – aber in seinem Fall hat sich das Gerücht über
eine Teilnahme nicht bestätigt.
Doch auch so erfüllt das Netzwerk der mutmaßlichen Teilnehmerrunde typische
Klüngel-Anforderungen: gemeinsame Firmen, regelmäßige Geschäfte. Manche
sitzen miteinander im Kuratorium des Leipziger Opernballs, andere begegnen
sich beim Golf-Charity-Turnier. Einige haben eine Immobilie oder sogar
einen Zweitwohnsitz auf Mallorca, auf dem sogenannten „Sachsenhügel“.
Zimmermann, befragt zu der Runde, erklärt, er rufe „nur aus Höflichkeit“
zurück: „Ich werde mich dazu nicht äußern. Es war ein privater Abend in
meinem privaten Haus.“
Aufklärung könnten Spahn selbst und die CDU geben. Doch sowohl Spahns
Büroleiter im Bundestag als auch der CDU-Kreisgeschäftsführer in Borken
verschicken an Journalist:innen die immer gleichen Textbausteine. Spahn
sei laut Kalendereintrag „ca. eineinhalb Stunden bei dem Abendessen dabei
gewesen“, schreibt der Büroleiter, „es wurden Fragen zur aktuellen
politischen Lage diskutiert“. Und: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir
die Teilnehmer-Liste einer nicht-öffentlichen Veranstaltung nicht
kommentieren.“ Fragen zu den „im Nachgang der Veranstaltung“ eingegangenen
Spenden seien an den CDU-Kreisverband Borken zu richten. Dort verweist man
lediglich darauf, dass eingehende Spenden „entsprechend der gesetzlichen
Bestimmungen“ verbucht würden.
Das Gesundheitsministerium hat auf mehrere parlamentarische Anfragen,
zuletzt erst kürzlich, erklärt: „Bundesminister Jens Spahn hat in seiner
Funktion als Mitglied des CDU-Präsidiums an dem Termin teilgenommen.“
Eine Parteisprecherin sagt dazu auf Anfrage, in der Parteizentrale sei
davon vorher nichts bekannt gewesen. Präsidiumsmitglieder müssten solche
Termine „auch nicht anmelden“. Sie vermute, das Ministerium habe deutlich
machen wollen, dass Spahn nicht in seiner Funktion als Minister in Leipzig
gewesen sei. „Vielleicht war das verfrühte Kommunikation. Mit der
Pressestelle der CDU Deutschlands war sie jedenfalls nicht abgesprochen.“
Für Gastgeber Zimmermann ist das Spendendinner mit Spahn nicht die einzige
Verbindung zu CDU-Regierungspolitikern. Der Linkspartei in Sachsen ist
aufgefallen, dass ihn seine Firma Wolffberg Management Communication auf
ihrer Homepage gemeinsam mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer
zeigt. Zudem heißt es dort: „Wolffberg begleitet das sächsische
Innenministerium bei der Kommunikation in den Zeiten der Krise.“ Der
sächsische Linken-Landtagsabgeordnete Rico Gebhardt hat dazu einen langen
Fragenkatalog an die sächsische Staatsregierung geschickt. Die Antworten
stehen noch aus.
Der Leipziger Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann sagt der
taz, es würden von der Bundesregierung „mehrere dicke Nebelbänke“ über d…
Termin mit Spahn gepackt, er spricht von „verordneter Geheimniskrämerei“:
„Der Unwille, seitens des Ministers auch nur andeutungsweise zur Aufklärung
beizutragen, nährt recht deutliche Vermutungen. Irgendjemand muss die
illustre, verschwiegene Runde ja zusammengestellt haben, die sich nicht
spontan zu einer allgemein zugänglichen Diskussionsrunde traf, sondern zu
einem offensichtlich gezielt eingehegten Dialog.“
Für die Beteiligten ist das Schweigegelübde praktisch. Der
Linken-Abgeordnete Pellmann hatte im März eine schriftliche Frage an die
Bundesregierung gerichtet und sich erkundigt, ob es Geschäftsbeziehungen
zwischen dem Gesundheitsministerium und dem Leipziger Medizinunternehmer
gibt, von dem zuerst die Welt anonymisiert geschrieben hatte.
Am Gründonnerstag erhielt Pellmann von Spahns Ministerium die Auskunft:
„Die Person wird in dem vom Fragesteller angegebenen Zeitungsartikel
namentlich nicht genannt. Eine konkrete Zuordnung hinsichtlich der
gestellten Frage ist daher nicht möglich.“
5 Apr 2021
## LINKS
[1] /Kampagnenleiter-von-LobbyControl/!5749573
[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/jens-spahn-nach-spendendinner-ha…
[3] https://www.welt.de/politik/deutschland/article227311843/Corona-Spahn-defin…
## AUTOREN
Matthias Meisner
## TAGS
Jens Spahn
Spenden
Schwerpunkt Coronavirus
CDU
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