# taz.de -- Turnier der unbekannten Länder: Die kleinere Welt des Fußballs | |
> Bei der Conifa kicken Länder wie Abchasien, Padanien oder Vanuatu. Doch | |
> auch in der Konföderation der unabhängigen Fußballverbände gibt es | |
> Streit. | |
Bild: Szeklerland-Fans bei der Conifa-WM 2018 in London | |
Im kalten Februar dieses Jahres platzte James & James der Kragen. „Wir | |
treten aus der Conifa aus“, beschlossen die beiden Fußballexperten Jerseys. | |
Auf der britischen Kanalinsel wird es in den Wintermonaten ungemütlich. | |
Eisiger Wind, dazu ständig Graupel- oder Regenschauer – süßes Leben sieht | |
anders aus. Die schlechte Laune der beiden Fußballenthusiasten James Scott | |
und James Blower rührte aber weniger von der Kälte auf ihrer Insel her als | |
von der Tatsache, dass ihr liebstes Kind, das Fußballteam Parishes of | |
Jersey (PoJ), mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Jersey-Fußballer | |
hatten sich so auf ihr Saisonhighlight gefreut: die | |
Conifa-Europameisterschaft 2021. Aber PoJ wurden nicht eingeladen. | |
„Das ist nur eine billige Retourkutsche dafür, dass wir den aktuellen | |
Verantwortlichen bei der Conifa zuletzt nicht mehr blind gefolgt sind“, ist | |
sich James Blower, der Teammanager von PoJ, sicher. Parishes of Jersey, | |
übersetzt Grafschaft von Jersey, ist die inoffizielle | |
Fußballnationalmannschaft dieser Insel, sie wird trainiert vom | |
zweiten Part von James & James. James Scott. Für den 40-Jährigen – auf | |
Jersey aufgewachsen und auf dem Fußballplatz einst eisenharter Verteidiger | |
– war die Isolation als Jersey-Fußballer stets ein ärgerlicher Umstand, | |
weil die Insel zwar formal zum britischen Kronbesitz gehört, aber nie in | |
den englischen Ligabetrieb aufgenommen wurde. Also blieben die Fußballer | |
der 100.000-Einwohner-Insel stets unter sich. | |
Nach dem Ende seiner aktiven Karriere machte sich Scott gemeinsam mit | |
Namensvetter Blower, der als Geschäftsmann zuvor als Sponsor aufgetreten | |
war, daran, Jerseys Fußballaktivitäten in Schwung zu bringen. Die beiden | |
stellten 2016 einen Aufnahmeantrag beim europäischen Fußballverband | |
Uefa, der im Februar 2018 abschlägig beschieden wurde. Noch im gleichen | |
Jahr gründeten sie daher ein „wildes“ Team, PoJ, um sozusagen außerhalb | |
des organisierten Weltfußballs internationale Spiele austragen zu können. | |
Denn sie hatten mittlerweile von Sascha Düerkop, dem damaligen | |
Generalsekretär der Conifa, ein Aufnahmeangebot erhalten. | |
Die Conifa (Confederation of Independent Football Associations) ist | |
gewissermaßen ein Dachverband für Fußballteams außerhalb des Weltverbandes | |
Fifa: für Staaten ohne internationale Anerkennung, für ethnische | |
Minderheiten, für Regionen oder für Mikronationen. In der „ewigen | |
Tabelle“ der seit 2014 alle zwei Jahre stattfindenden | |
[1][Welt-Fußballmeisterschaften] (WFC) der Conifa liegt aktuell Abchasien, | |
eine formal zu Georgien gehörende Region am Schwarzen Meer, vor Padanien | |
aus Norditalien, Nordzypern und Punjab aus dem indisch-pakistanischen | |
Grenzgebiet. Gern hätte der Verband auch finanzstarke Regionen wie Korsika, | |
die Bretagne, Tirol, das Baskenland oder Katalonien dabei, denn chronischer | |
Geldmangel ist eines der Hauptprobleme der Conifa. | |
Das Spiel der Fußballaußenseiter ist für weltweites TV uninteressant, | |
potente Sponsoren haben kaum Interesse. WFC und die stets in den | |
Zwischenjahren ausgerichtete [2][Europameisterschaft] finden daher auf sehr | |
einfachem, kostenneutralem Niveau statt. Gespielt wird auf | |
Bezirkssportanlagen, die Übernachtungen werden normalerweise in | |
Jugendherbergen oder ähnlich günstigen Unterkünften organisiert. Dennoch | |
können sich manche Teams noch nicht einmal die Anreise zu den Turnieren | |
