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# taz.de -- Überraschungsteam Union Berlin: Eingepreistes Unvermögen
> Der Erfolg vom 1. FC Union Berlin ist so überraschend wie konventionell.
> Eklig wollen doch alle Außenseiter sein.
Bild: Vorbildhaft: Union-Trainer Urs Fischer kann seine Haltung gut vermitteln
Was für den 1. FC Union Berlin noch möglich ist, mag eine spannende Frage
sein. Die Qualifikation für die Europa League oder gar für die Champions
League, wie die noch Verwegeneren fantasieren? Fußballfans beschäftigt die
Zukunft fast immer mehr als die Gegenwart. In ihr liegt das Versprechen,
dass alles besser wird, selbst dann, wenn es schon so gut läuft wie bei den
Unionern.
Es ist aber an der Zeit, das Tabellenbild nach dem Remis der Berliner gegen
Wolfsburg einmal festzufrieren und sich der Frage zuzuwenden, wie das
möglich sein kann. Denn hier kommt zu viel zusammen, was eigentlich
überhaupt nicht zusammenpasst. Nach knapp der Hälfte der Saison steht der
Kiezklub aus Köpenick, der sich zum Nischenverein für Fußballromantiker
gemausert hat, als Tabellenfünfter ganz knapp vor den ganz großen
Geldtöpfen der Liga.
Der Verein, dessen Team einen Marktwert hat, der nur von Arminia Bielefeld
unterboten wird, und der nun hinter Bayern München die zweitmeisten Tore
erzielt hat. In einer Zeit, da Union auf sein vermeintlich größtes Kapital,
auf seine besonderen Fans, verzichten muss, von deren Leidenschaft [1][und
mitunter rebellischer Lebensader] der Klub über viele Jahre gut lebte. Und
gerade jetzt in dieser klinisch reinen, publikums- und emotionsfreien
Profifußballwelt, in der es ausschließlich noch um die Aufrechterhaltung
des Geschäfts geht, blüht dieses Team auf wie kein zweites.
Klar rechnet sich der 1. FC Union wie jeder Außenseiter gerne arm. Mit den
Verpflichtungen von Max Kruse und Loris Karius schienen die Köpenicker
zumindest einen Fuß in die Tür zur großen Fußballwelt stellen zu können.
Aber Torhüter Karius muss sich mit seiner Rolle als Ersatzkeeper abfinden,
und der häufig verletzte Kruse bewies zwar sein Können, konnte aber im
Vollbesitz seiner Kräfte bislang nur die Hälfte aller Spiele mitmachen.
## Ein Spezialist für Effizienz
[2][Den 1. FC Union Berlin macht nicht die Folklore stark], der etwas
andere Verein mit den etwas anderen Anhängern zu sein, oder der ein oder
andere exklusive Einkauf. Der Erfolg ist völlig konventioneller Natur. Wie
alle versuchen die Berliner, aus ihren Mitteln das Beste zu machen. Der
individuell höheren Qualität der Gegner begegnen sie mit mannschaftlicher
und taktischer Disziplin, mit Zweikampfstärke und mit der größten
Laufbereitschaft in der Liga.
Ein Rezept, von dem man schon viele Trainer hat reden hören. Union jedoch
verfügt mit dem Schweizer Trainer Urs Fischer über einen der besten
Effizienzspezialisten für minderbemittelte Klubs. Schon als Spieler war er
gezwungen, im Wettbewerb mit Talentierteren eigene Strategien zu
entwickeln. Eklig sein, das ist seine Lieblingsparole. Und bloß sich
hinterher nicht aufplustern! Er freue sich über das Ergebnis, sagte er nach
der Partie gegen Wolfsburg – trotz Überzahl und eines leichten
Chancenübergewichts. „Wieder ein Punkt mehr.“
Seine Stärke dürfte vor allem in der Vermittlung dieser Haltung liegen. Das
dafür möglichst aufnahmefähige Personal hat auch Geschäftsführer Oliver
Ruhnert in die Hauptstadt gelotst. Noch so ein Mann, der immer
zurückhaltend formuliert und der sein Geschick als Planer von
kostengünstigem Erfolg bewiesen hat. Bei seinem alten Verein Schalke 04
wünschen sie ihn sich wohl sehnlichst zurück.
Bei aller Effizienz lässt auch Union so manche Chance liegen. Sheraldo
Becker etwa traf gegen Wolfsburg das leere Tor nicht. Das ist kein
Widerspruch, sondern eingepreistes Unvermögen, das keinen entmutigt. Das
Besondere ist eben, dass Union trotz dieses Unvermögens so gut ist.
10 Jan 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Johannes Kopp
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Kolumne Press-Schlag
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Überraschung
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