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# taz.de -- Politische Gefangene in Belarus: Ausgehungert
> Der Blogger Igor Losik hat den Hungerstreik nach 42 Tagen abgebrochen.
> Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 56.
Bild: Igor Losik, der inhaftierte 28-jährige Blogger, trat in einen 42-tägige…
Igor Losik sitzt seit mehr als 200 Tagen hinter Gittern. In seiner Zelle
sind drei Kameras, er wird rund um die Uhr überwacht. Es sind grässliche
Haftbedingungen. Und das alles nicht etwa für einen verrückten Mörder,
dessen Schuld bewiesen ist. Sondern für einen 28jährigen Blogger, einem der
Administrator*innen des Telegram-Kanals „Belarus mit Hirn“, der
335.000 Abonnent*innen hat.
Am 25. Juni 2020, also lange vor den Präsidentschaftswahlen, wurde Igor
Losiks Wohnung durchsucht, am gleichen Tag wurde er verhaftet. Gegen ihn
wurde ein Strafverfahren wegen Aufrufs zu einer Massenveranstaltung
eingeleitet, die im hohen Maße die öffentliche Ordnung gefährde.
Seit diesem Zeitpunkt befindet sich Igor in Untersuchungshaft. Im Dezember
wurde er erneut angeklagt, dieses Mal wegen der Vorbereitung zur Teilnahme
an Massenunruhen. Darauf stehen bis zu acht Jahre Freiheitsentzug. Zum
Zeichen seines Protestes trat Igor Losik in einen unbefristeten
Hungerstreik. Die einzige Antwort darauf: Verlängerung seiner Haftzeit.
Europäische Diplomat*innen baten mehrmals um Zugang zu dem
Inhaftierten, bislang allerdings vergebens. Menschenrechtler*innen
haben den jungen Mann als politischen Gefangenen anerkannt.
Wie auch andere politische Gefangene hat er niemanden verletzt oder
geschlagen. Er hat auch niemanden [1][gefoltert, wie das die Vertreter von
Militär und Geheimdiensten in Belarus regelmäßig tun]. Er wurde für die
Wahrheit verhaftet.
## „Igor ist eine Geisel“
„Igor ist eine Geisel. Er wird unter furchtbaren Bedingungen festgehalten.
Sie haben ihm meine Briefe nicht ausgehändigt. Sie haben ihn in eine Zelle
mit einem verlausten Mann gesteckt. Sie haben ihn kaputt gemacht, so weit
ihnen das möglich war. Vielleicht haben sie ihn sogar geschlagen. Bis heute
kann ich nicht verstehen, was genau sie damit erreichen wollen, was sie von
ihm wollen. Welche Massenunruhen, wenn der Mensch zu dieser Zeit seine
anderthalbjährige Tochter auf dem Arm hat?“, sagte Igors Frau Darja dem
Nachrichtenportal reform.by.
Ihre gemeinsame kleine Tochter Paulina kennt sich mit Politik nicht aus,
aber sie versteht, dass sie ihren Papa lange nicht mehr gesehen hat. Und
sie versucht, sein Foto, das auf einem Tisch in der Wohnung steht, zu
füttern.
Am 23. Januar, einem Samstag, kamen tausende von Menschen aus ganz Belarus
zum Solidaritätsmarsch und bildeten eine Menschenkette für Igor Losik. „Er
ist mutig, heroisch und von starkem Geist und wir sind überzeugt: Dieses
Regime ist es nicht wert, dass die besten Menschen des Landes ihr eigenes
Leben opfern.“
Einfache Belaruss*innen haben beim Untersuchungskomitee von Belarus
schriftliche Bürgschaften für Igor eingereicht. Vielleicht ermöglicht dies,
die Strafe in Hausarrest umzuwandeln.
## Hungerstreik beendet
Am 19. Januar hat der orthodoxe Priester Wladislaw Bogomolnikow, der die
Trauerfeier für [2][Roman Bondarenko] (der am 12. November nach
Polizeigewalt starb; Anm. der Autorin) hielt, verkündet, dass er zum
Zeichen der Solidarität ebenfalls mit einem Hungerstreik beginnen werde.
Ihm schlossen sich [3][zwei Studentinnen der medizinischen Universität] an,
Margarita Trafimowitsch und Eleonora Arsumanjan. In ihrer Erklärung heißt
es: „Ich werde so lange hungern, wie die Gewalt andauert. Ich bin überzeugt
davon, dass er (Igor Losik; Anm. der Redaktion) einen Fehler macht, und ich
sehe nur einen Weg, zu einer Lösung zu kommen: sich dem Hungerstreik
anzuschließen.“
Am 25. Januar hat Igor seinen Hungerstreik beendet. 42 Tage ohne Essen, nur
mit Wasser, Tee und dem einzigen medizinischen Präparat, das in
Postsendungen zugelassen wurde: Normogidron. Und das alles, um, auch
international, auf die Situation der politischen Gefangenen und ihre
rechtswidrige Inhaftierung aufmerksam zu machen, sowie auf die brutalen
Festnahmen von Menschen, die sich nichts zuschulden kommen lassen haben.
Sein Anwalt hat seinen offenen Brief an die Belarussen übermittelt: „Ich
habe mehr als vierzig Tage keine Nahrung zu mir genommen. Ich spüre in mir
die Kraft, das noch länger durchzuhalten. Aber mich hat diese unglaubliche
Solidaritätswelle schockiert. Und auch die Bitten von hunderten, tausenden
Belaruss*innen, aufzuhören, um gesund unseren gemeinsamen Sieg miterleben
zu können…
… Ich hatte nie den Wunsch, besonders im Mittelpunkt zu stehen, ich wollte
keine Öffentlichkeit. Ich wollte nur ein ruhiges Leben und meine Tochter
großziehen. Aber ich sah mich zu diesen radikalen Maßnahmen gezwungen…
Auf den Winter folgt auf jeden Fall das Frühjahr, am Ende der Nacht steht
der Sonnenaufgang. Es ist noch nie gelungen, historische Prozesse durch
Erlasse, Verhaftungen oder Erschießungen zu verändern oder zu stoppen.“
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
29 Jan 2021
## LINKS
[1] /Haft-in-Belarus/!5714960
[2] /Polizeigewalt-in-Belarus/!5714965
[3] /Festnahmen-in-Belarus/!5714966
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Janka Belarus
## TAGS
Belarus
Protest
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Schwerpunkt Krisenherd Belarus
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