# taz.de -- Angebliche Impfstoffproduktion in Berlin: Das schmerzt mehr als ein… | |
> Am Donnerstagmorgen stellt Berlins Gesundheitssenatorin die Produktion | |
> von Corona-Impfstoff in Aussicht. Doch das ist wohl eine Ente. Wie kam es | |
> dazu? | |
Bild: Begehrtes Gut: Impfstoff gegen Corona, hier von Astrazeneca | |
BERLIN dpa | Fast überall fehlt Corona-Impfstoff – was liegt da nahe, als | |
ihn direkt in Berlin zu produzieren? Berlins Gesundheitssenatorin Dilek | |
Kalayci (SPD) stellte ein solches Szenario am Donnerstagvormittag im | |
Abgeordnetenhaus in Aussicht und sorgte damit für viel Wirbel. Etwa sieben | |
Stunden später die Ernüchterung: Das von Kalayci ins Spiel gebrachte | |
Unternehmen Berlin-Chemie stellte klar, dass es „derzeit“ weder Impfstoff | |
produzieren noch abfüllen könne. | |
„Die Technologie, über die das Unternehmen verfügt, ist für die Produktion | |
von Impfstoffen nicht geeignet“, erklärte die Firma schriftlich, ohne | |
Derartiges für die fernere Zukunft komplett auszuschließen. Dennoch bedanke | |
man sich bei der Berliner Senatsverwaltung „für die positiven und | |
konstruktiven Gespräche bezüglich einer möglichen Unterstützung bei der | |
Aufbereitung von Impfstoffen“. | |
Bei Kalayci hörte sich das anders an. „Berlin steht bereit, auch was die | |
Impfstoffproduktion angeht, mitzuhelfen“, [1][sagte sie im | |
Abgeordnetenhaus]. „Ich habe heute früh unseren Regierenden Bürgermeister | |
unterrichtet, dass ich und meine Behörde in guten Gesprächen sind mit | |
Berlin-Chemie.“ Das Pharmaunternehmen mit Sitz in Berlin-Adlershof sei | |
bereit, eine Impfstoffproduktion aufzubauen. | |
„Ich finde, das ist eine gute Nachricht“, sagte die Senatorin. „Wir prüf… | |
gemeinsam einen schnellen Ausbau von Impfstoffkapazitäten.“ Aus ihrer Sicht | |
wäre es „großartig“, wenn Berlin so einen Beitrag gegen die | |
Impfstoffknappheit leisten könne. Details nannte Kalayci auch auf Nachfrage | |
eines Abgeordneten nicht. Sie betonte jedoch: „Wir brauchen mehr Impfstoff, | |
das ist Fakt.“ | |
## Traditionsreiches Unternehmen | |
Berlin-Chemie ist ein traditionsreiches Unternehmen, das nach eigenen | |
Angaben in der DDR zu den größten Chemie-Betrieben mit | |
Arzneimittelherstellung gehörte. Dort wurden unter anderem Insulin und | |
Penicillin hergestellt. Seit 1992 gehört der Betrieb zur italienischen | |
Menarini-Gruppe, einem Pharmaunternehmen mit Sitz in Florenz. Momentan | |
helfen mehr als 100 Mitarbeiter der Firma ehrenamtlich bei der Aufbereitung | |
des Biontech-Vakzins im Impfzentrum Arena in Berlin-Treptow. | |
„Berlin-Chemie hat Ressourcen, hat gute Voraussetzungen, um eine | |
Impfstoffproduktion aufzubauen und auch schnell auszubauen“, meinte | |
Kalayci. Eine geeignete Produktionsstätte und Personal stünden zur | |
Verfügung. „Mit unserer Unterstützung gehen wir davon aus, dass ein | |
schneller Ausbau der Impfproduktion möglich ist.“ Und weiter: „Wir sind | |
jetzt in den Prüfungen.“ Berlin suche bei dem Thema auch den Kontakt zur | |
Bundesregierung. „Dort ist ja auch die Frage: Wo gibt es in Deutschland | |
Impfstoffproduktionskapazitäten? In Berlin können wir sagen: In Berlin | |
hätten wir diese Kapazitäten.“ | |
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte dies am Abend | |
bereits relativiert. „Meine Erkenntnisse sind, dass es nicht um | |
Impfstoffproduktion, sondern um die Abfüllung von Impfstoffen geht“, sagte | |
er dem RBB. Aber auch das scheint nun nach der Erklärung von Berlin-Chemie | |
keine kurz- oder mittelfristig umsetzbare Option zu sein. | |
## Impftempo viel zu langsam | |
Bisher sind in der EU zwei Corona-Impfstoffe der Hersteller Pfizer/Biontech | |
und Moderna zugelassen. Allerdings gibt es seit Wochen Probleme mit dem | |
Umfang und der Pünktlichkeit der Lieferungen. Die Folge: Beim Impftempo ist | |
noch viel Luft nach oben. | |
„Impfstoff bedeutet Menschenleben“, betonte Kalayci. „Ich fordere die | |
Bundesregierung auf, dass ihr Versprechen, dass jeder Bürger bis zum Sommer | |
ein Impfangebot bekommt, auch eingehalten wird.“ Berlin sei sehr gut | |
vorbereitet. „Wir können mehr impfen, und dafür brauchen wir mehr | |
Impfstoff.“ Die Impfstoffzufuhr müsse verlässlicher werden, in Deutschland | |
könne mehr Impfstoff produziert werden. | |
Bei dem Impfgipfel am Montag gehe es darum, die Themen anzugehen, „die auf | |
dem Tisch liegen und nicht beantwortet werden“, so Kalayci. Und es gehe | |
darum, Transparenz zu schaffen und zu klären, ob die Verträge mit den | |
Impfstoffherstellern verlässlich seien. | |
29 Jan 2021 | |
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