| # taz.de -- Prozessbeginn um Anschlag vor Synagoge: Psychisch krank und antisem… | |
| > Hinter verschlossen Türen begann das Verfahren gegen Grigoriy K., der vor | |
| > der Hamburger Synagoge versucht haben soll, einen Juden zu ermorden. | |
| Bild: Vier Monate nach der Attacke: Auftakt im Sicherungsverfahren | |
| Nach nur fünf Minuten ist der Prozess um [1][die Attacke vor der Hamburger | |
| Synagoge im vergangenen Oktober] für die Öffentlichkeit schon wieder | |
| vorbei. Presse und Besucher:innen mussten den Saal am Freitagmorgen | |
| verlassen. Der Beschuldigte Grigoriy K. scheint vom Kommen und Gehen im | |
| Zuschauersaal keine Notiz zu nehmen: In schwarzem Kapuzenpullover sitzt K. | |
| mit Handschellen in den Stuhl gesunken und blickt zu Boden. | |
| Nur als er seine Personalien zu Protokoll gibt, geht sein Blick nach oben | |
| und er spricht mit fester Stimme. Man bekommt nur einen oberflächlichen | |
| Eindruck von K.: ein unauffälliger junger Mann, schmächtig und mit kurzen | |
| dunklen Haaren. | |
| Das Sicherungsverfahren gegen den 29-jährigen, so beschloss das Hamburger | |
| Landgericht, soll unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Die | |
| Staatsanwaltschaft wirft K. vor, am 4. Oktober vorigen Jahres einen jungen | |
| Mann vor der Synagoge Hohe Weide in Eimsbüttel mit einer Schaufel | |
| attackiert und schwer am Kopf verletzt zu haben. Sie wertet die Tat als | |
| versuchten Mord. | |
| Dass die Staatsanwaltschaft jedoch [2][kein politisches Motiv sieht], hatte | |
| vorab bundesweit für Kritik gesorgt. Bemerkenswert ist daher, dass das | |
| Gericht einer Vertreterin der Jüdischen Gemeinde das Verfolgen auch des | |
| geschlossenen Teil des Verfahrens gewährte. Von der Möglichkeit, auch bei | |
| nicht-öffentlichen Verhandlungen einzelnen Personen aus besonderen Gründen | |
| den Zutritt zu gestatten, sagt Gerichtssprecher Kai Wanzen, habe das | |
| Gericht Gebrauch gemacht, „weil die Jüdische Gemeinde in Hamburg natürlich | |
| mit einem besonderen Interesse auf dieses Verfahren schaut“. | |
| ## Hakenkreuz-Zettel in der Tasche | |
| Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass K. unter einer psychischen | |
| Erkrankung leidet. Aus diesem Grund ist auch die Öffentlichkeit vom | |
| Verfahren ausgeschlossen. Bei der Tat soll K. einen Tarnanzug der | |
| Bundeswehr getragen haben. In seinen Taschen fanden die Ermittler:innen | |
| einen Zettel mit einem aufgemalten Hakenkreuz. | |
| Das Opfer trug eine Kippa und wollte im Moment des Angriffs die Synagoge | |
| besuchen. Drinnen sollten kurze Zeit später die Feierlichkeiten zum | |
| Laubhüttenfest beginnen. Mehrere Mitglieder der Jüdischen Gemeinde befanden | |
| sich zum Tatzeitpunkt bereits in der Synagoge. | |
| Nach seiner Festnahme wurde K. in eine psychiatrische Einrichtung gebracht. | |
| Wegen der vermuteten Schuldunfähigkeit kam es nun auch zu keinem | |
| Strafprozess, sondern zu einem Sicherungsverfahren. „Oberstes Ziel ist auch | |
| hier, den Sachverhalt der Tat aufzuklären und die Motive zu erfahren“, so | |
| Gerichtssprecher Wanzen. Zugleich müsse das Gericht aber über eine | |
| bestehende Gefährlichkeit des Beschuldigten entscheiden. Stellt sie dies | |
| bei K. fest, würde er dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung | |
| untergebracht werden. Am ersten Verfahrenstag sagte auch das Tatopfer als | |
| Zeuge aus. | |
| Vor dem Gericht fand derweil eine Protestkundgebung statt. „Gegen jeden | |
| Antisemitismus“ hieß es auf einem Transparent, das mehrere Menschen | |
| hochhielten. „Statt eine rechte oder antisemitische Ideologie zu erkennen, | |
| werden [3][die Täter:innen pathologisiert und als Einzeltäter:innen | |
| aus ihrem gesellschaftlichen Kontext herausgelöst]“, sagte Anne Blücher, | |
| eine der Organisator:innen der Kundgebung. | |
| ## Jüdische Gemeinde darf teilnehmen | |
| Dass eine Vertreterin der Jüdischen Gemeinde trotz des grundsätzlichen | |
| Ausschlusses der Öffentlichkeit den Prozess verfolgen kann, dürfte auch | |
| eine Reaktion auf die Kritik der Jüdischen Gemeinde an der Hamburger | |
| Staatsanwalt sein: Die Gemeinde hatte mit Befremden reagiert, als Anfang | |
| Januar bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft Antisemitismus nicht als | |
| relevantes Tatmotiv sehe. „Es klingt fernliegend, dass es sich nicht um | |
| eine antisemitische Tat gehandelt hat“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen | |
| Gemeinde in Hamburg, Philipp Stricharz. | |
| Auch bundesweit hatten jüdische Verbände beklagt, dass die Tat wegen der | |
| staatsanwaltschaftlichen Sichtweise im Laufe des Verfahren nicht politisch | |
| betrachtet und die politische Sozialisierung des Beschuldigten nicht | |
| ausreichend beleuchtet würde. | |
| Fünf weitere Verhandlungstage bis Ende März hat das Landgericht um die | |
| Vorsitzende Richterin Birgit Woitas für das Verfahren angesetzt, ehe es zu | |
| einer Entscheidung kommen will. Wie Gerichtssprecher Wanzen am Nachmittag | |
| mitteilte, hatte das Gericht zu Beginn des Verfahrens auf der Grundlage | |
| einer ärztlichen Stellungnahme entschieden, dass die weitere Verhandlung | |
| ohne den Beschuldigten selbst stattfinden werde. Es bestehe die Gefahr, | |
| dass sich seine gesundheitliche Verfassung durch die Prozessteilnahme | |
| weiter verschlechtern würde. | |
| 12 Feb 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| André Zuschlag | |
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