leisten. | |
## Ein Deutscher als Generalsekretär | |
Die zweite ständige Herausforderung für die Conifa liegt in zähen | |
politischen Verhandlungen, denn die Ressentiments gegen eine Vielzahl ihrer | |
zu besten Zeiten rund 50 Mitglieder sind mitunter groß. Schließlich sind es | |
oft Auswahlmannschaft nicht anerkannter Staaten, die seit Jahren um ihre | |
Unabhängigkeit kämpfen. Hier sind vonseiten der Conifa vor allem | |
diplomatisches Geschick und Hartnäckigkeit gefragt – Tugenden, die den | |
Deutschen Sascha Düerkop einst in den Verband brachten. | |
Düerkop, Mathematiker mit ausgeprägter Sammelleidenschaft für | |
Fußball-Nationaltrikots, war 2013 durch einen großen Zufall zu einem der | |
wichtigsten Männer der Conifa geworden. Er hatte auf einer Konferenz den | |
ebenfalls gerade erst dazugekommenen Conifa-Chef Per-Anders Blind | |
kennengelernt. Wie das Leben manchmal so spielt, konnte Düerkop den | |
schwedischen Unternehmer bald von seiner Hartnäckigkeit im Umgang mit | |
Fußballfunktionären und -verbänden überzeugen. Denn genau die hatte Sammler | |
Düerkop in seiner jahrelangen Korrespondenz mit potenziellen | |
Trikotbesitzern in aller Welt beinahe bis zur Perfektion gelernt. | |
Düerkop machte Karriere bei der Conifa, erwies sich in der Organisation der | |
Europa- und Weltmeisterschaften des Verbandes als Macher für alles. Sowohl | |
bei der WM 2014 in Östersund wie auch bei der folgenden EM 2015 in | |
Debrecen, der WM 2016 in Abchasien und schließlich der WM 2018 in London | |
kümmerte er sich um die schwierigen Fälle. 2014 beispielsweise rang er bis | |
zum Eröffnungstag der WM um die Teilnahme eines Teams aus Darfur – erst | |
drei Stunden vor Abflug erhielten die Spieler ein von der französischen | |
Botschaft ausgestelltes Visum. Dass sich fast alle der 23 Teammitglieder | |
letztlich in Schweden absetzten und untertauchten, war ein harter Schlag | |
für die Conifa. Aber letztlich dennoch eine menschlich erfolgreiche | |
Mission: „Alle Spieler sind letztlich in Schweden sesshaft geworden, fanden | |
Jobs und konnten dort ein neues Leben beginnen“, berichtet Düerkop. | |
Die WM 2016 in Abchasien fand offiziell in einer Kriegsregion statt – | |
entsprechend schwierig war die Anreise der zwölf Teams. Die „Republik | |
Abchasien“ begreift sich als eigenständiger Staat, wird von Georgien und | |
den meisten Ländern der Welt aber als Teil von Georgien betrachtet. | |
Anerkannt und unterstützt wird Abchasien von Russland, daher war die | |
Anreise der Fußballer auch ausschließlich über das russische Sotschi | |
möglich. Aber in der abchasischen Hauptstadt Sochumi direkt am Schwarzen | |
Meer war die Stimmung dann großartig. „Wir hatten jedes Mal ausverkauftes | |
Haus, und nachts wurde auf den Straßen weitergefeiert“, erinnert sich | |
Düerkop. | |
## Erfolgsgeheimnis: Handynummer des Staatspräsidenten | |
Die Integration ansonsten isolierter oder nicht akzeptierter Minderheiten | |
ist gewissermaßen Alltagsarbeit der Conifa. 2018 in London lag Düerkop vor | |
allem die Teilnahme der Region Matabeleland aus Simbabwe am Herzen. Aber | |
auch hier: Die Dinge waren schwierig, die Spieler erhielten keine Visa. | |
Letztlich schaltete sich Simbabwes Ex-Nationalkeeper Bruce Grobbelaar ein, | |
der Düerkop die Handynummer von Staatschef Emmerson Mnangagwa gab. Der | |
lenkte schließlich nach täglichen Anrufen Düerkops ein und gab die Visa | |
frei. | |
Besonders ans Herz gewachsen waren Düerkop auch die Fußballer aus Tuvalu. | |
Der Fußballverband des kleinen pazifischen Inselstaates, dessen Landmasse | |
aus vielen kleinen Korallenatollen besteht, hatte sich viele Jahre | |
vergeblich um Aufnahme in die Fifa bemüht. Düerkop half nicht nur bei den | |
