# taz.de -- Arbeitsmarkt und Corona: Die Corona-Delle | |
> Die Pandemie macht besonders vielen Menschen im Hotel- und Gastrogewerbe | |
> zu schaffen. Doch die Krise ist nicht von Dauer. | |
Bild: Noch sind die Stühle drinnen und die Gäste draußen, aber das soll sich… | |
BERLIN taz | Junge Leute, die jetzt in Berlin ihren Berufsweg starten, | |
haben langfristig super Möglichkeiten. Viel deutet darauf hin, dass | |
Fachleute für Online-Handel, Metallexpert:innen mit Ahnung von | |
Produktionssteuerung, Medizinerinnen, Pfleger:innen, Stadtplaner:innen, | |
Lehrer:innen und zahlreiche weitere Qualifikationen in den kommenden | |
Jahren dringend gesucht werden. Insgesamt bietet der regionale Arbeitsmarkt | |
ziemlich gute Aussichten – nicht zuletzt wegen der vielen Politik-nahen | |
Firmen, der Start-up-Szene und der Kulturindustrie. | |
Das mag klingen wie Werbesprech des Berlin-Marketings. Ist es aber nicht – | |
sondern die Botschaft von Organisationen wie des Instituts für | |
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg (IAB). | |
Zwar scheint [1][die aktuelle Lage] jeglichem Optimismus zu widersprechen. | |
Tatsächlich hat die Coronakrise auch Berlin im Griff. Aber mit den | |
zunehmenden Impfungen wird sie sich im Laufe dieses Jahres wohl abschwächen | |
und spätestens 2022 einem Aufschwung Platz machen. Wie also sieht der | |
Arbeitsmarkt in Berlin und der umliegenden Region jetzt und bis 2035 aus? | |
Die Pandemie hat die Hauptstadt teils stärker erwischt als andere | |
Bundesländer. „In Berlin fällt der Corona-Effekt deutlich höher aus als im | |
bundesweiten Mittel“, schreibt das IAB-Institut der Bundesagentur für | |
Arbeit. Die Erwerbslosigkeit nahm zwischen April 2020 und Januar 2021 | |
stärker zu, die Zahl der Kurzarbeiter:innen ebenso. Der Grund: | |
Branchen, die besonders unter Corona leiden, sind in Berlin | |
überproportional vertreten – vor allem Hotels und Gastronomie, Tourismus- | |
und Freizeitwirtschaft, Kultur und Unterhaltung. Diese Corona-Delle wird | |
wohl erst 2023 aufgeholt. Dann dürfte die Jobnachfrage auch im Gastgewerbe | |
wieder an den Trend vor der Pandemie anknüpfen. | |
## Kein Anlass zu Pessimismus | |
Das müssen diejenigen wissen, die jetzt ihre Berufsausbildung aufnehmen. | |
„Eine Ausbildungsstelle als Hotelkauffrau oder -mann zu finden ist | |
augenblicklich schwierig“, sagte Alexander Schirp, Vizegeschäftsführer der | |
Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Das Gleiche könnte für | |
Ausbildungen als Verkäufer:innen in konventionellen Textilketten gelten | |
– und auch grundsätzlich für die späteren Jobaussichten dort. Schirp: „D… | |
stationäre Einzelhandel wird es perspektivisch schwerer haben als vor der | |
Pandemie.“ Hier macht sich die teilweise Verlagerung von Geschäften an | |
Einkaufsstraßen zum Online-Handel bemerkbar. | |
Auch Simon Junker vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) | |
äußerte sich skeptisch: „Manche stationäre Dienstleistungen könnten | |
langfristig Beschäftigung einbüßen, beispielsweise der Einzelhandel in den | |
Innenstädten und Reisebüros.“ | |
Mittel- und langfristig besteht jedoch kein Anlass zu Pessimismus – weder | |
für Auszubildende noch für junge Leute, die einen akademischen Berufsweg | |
anpeilen. Auch die Jobaussichten für Beschäftigte, die bereits Geld | |
verdienen, [2][erscheinen gut]. In Berlin und der Hauptstadtregion wird die | |
Nachfrage nach Arbeitskräften bis Mitte der 2030er Jahre wohl deutlich | |
größer ausfallen als die Zahl der Bewerber:innen – das ist Ergebnis des | |
aktuellen Fachkräftemonitors der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK). | |
„Für gut qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber wird sich der | |
Arbeitsmarkt in Berlin und den umgebenden Regionen langfristig sehr günstig | |
