| # taz.de -- Australien und China im Konflikt: Tiefe Risse | |
| > Die Beziehung zwischen Canberra und Peking ist eine ökonomische Zweckehe. | |
| > Nun droht die Zerrüttung. | |
| Bild: Eisenerzimporte im Hafen von Zhoushan in der chinesischen Provinz Zhejiang | |
| Canberra taz | Jeder Staats- und Regierungschef hat ein rotes Telefon für | |
| die Schnellwahl zu ausländischen Amtskollegen ohne bürokratische und | |
| diplomatische Umwege. Doch wenn Australiens Premier Scott Morrison Chinas | |
| Präsidenten Xi Jinping sprechen will, nimmt in Peking niemand den Anruf | |
| entgegen. Seit Monaten haben die beiden nicht miteinander kommuniziert. | |
| Auch andere Minister in Canberra versuchen vergeblich, ihre chinesischen | |
| Amtskollegen zu kontaktieren. | |
| Gesprächsverweigerung als politisches Druckmittel – Experten wie der | |
| Politologe Scott Burchill von der Deakin Universität in Melbourne sind | |
| nicht überrascht: „China will seine Position als Weltmacht demonstrieren.“ | |
| Das sei nichts Außergewöhnliches, die Frage sei nur, wie Staaten | |
| reagierten. „Wer wissen will, wie man mit dem aufstrebenden China nicht | |
| umgehen soll, muss nur nach Australien schauen“, sagt der Experte für | |
| internationale Beziehungen zur taz. | |
| Zwischen China und Australien ist es keine Liebe, sondern eine Zweckehe, | |
| die auf wirtschaftlichen Interessen ruht. Jetzt droht die Zerrüttung. Seit | |
| gut zwei Jahren beschuldigen sich beide Länder gegenseitig der Einmischung | |
| in „interne Angelegenheiten“. Jüngstes Kapitel in der Geschichte des | |
| Konfliktes ist Australiens Forderung, die Welt müsse die Ursache der | |
| Covid-19-Pandemie finden – in China, so die unterschwellige Warnung. | |
| Pekings Kritik umfasst genau 14 Punkte, so Chinas Botschaft in einem an | |
| Canberra adressierten Brief. Die Beschwerden reichen von der Enttäuschung | |
| über den Ausschluss des chinesischen Telekommunikationskonzerns Huawei beim | |
| Bau eines 5G-Netzes über die Ablehnung chinesischer Investitionsprojekte | |
| durch australische Behörden bis hin zur vermeintlichen Verurteilung der | |
| Kommunistischen Partei Chinas durch australische Parlamentarier. Auch | |
| „rassistische Angriffe gegen chinesische oder asiatische Menschen“ seien zu | |
| verurteilen. | |
| ## Peking gießt per Twitter Öl ins Feuer | |
| Im Gegenzug kritisiert Australien Pekings Spionage im Land, wie die | |
| Beeinflussung von Politikern und politischen Prozessen durch chinesische | |
| Agenten. Dazu sorgt Australiens Kritik an der [1][Verfolgung der | |
| muslimischen Minderheit der Uiguren] sowie Pekings Repression in Hongkong | |
| für Querelen. | |
| Zugleichzeitig hat Peking mit dem Vorwurf des wachsenden Rassismus in | |
| Australien nicht unrecht. Polemik gegen China und dessen vermeintlich | |
| „subversiven“ Einfluss gehört vor allem in konservativen Medien zum | |
| Tagesgeschäft. Chinesischstämmige Australier melden einen Anstieg der | |
| Anpöbelungen auf der Straße. | |
| Selbst Politiker stellen deren Loyalität in Frage. Der deutschstämmige | |
| Senator Eric Abetz forderte jüngst die 1,2 Millionen Australier mit | |
| chinesischen Wurzeln auf, sich von Chinas KP „zu distanzieren“. | |
| Nicht nur Peking empörte sich, sondern auch Australier mit chinesischem | |
| Hintergrund, von denen die meisten keinerlei Bezug zur KP haben. Kurz | |
| darauf twitterte der chinesische Regierungssprecher Lijian Zhao eine | |
| offensichtliche Fotomonage. Sie zeigt einen australischen Soldaten, der | |
| einem afghanischen Kind ein Messer an den Hals hält. Das bezieht sich auf | |
| den Vorwurf einer australischen Untersuchungskommission, Canberras | |
| Elitesoldaten hätten in Afghanistan bis zu 39 Zivilisten ermordet. | |
| Der Ausgang dieses politischen Pingpong-Spiels ist laut Burchill heute | |
| schon klar: Australien könne nur verlieren. Das Land habe seit den 80er | |
| Jahren eine „profitable Handelsbeziehung“ zu China aufgebaut. Seit fünf | |
| Jahren haben beide Länder ein Freihandelsabkommen. Dieses Verhältnis zu | |
