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# taz.de -- Randsportart im Social-Media-Boom: Das Märchen von Yul und Jana
> Yul Oeltze ist Weltmeister im Kanadier-Zweier. Seit er mit dem Model Jana
> Heinisch liiert ist, ist er berühmt. Olympia ist aber noch nicht sicher.
Bild: Schon damals fotogen: Yul Oeltze (l.) bei der Europameisterschaft 2018 mi…
Die Realität wollte sich einfach nicht in die so schön erdachte
Inszenierung pressen lassen. Da ist diese langbeinige Schöne mit der roten
Mähne, sie geht auf Reisen, steigt in einen Flieger, will zu ihrem
Liebsten. Der trägt ein Kanu auf seinen muskulösen Schultern, lässt es zu
Wasser, fährt ein Rennen im Zweier-Kanadier – während sie siegessicher das
Geschehen verfolgt. Doch er gewinnt nicht, er wird Vierter, muss sich von
seiner Angebeteten trösten lassen. Und so sind es Bilder von vereinter
Traurigkeit, mit denen der Kanute Yul Oeltze und das Model Jana Heinisch im
Sommer 2019 nach der Kanu-WM im ungarischen Szeged ihre Liebe über
Instagram via [1][Youtube-Video] publik machen.
Seither ist das Duo ein Social-Media-Dreamteam. Er, der Athlet, zweimaliger
Welt- und Europameister im Kanadier-Zweier. Sie, Model, Influencerin und
Bloggerin mit dem Prädikat „Ex-Kandidatin bei Germany’s Next Topmodel“. …
Geschäft läuft. Ihr folgen bei Instagram 218.000 Fans. Und Yul Oeltze, der
seine Liebe zu ihr in vielen Posts durchaus öffentlich zelebriert, kommt
auf 32.700 Follower. Für einen Kanuten ist das sehr ordentlich. Sebastian
Brendel, aktuell das Gesicht des deutschen Kanusports, dekoriert mit drei
olympischen Goldmedaillen, kommt nur auf knapp halb so viele.
Bis zu jener WM im Sommer 2019 waren Yul Oeltze und Peter Kretschmer ein
Traumpaar, ein sportliches. 2017 und 2018 dominierten sie das
internationale Feld der Kanadier-Zweier, wurden jeweils Welt- und
Europameister und galten auch in Ungarn als große Favoriten. Platz vier war
daher eine Enttäuschung. „Ich persönlich habe in der Saison ein, zwei
Fehler gemacht, dadurch hat es mir ein bisschen an Stehvermögen gefehlt“,
gesteht Oeltze heute: „Aber die haben wir aufgearbeitet und ausgemerzt. Wir
sind super durch den Winter gekommen und waren sehr zuversichtlich.“ Doch
dann kam Corona. Die Olympiaverschiebung. Der große Frust.
Der Olympiasieg fehlt dem 27-Jährigen aus Magdeburg noch – im Gegensatz zu
seinem Zweierpartner Kretschmer, der 2012 in London bereits mit Kurt
Kuschela Gold holte. Yul Oeltze will diesen Sieg in Tokio unbedingt. Für
sich. Für Jana. Als Wiedergutmachung für den herben Tiefschlag, als den er
die Coronapandemie und die Verschiebung der Spiele empfindet.
## Harte Konkurrenz für Tokio
Doch leichter geworden ist es nicht. Denn Oeltze und Kretschmer bekommen es
nicht erst in Japan mit Weltklassekonkurrenz zu tun. Um überhaupt auf dem
Sea Forest Waterway in Tokio um olympische Ehren paddeln zu dürfen, muss
sich das Duo zunächst national behaupten. Und das gegen Bootsbesatzungen,
die auch nicht weniger als den Olympiasieg als Ziel im Blick haben.
So hat sich [2][Sebastian Brendel] mit Tim Hecker einen schlagkräftigen
Kompagnon aus dem WM-Silber-Vierer-Kanadier von 2019 ins Boot geholt. Und
Conrad Scheibner, der ebenfalls in jenem Vierer saß, 2017 bereits WM-Gold
im Vierer über 1.000 Meter gewann und in der vergangenen Saison Brendel bei
den Deutschen Meisterschaften abhängte, tritt mit Michael Müller an, der
seit Jahren in der Weltspitze mitpaddelt. Zwischen Brendel und Scheibner
dürfte sich entscheiden, wer den einen deutschen Olympiastartplatz im
Kanadier-Einer bekommt. Und natürlich setzen beide alles daran, sich zur
Sicherheit auch über den Zweier zu qualifizieren – zumal ein zweiter
Deutscher im Einer antreten dürfte, wenn er aus der ohnehin in Tokio
anwesenden Kanutencrew stammt. Dabei könnten Oeltze und Kretschmer
unverhofft ins Hintertreffen geraten.
„Peter und ich müssen richtig geile Rennen fahren, um die anderen zu
ärgern“, sagt Oeltze. Er weiß um die Schwere der Aufgabe. Er weiß aber
auch, was sein Partner und er können: „Wir sind beide unglaubliche
Wettkampftypen. Wir können uns beide komplett an die Wand fahren. Und das
Vertrauen, dass der andere das genauso kann wie man selber, dieses
Vertrauen lässt uns so stark sein.“ Zuletzt haben sich die deutschen
Kanadierfahrer im Trainingslager im italienischen Sabaudia den letzten
Schliff geholt. Am 2. und 3. April steht für sie in Duisburg die erste
Sichtung auf dem Programm, dabei fahren alle im Einer. Zwei Wochen später
folgen weitere Ausscheidungsrennen, auch im Zweier. Die beiden besten Duos
fahren dann beim Weltcup Mitte Mai in Ungarn um das Olympiaticket. Der Weg
nach Tokio ist beschwerlich.
