| # taz.de -- Nach den Wahlen in Uganda: Starker, schwacher Staat | |
| > Ugandas Präsident Yoweri Museveni sichert sich seine Macht mit immer | |
| > autoritäreren Mitteln. Er nimmt dabei die Fragmentierung seines Landes in | |
| > Kauf. | |
| Bild: Für fünf weitere Jahre an der Macht: Ugandas Präsident Yoweri Museveni | |
| Als Ugandas größte Zeitung New Vision über die Wahlen vom 14. Januar | |
| berichtete, druckte sie auf ihrer Titelseite eine Landkarte. Das Zentrum | |
| des Landes um die Hauptstadt Kampala war rot – die Farbe der jungen | |
| Oppositionspartei NUP (National Unity Platform) des 38-jährigen Musikers | |
| Robert Kyagulanyi, der unter seinem Künstlernamen Bobi Wine bekannt ist und | |
| dem 35 Prozent der Stimmen zugeschrieben wurden. Der Rest des Landes war | |
| fast ausschließlich gelb – die Farbe der regierenden NRM (National | |
| Resistance Movement) des 76-jährigen Präsidenten [1][Yoweri Museveni,] der | |
| zum Sieger mit 58 Prozent erklärt wurde. | |
| So gespalten ist Uganda aus seiner achten Wahl hervorgegangen, der | |
| blutigsten seit der Unabhängigkeit von Großbritannien vor 58 Jahren. Yoweri | |
| Museveni und Bobi Wine haben sich praktisch das Land aufgeteilt. Sie sind | |
| sich darin einig, dass diese Wahl sehr schlecht verlaufen ist, aber jeder | |
| macht den anderen dafür verantwortlich. Museveni, der nach 35 Jahren an der | |
| Macht nun fünf weitere hat, ist ein zorniger Sieger, weil mitten in seinem | |
| Land ein roter Fleck aufgetaucht ist. Dieser Bobi-Wine-Fleck entspricht in | |
| etwa der Region Buganda, vom dem Uganda seinen Namen hat: das Gebiet der | |
| größten Ethnie der Baganda, zu der auch Bobi Wine gehört. | |
| Museveni führt den Erfolg seines Hauptgegners auf Tribalismus zurück. | |
| Gleichzeitig nennt er ihn einen Agenten ausländischer Interessen, in einem | |
| kaum verhüllten Angriff auf die USA, die den harten Umgang der | |
| Sicherheitsdienste mit Bobi Wines enthusiastischen Anhängern im Wahlkampf | |
| kritisiert haben. | |
| Uganda als Staat wurde vor 126 Jahren von den britischen Kolonialherren aus | |
| 52 kleinen Nationen, die sie als Stämme bezeichneten, zusammengestoppelt. | |
| Zur eigenen Bequemlichkeit verhinderten die Briten, dass diese | |
| Gemeinschaften zusammenfanden, und regierten mit einer | |
| Teile-und-herrsche-Strategie, die den Staat daran hinderte, eine richtige | |
| Nation zu werden. Bis heute hat Uganda keine gemeinsame Sprache außer | |
| Englisch als Amtssprache. Bei der Unabhängigkeit 1962 entstanden die großen | |
| politischen Parteien entlang „tribaler“ und religiöser Linien. Als | |
| Musevenis Guerillaarmee NRM 1986 mit einer progressiv-panafrikanischen | |
| Ideologie die Macht ergriff, glaubte der Großteil des Landes an sie, außer | |
| einiger großer Ethnien im Norden, die die gestürzte Regierung dominiert | |
| hatten. | |
| Es ist daher kein Wunder, dass Museveni geschockt ist über die donnernde | |
| Ohrfeige, die er aus dem Zentrum des Landes bekommen hat, und manche seiner | |
| Minister werfen den Baganda jetzt Tribalismus vor. Museveni ist aber zu | |
| klug, um wirklich zu glauben, dass er aus ethnischen Gründen abgelehnt | |
| wird. Schlecht umgesetzte Wirtschaftspolitik und grassierende Korruption | |
| sind ganz klar der Grund für seine Ablehnung in einer Region, deren | |