| gefährden mache für Australien „schlicht keinen Sinn“. | |
| Mit fast 33 Prozent aller Exporte ist China mit Abstand Australiens größter | |
| und wichtigster Handelspartner. Es erstaunt deshalb nicht, dass Peking dort | |
| zuschlägt, wo es am meisten schmerzt. Seit Monaten baut China für | |
| australische Produkte Importschranken auf wie ein Quasi-Einfuhrverbot | |
| australischer Kohle. Die Folgen kommen der Bergbauindustrie down under | |
| teuer zu stehen. In den ersten sechs Monaten 2020 hatte Australien noch | |
| Kohle für umgerechnet 4,6 Milliarden Euro nach China exportiert. | |
| ## Der Konflikt kostet Australien Arbeitsplätze | |
| Weinimporte aus Australien hat China inzwischen mit Zoll von bis zu 200 | |
| Prozent belegt – „gegen Dumping“, so die absurde Begründung. Australisch… | |
| Wein macht nur einen Bruchteil der von China importierten Weine aus, trägt | |
| aber mit umgerechnet 525 Millionen Euro im Jahr zur australischen | |
| Wirtschaft bei. | |
| Die Handelsschranken werden immer höher und betreffen bereits Rindfleisch, | |
| Holz, Gerste, Kupfer, Eisenerz, Zucker und sogar lebende Hummer. Die | |
| Strafmaßnahmen kosten Australien Geld und Arbeitsplätze, gerade in | |
| kleineren Betrieben wie etwa der Weinindustrie und der Landwirtschaft. | |
| Immer mehr Kritiker machen Premierminister Scott Morrison für den Bruch in | |
| den Beziehungen zu Peking verantwortlich. Sie monieren, die Regierung | |
| betreibe „Megafon-Diplomatie“. Statt wie andere Länder hinter den Kulissen | |
| in direktem Gespräch mit China über durchaus legitime Sorgen zu sprechen, | |
| brüskiere Canberra Peking regelmäßig mit öffentlichen Stellungnahmen. | |
| „China fürchtet, das Gesicht zu verlieren. Das ist das Schlimmste, was man | |
| ihm antun kann“, schreibt ein Kommentator. | |
| ## Australien als Washingtons Trojanisches Pferd? | |
| Politologe Burchill hadert mit der Suche nach den Gründen Australiens: „Es | |
| gibt das Argument, wonach Canberra auf Druck aus den USA handle oder seinem | |
| traditionellen Verbündeten schmeicheln möchte, und als eine Art | |
| [2][Trojanisches Pferd für die Außenpolitik von Präsident Trump] | |
| funktioniert“. Es könne aber auch schlicht Naivität sein und ein Mangel an | |
| außenpolitischer Expertise der Regierung Morrison. So habe der Premier | |
| persönlich und sehr emotional auf den „Affront“ der Twitter-Botschaft mit | |
| der Fotomontage aus Chinas Außenministerium reagiert, statt wie sonst | |
| üblich die Antwort einem „niederrangigen Beamten zu überlassen“. | |
| Laut Burchill interpretiere in der konservativen Regierung eine Gruppe | |
| einflussreicher Politiker eine Verschiebung globaler Macht in Richtung | |
| China als direkten Angriff auf ihre eigene Ideologie, die an westliche | |
| Werte und die USA gebunden sei. Zu dieser Gruppe streng christlicher | |
| Parlamentarier zählt er auch den Senator und Ex-General Jim Molan. Der | |
| warnte jüngst, Australien werde „in den nächsten Jahren wahrscheinlich in | |
| einem Krieg zwischen China und den USA involviert sein“. | |
| Burchill empfiehlt anderen Ländern, sich in ihrem Kontakt mit China in | |
| erster Linie unabhängig zu zeigen vom Einfluss anderer Staaten. „Man sollte | |
| vor allem nicht darauf eingehen, welche Chinapolitik die USA betreiben“, | |
| warnt er mit Hinweis auf Trumps erratische und aggressive Beziehung mit | |
| China. Vielmehr seien die Länder Südostasiens ein Beispiel für eine | |
| pragmatische und wirkungsvolle Chinapolitik. | |
| „Vietnam, Singapur und Malaysia haben den Aufstieg Chinas viel | |
| intelligenter gehandhabt – trotz offensichtlicher Probleme wie der Streit | |
| um das Südchinesische Meer“. Dass Australien von diesen Nachbarländern | |
| lernen würde oder könnte, glaubt Burchill nicht. „Die, die uns das Problem | |
| eingebrockt haben, können nicht dieselben sein, die es lösen“. | |
| 18 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Urs Wälterlin | |
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