# taz.de -- Repressionen in Belarus: Atmen verboten | |
> Die Jagd auf Kritiker geht weiter. Vor allem betroffen sind | |
> Journalisten. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. | |
> Folge 74. | |
Bild: Eine Studentin bei Protesten in Minsk im September 2020 | |
Das Lukaschenko-hörige Parlament hat ein Gesetzesprojekt angenommen. Damit | |
wird die Organisation und Durchführung von Massenveranstaltungen quasi | |
abgeschafft. Denn diese können jetzt nur noch nach vorheriger Erlaubnis der | |
Kommunalverwaltung stattfinden. | |
Es ist verboten, in den Medien, im Internet oder in anderen | |
Informationsnetzen live über Massenereignisse zu berichten, die gegen das | |
neue Verfahren verstoßen, um sie bekannt zu machen oder zu propagieren. Und | |
der rechtliche Status von Journalisten entspricht dem der Organisatoren und | |
Teilnehmer von Massenveranstaltungen. | |
Das kommt für Journalisten de facto einem Verbot gleich, ihre | |
professionelle Tätigkeit auszuüben: sie dürfen weder streamen noch | |
Informationen verbreiten, die der Staatsmacht unangenehm sind. Mein Kollege | |
Alexei sagt: „Keine Bilder, keine Proteste. Warum sich mit Kleinigkeiten | |
aufhalten, verbietet uns doch einfach zu atmen. Und aus dem Fenster zu | |
schauen. Am besten sorgen Sie dafür, dass alle Fenster zugemauert werden.“ | |
[1][Auf unabhängige Journalisten wird regelrecht Jagd gemacht]. Für Worte | |
der Wahrheit, die Millionen Menschen erfahren wollen. Am 30. März wurde die | |
Zeitung Neue Zeit vom Informationsministerium wegen vier Beiträgen | |
verwarnt. In dem entsprechenden Schreiben heißt es, dass die Neue Zeit die | |
nationalen Interessen der Republik Belarus schädige und das Blatt diese | |
Verstöße bis zum 5. April 2021 beseitigen müsse. | |
Wie das zu geschehen hat, wird nicht gesagt. Alle Exemplare der Zeitung | |
zurückziehen und verbrennen? Schreiben, dass in allen diesen Artikeln die | |
Unwahrheit steht? Dass Menschen, die gefoltert wurden, Fehler gemacht haben | |
und die zahlreichen absurden Gerichtsentscheidungen plötzlich legal sind? | |
Die Existenz so einer Institution wie des Informationsministeriums an sich | |
ist schon merkwürdig. Soweit mir bekannt ist, gibt es so etwas in anderen | |
Ländern nicht. Die Funktion des Ministeriums erfüllte seinerzeit mit großem | |
Erfolg Josef Goebbels. Er träumte davon, Schriftsteller zu werden, doch | |
bekanntlich nahm es mit ihm ein schlechtes Ende. | |
„Die Verwarnung des Ministeriums ist eine Art Sanktion gegen oder Reaktion | |
auf die Inhalte der Artikel“, sagt Dmitri Dmitriew, ein Mitarbeiter der | |
Neuen Zeit, dazu. „Ein Medienunternehmen kann per Gerichtsbeschluss | |
geschlossen werden, wenn das Informationsministerium die Redaktion oder den | |
Gründer innerhalb eines Jahres mindestens zweimal verwarnt hat. Doch wir | |
werden weiter arbeiten wie bisher. Nichts wird sich ändern.“ | |
Die Neue Zeit ist eine der Zeitungen, die für Gefangene in | |
Untersuchungshaft abonniert werden können. In der Zeitung gibt es die | |
Rubrik „Briefe hinter Gittern“. Dort werden einmal pro Woche Briefe von | |
Verwandten und Freunden an die Gefangenen veröffentlicht. Das ist eine | |
Garantie dafür, dass Briefe, die die Häftlinge auf dem normalen Postweg | |
nicht erreichen, gelesen werden. | |
Doch dem Regime reicht es offensichtlich nicht aus, Journalisten | |
festzunehmen, zu verurteilen und ins Gefängnis zu sperren. Mittlerweile ist | |
bekannt, dass Katerina Andreewa, Darja Schulzowa und Andrej Aleksandrow | |
(Journalist*Innen, die wegen der Vorbereitung und Organisation von | |
Protesten festgenommen und zu Haftstrafen verurteilt wurden, Anm. d. Red.) | |
als [2][Extremisten] registriert sind – bereit zu Geiselnahmen, | |
Aggressionen und der Anwendung von Gewalt gegen Behörden. | |
Politische Gefangene (die es angeblich bei uns nicht gibt) werden zu | |
Extremisten erklärt, damit sie nicht in den Genuss von Amnestien und | |
Bewährungsstrafen kommen. Gleichzeitig kommen echte Verbrecher, wie wir ja | |
wissen, vorzeitig wegen guter Führung in Freiheit oder sie können den Knast | |
mit dem weitaus liberaleren Vollzug in einer Strafsiedlung tauschen. Und | |
all das wird gemacht, damit in den Knästen wieder Platz frei wird für | |
solche Leute wie meine Kollegen. | |
Aus dem Russischen Barbara Oertel | |
8 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Janka Belarus | |
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