entwickeln“, sagt Jörg Nolte, IHK-Geschäftsführer für Wirtschaft und | |
Politik. „Die demografische Entwicklung spielt denen in die Hände, die | |
jetzt ihren Berufsweg beginnen.“ Weil die geburtenstarken Jahrgänge der | |
1960er Jahre in Rente und Pension gehen, werden viele Stellen frei, und im | |
Vergleich dazu rücken zu wenige junge Leute nach. Die können sich die | |
Stellen quasi aussuchen. | |
## Irgendwas mit IT | |
Zu diesem Ergebnis kommt auch das IAB. Die Forscher:innen | |
prognostizieren, dass die Zahl der Beschäftigten in Berlin zwischen 2020 | |
und 2040 um etwa 150.000 Personen zunimmt, auf dann etwa 2,2 Millionen. | |
Während der Arbeitsmarkt in der Hauptstadt leicht wächst, schrumpft er im | |
Bundesdurchschnitt ein bisschen. Die Hauptstadtregion profitiert dabei von | |
mehreren Vorteilen. Entgegen dem Vorurteil, Berlin sei ein gescheiterter | |
Staat, weist das Land einen doppelt so hohen Anteil von Arbeitsplätzen der | |
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auf wie Deutschland | |
insgesamt – sechs im Vergleich zu drei Prozent bundesweit. | |
In der Hauptstadtregion gibt es also besonders viele Jobs für | |
Qualifikationen, die irgendetwas mit Soft- und Hardware, Computern, | |
Internet, Online-Handel und entsprechenden neuen Geschäftsmodellen zu tun | |
haben. Weil die Regierung hier sitzt, ist außerdem die Mediendichte hoch – | |
und Berlin ein guter Platz für Journalist:innen. Gerade die IKT-Jobs werden | |
im Zuge der Digitalisierung nicht weniger, sondern mehr. Das begünstigt | |
nach Einschätzung des IAB in den nächsten zwei Jahrzehnten eher die Städte, | |
wo es schon viele davon gibt. | |
Hinzu kommt: Das Land Berlin bietet bereits heute – von der Corona-Delle | |
abgesehen – zahlreiche Stellen in grundsätzlich zukunftsträchtigen Märkten | |
wie Tourismus und Kultur. „Nach Corona könnten hier einige Branchen | |
profitieren, die ohnehin schon stark sind“, sagte Martin Gornig, Ökonom am | |
DIW. Neben der „Start-up-Szene der Informations- und | |
Kommunikationstechnologien“ nennt er auch die „medizinische Forschung, | |
Entwicklung und Anwendung“ – Stichwort Charité. UVB-Geschäftsführer Schi… | |
ergänzte: „Beispielsweise Fachleute für Stadt- und Bauplanung sind aus | |
Sicht der Verwaltung fast wie Goldstaub.“ | |
## Im Büro wird es leer | |
In den nächsten zwei Jahrzehnten dürften weiterhin Bewerber:innen mit | |
diesen Qualifikationen kaum Probleme haben, einen Arbeitsplatz an Spree und | |
Havel zu finden: Verwaltungsfachleute in Gesundheitsämtern, Alten- und | |
Krankenpfleger:innen, oder auch alle Arten von Metallexpert:innen, und | |
Ingenieur:innen. Schließlich will der US-Konzern Tesla ab diesem Sommer ein | |
paar E-Autos in Grünheide herstellen. Das könnte weitere Firmen anlocken, | |
die ebenfalls Leute suchen. | |
Als Qualifikationen, bei denen bis 2035 ein starker Mangel an | |
Bewerber:innen herrschen wird, nennt die IHK in ihrem Fachkräftemonitor | |
außerdem „Büro- und Sekretariatsberufe, soziale und hauswirtschaftliche | |
Berufe, Unternehmensberater:innen, Volks- und Betriebswirt:innen, | |
Fachkräfte für Personalwirtschaft“ und zahlreiche Ausbildungen sowie | |
Studiengänge, die mit „Strukturwandel, Nachhaltigkeit und Klimaschutz“ zu | |
tun haben – um nur einige Beispiele aufzuzählen. | |
Eine Kehrseite existiert allerdings auch: Je schlechter die Qualifikation, | |
[3][desto magerer die Berufsaussichten]. „Teilweise wirkt die Coronakrise | |
als Katalysator bereits bestehender Trends“, sagte DIW-Forscher Junker. | |
Einfache, sogenannte Helferjobs wurden als Erste gestrichen, und diese | |
Entwicklung dürfte sich in Zukunft noch verstärken. | |
29 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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