Verantwortlich für die Gang der Hochbegabten am Stechpaddel ist seit
vergangenem Oktober Andreas Dittmer. Der neue Bundestrainer nennt selbst
drei olympische Goldmedaillen sein eigen, gesammelt zwischen 1996 und 2004.
Viel verrät er allerdings nicht über den Stand der Dinge in seinem Team.
„Es ist schwierig, eine Bewertung vorzunehmen“, sagt der 48-Jährige. „Se…
August 2019 gab es keinen internationalen Wettkampf mehr. Wir wissen nicht,
wo wir stehen.“ Fest steht aber: „Nach den zwei vierten Plätzen bei der WM
2019 wollen wir in Tokio wieder beide Boote aufs Podest bringen.“ Yul
Oeltze ist zuversichtlich, dass das gelingt, am liebsten ihm selbst: „Wenn
wir es schaffen, uns zu qualifizieren, dann holen wir unsere Medaille.
Diese Arroganz können wir uns leisten, denn das deutsche Team ist unnormal
stark.“
## Social Media als „Fluch und Segen“
Die Olympiaverschiebung im vergangenen Frühjahr war für ihn wie ein „riesen
Schlag ins Gesicht“. Oeltze sagt: „Wir waren über Jahre Weltspitze, haben
uns alles erarbeitet für die Olympiateilnahme, haben uns auf 130 Prozent
hochgefahren und waren überzeugt, dass uns niemand hätte anfassen können.
Wir waren einfach die Besten.“ Doch dann kam Corona: „Das hat mich in ein
Loch katapultiert. Ich hatte lange, lange zu kämpfen, da wieder
rauszukommen.“
Seinem Zweierpartner sei es nicht viel besser gegangen: „Wir haben beide
mit dem Gedanken gespielt aufzuhören“, sagt Oeltze. „Es sind jetzt fünf
Jahre, die wir am Stück durchtrainiert haben, kaum Urlaub, immer Vollgas.
Das zehrt an den Kräften, sowohl physisch als auch psychisch.“ Aber den
Traum von Olympia aufgeben? Einfach so den anderen kampflos das Feld
überlassen? Nein. „Wir haben uns wieder gefangen, und wir ziehen das
zusammen durch“, sagt Oeltze.
Geholfen haben ihm auch [3][Jana Heinisch] und seine Sportbegeisterung.
Andere entspannen mit einem Buch am Strand, für Oeltze ist Schwitzen beim
Crossfit oder Beachvolleyball Balsam für die Seele. „Als Leistungssportler
müssen wir immer trainieren und abliefern, wir stehen immer unter
Leistungsdruck, wir müssen immer Vollgas geben. Beim Crossfit kann ich
machen, was ich will. Da guckt keiner, ob ich der Beste bin, der
Schnellste, der Stärkste. Trainieren ohne Druck, das ist unglaublich
schön“, sagt Oeltze. Und einfach mal nichts machen? „Nein, das ist nicht so
meins. Ich bin ein sehr actiongeladener Mensch.“
Seinen Social-Media-Erfolg sieht der Kanute als „Fluch und Segen zugleich“.
Er habe kein Problem mit dem Job seiner Freundin, der auf viel
Öffentlichkeit in den sozialen Medien beruht. Im Gegenteil. Oeltze macht
mit. Und verdient mit. Instagram und Co. gehörten heutzutage zum Business
eines Sportlers dazu, sagt er. Und natürlich hätten sich ihm dadurch neue
Einkommensmöglichkeiten eröffnet. „Das Influencer-Dasein ist ja sehr
negativ behaftet, aber ich sehe mich als Sportler, der seine Erfahrungen
teilt“, erklärt er.
Die Liebe zu Jana Heinisch hilft ihm geschäftlich. Aber wohl vor allem
persönlich, so zumindest stellt es das Paar dar. „Die Äußerlichkeiten,
dieses Ein-hübsches-Paar-Sein mal beiseite gelassen: Ich brauche Jana, sie
ist meine Stütze. Und sie braucht mich auch. Wir sind glücklich“, betont
Oeltze. Aber er hat auch erkannt: „Ein Sportler, der nichts kann, aber eine
Million Follower hat, der ist interessanter als der beste Athlet überhaupt,
der nur 10.000 Follower hat. Das ist in unserer heutigen Gesellschaft
leider so.“ Und beides zusammen? „Dann bist du durch.“ Ein Grund mehr, es
nach Tokio zu den Olympischen Spielen zu schaffen.
Zudem ist da ja noch die fällige Wiedergutmachung. Jana soll mit ihrem Yul
jubeln dürfen. Auch wenn der Ausschluss ausländischer Besucher von den
Spielen in Tokio wohl verhindern wird, dass sie dabei sein kann, sollten
Oeltze und Kretschmer das begehrte Ticket erobern. „Man will ja, dass die
Liebsten stolz auf einen sind. Und wie könnte ich das besser erreichen als
mit dem, was ich am besten kann“, sagt Oeltze. Und schiebt hinterher: „Ihr
ist es allerdings völlig egal, ob ich Erster werde oder Letzter. Es ist
mein Anspruch, ich will der krasse Leistungssportler sein, der an ihrer
Seite steht. Sie liebt mich, weil ich ich bin, und nicht, weil ich
Leistungssportler bin.“
27 Mar 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=ZjGSWKtmpL4
[2] /Sie-finden-mich-toll-und-bodenstaendig/!5330339/
[3] https://www.instagram.com/jana.heinisch/?hl=de
## AUTOREN
Susanne Rohlfing
## TAGS
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