| Bevölkerung sich zu Hunderttausenden für seinen fünfjährigen | |
| [2][Guerillakrieg] opferte. Heute verwandelt sich Ugandas Zentralregion in | |
| einen Slum, mangels Stadtplanung in der Hauptstadt. Landgrabbing der | |
| Machtelite treibt die jungen ländlichen Massen in die Slums, wo sie sich | |
| den Entrechteten der Städte anschließen. | |
| Auch die große ethnische Gemeinschaft Busoga im Osten Ugandas stimmte gegen | |
| Museveni und die NRM. Die Basoga haben sich in den letzten drei Jahrzehnten | |
| auf Zuckerrohranbau konzentriert, in ihrer Region entstanden Fabriken, | |
| Uganda wurde Ostafrikas wichtigster Zuckerfabrikant. Dann begann die | |
| korrupte Elite, Billigzucker aus Brasilien auf den Markt zu werfen. Kenias | |
| Zoll beschlagnahmte tonnenweise „ugandischen“ Zucker, der über das Meer mit | |
| dem Ziel Uganda importiert wurde. Auch Tansania blockierte „ugandischen“ | |
| Zucker. Seit ein paar Jahren kaufen Ugandas Zuckermühlen keinen lokalen | |
| Zucker mehr, weil sie keine Abnehmer mehr haben. Der Staat hat die Basoga | |
| nicht vor dem kriminellen Dumping geschützt, und jetzt stimmen sie gegen | |
| die Regierung. | |
| Eine ähnliche Stimmung gab es im Nordosten Ugandas, in Karamoja. Die | |
| mineralienreiche Region hat immer solide Museveni gewählt. Doch diesmal | |
| kündigten die gewählten Parlamentarier unabhängig von Parteizugehörigkeit | |
| an, ihre erste Priorität nach dem Amtseid werde eine Grundbesitzprüfung | |
| sein, um ihr Land vor Landgrabbing zu schützen. | |
| Wachsende Not, hervorgerufen durch [3][Inkompetenz und Korruption], trifft | |
| also ganze Regionen und sie treibt die Menschen zurück zu alten ethnischen | |
| Zugehörigkeiten – sechs Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit. Uganda hat es | |
| nicht geschafft, eine starke Nation zu werden. Stattdessen hat es nach 35 | |
| Jahren Museveni-Herrschaft einen starken Staat. Den bekommen die eigenen | |
| Bürger zu spüren, aber das Land ist auch eine Regionalmacht geworden: In | |
| den vergangenen Jahrzehnten spielte es eine Schlüsselrolle bei der | |
| Herstellung der aktuellen politischen Systeme in Ruanda, Kongo und | |
| Südsudan. Es war Pionier einer Militärintervention in Somalia, die dort die | |
| Restauration eines Staatswesens ermöglichte. Ugandas Truppen waren in der | |
| Zentralafrikanischen Republik aktiv, Kenia zieht Nutzen aus Ugandas Kampf | |
| gegen den Terrorismus. | |
| Dass die Ugander sich stärker ihrer ethnischen Identität zuwenden, entbehrt | |
| nicht der Ironie. Ihr Auseinanderdriften erleichtert die Einflussnahme des | |
| Auslands, die sie so fürchten. Die NRM wirft der Opposition vor, | |
| ausländische Interessen zu vertreten. Diese wiederum zeigt auf | |
| Sonderkonditionen für ausländische Investoren und auf Kredite, die Uganda | |
| von ausländischen Gläubigern abhängig machen, vor allem in der | |
| Covid-19-Krise. | |
| Wie lange kann ein starker Staat stark bleiben, während sein Anspruch auf | |
| eine Nation allmählich verfällt? Es dürfte noch ein Jahrzehnt dauern, bis | |
| es darauf in Uganda eine Antwort gibt. | |
| Übersetzung: Dominic Johnson | |
| 8 Feb 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Joachim Buwembo | |
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