Verhandlungen Tuvalus mit dem Weltverband, er lud das Team auch zur WM 2018 | |
in London ein und unterstützte die Reisevorbereitungen. Auf ihrer | |
40-stündigen Flugreise, die pro Kopf rund 4.000 Euro kostete, musste das | |
Team viermal umsteigen und kam völlig übermüdet in der englischen | |
Hauptstadt an – um nur 24 Stunden später auf einem ungewohnten | |
Kunstrasenplatz am nördlichen Rand von London sein erstes WM-Spiel zu | |
bestreiten. Aber es war dabei. | |
London war letztlich aber auch so etwas wie eine Abschiedsvorstellung | |
Düerkops. Denn anschließend krachte es im Verband. Verbandspräsident | |
Per-Anders Blind und sein Europachef Alberto Rischio aus Padanien wollten | |
einen Kurswechsel vorantreiben: Um künftig finanzkräftigere Kandidaten | |
bevorzugen zu können, sollte unter anderem das von Düerkop entwickelte | |
Qualifikationssystem abgeschafft werden, mit dem sich die Bewerber bis | |
dahin die Teilnahme an den Wettbewerbe verschaffen konnten. Die Teams | |
sammelten Punkte über Freundschaftsspiele, selbst Niederlagen brachten | |
Zählbares. „Aktivität stand hier im Vordergrund“, erklärt Düerkop. „E… | |
Niederlage war in meinen Augen immer mehr wert, als überhaupt nicht zu | |
spielen.“ | |
Blind und Rischio setzten sich bei einer Versammlung des Verbandes Anfang | |
2020 mit ihrer kommerzielleren Ausrichtung aber durch – es ging hier auch | |
um Posten. Denn vor allem der Lombarde Rischio war bei Düerkop und seinen | |
Leuten nie unumstritten. Dem Unternehmer aus der Automobilbranche haftete | |
stets der Verdacht einer Mitgliedschaft in der Lega an. Die rechte Partei, | |
auch als Lega Nord bekannt, tritt seit vielen Jahren für die Spaltung | |
Italiens in einen Nord- und Südteil ein. Und weil die Lega für eine | |
nationalistische Politik steht und migrationsfeindliche Stimmung macht, | |
passt sie eigentlich so gar nicht zu den Conifa-Werten. „Es geht bei der | |
Conifa ja gerade darum, Menschen, Länder und Völker durch Fußball | |
miteinander zu verbinden“, erklärt Düerkop. | |
Es kam also zum Machtkampf in der Conifa, in dessen Folge Düerkop und ein | |
Teil seiner Anhänger von ihren Ämtern zurücktraten. Der Deutsche verließ | |
den Verband. Mit ihm gingen auch beispielsweise die Vertreter Darfurs. Die | |
gründeten wenige Wochen später mit der World Unity Football Alliance (Wufa) | |
sozusagen einen Alternativverband zur Conifa – ohne Düerkop übrigens. Dafür | |
aber mit James & James von Jersey, die wie mittlerweile 16 weitere einstige | |
Conifa-Mitglieder der Wufa beitraten. | |
Nun gibt es also zwei statt nur noch einen Alternativverband zur Fifa – es | |
ist ein gehöriges Durcheinander entstanden. Denn für die nächste | |
Männer-Europameisterschaft der Conifa, die nach aktuellem Stand im Juli in | |
Nizza stattfinden soll, wurden die Plätze willkürlich per Einladung | |
vergeben. Jersey wurde nicht berücksichtigt. Offiziell, weil es die 500 | |
Euro Jahresbeitrag nicht gezahlt hatte. James Blower ist sich aber sicher, | |
das die Gründe woanders liegen: „Weil wir damals für Düerkop und seine | |
Leute gestimmt haben.“ | |
Von seinen Plänen mit seinem Fußballteam PoJ will sich Blower dennoch nicht | |
abbringen lassen. „Wir haken die aktuelle Saison ab, wegen Corona geht ja | |
ohnehin kaum etwas. Stattdessen konzentrieren wir uns ganz auf die | |
Spielzeit 2021/22, wo wir viele Freundschaftsspiele planen und auch gern | |
ein Turnier auf Jersey ausrichten möchten“, erklärt er. Gut möglich, dass | |
auf Jersey dann auch eine Art Weltmeisterschaft stattfindet. Nur, dass sie | |
dann nicht unter dem Dach der Conifa, sondern unter dem der Wufa | |
ausgerichtet wird. | |
4 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Olaf Jansen | |
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