# taz.de -- Geflüchtete in Deutschland: Eritreer fordern Familiennachzug | |
> Durch den Krieg in Äthiopien wächst die Gefahr für eritreeische | |
> Geflüchtete dort. Pro Asyl fordert, die deutsche „inhumane Visapraxis“ zu | |
> beenden. | |
Bild: Demonstration eritreischer Flüchtlinge für das Recht auf Familiennachzu… | |
BERLIN taz | „Visa statt Boote. Leben statt Tote“ steht auf einem Plakat, | |
das eritreische Flüchtlinge vor dem Kanzleramt in die Höhe halten. Zwei | |
Tage und eine kalte Nacht lang halten rund 40 eritreische Flüchtlinge | |
mitten in der Coronapandemie eine Dauermahnwache vor dem Kanzleramt. Sie | |
fordern die Einreise ihrer Angehörigen. | |
Zumeist sind es Männer, die es bis nach Deutschland geschafft haben, hier | |
Asyl erhielten und danach einen Antrag auf Familienzusammenführung | |
stellten. Ihre Frauen und Kinder harren in Nachbarstaaten in Afrika aus, | |
zumeist in Äthiopien, dem Sudan, Kenia und Uganda. | |
Sie haben zwar einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug, aber die deutschen | |
Auslandsvertretungen [1][zögern diesen immer wieder hinaus]. Ein Jahr lang | |
muss man allein auf einen Termin warten, um den Familiennachzug beantragen | |
zu dürfen. Dann gibt es immer wieder bürokratische Hürden. Meist genügen | |
den deutschen Diplomaten die Dokumente zum Nachweis des | |
Familienzusammenhaltes nicht, den die Eritreer haben. Das liegt daran, dass | |
in Eritrea Ehen und Geburten meist nur kirchlich beurkundet werden und | |
deutsche Diplomaten laut Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der | |
Linken nicht qualifiziert sind, diese kirchlichen Dokumente auf Echtheit zu | |
prüfen. | |
Durch den [2][Bürgerkrieg in Eritreas Nachbarland Äthiopien] verschärft | |
sich die Situation. Denn für die allermeisten eritreischen Frauen und | |
Kinder ist gerade die an Eritrea angrenzende [3][Bürgerkriegsprovinz | |
Tigray] Zufluchtsort. Sie sind jetzt besonders gefährdet, und darum machen | |
ihre Männer vor dem Kanzleramt Druck. | |
## Wehrpflichtige als Kanonenfutter | |
Martina Mauer vom Berliner Flüchtlingsrat berichtet von M. K., einem | |
Betroffenen aus dem nordrhein-westfälischen Burscheid, der aus | |
gesundheitlichen Gründen nicht an der Mahnwache teilnehmen kann: „Er lebt | |
seit 2017 hier und erhielt drei Monate nach seiner Einreise Asyl. Während | |
er auf den Nachzug seiner Ehefrau und der Töchter im Alter von sechs und | |
zwölf Jahren wartete, wurde seine Frau krank und starb 2019.“ Seitdem | |
würden die Töchter allein in dem Flüchtlingscamp in Tigray leben. | |
„Gelegentlich kommt ein Onkel ins Camp. Aktuell kann Herr M. K. nicht mit | |
seinen Töchtern telefonieren, weil es keine Verbindung gibt.“ Nach mehreren | |
sorgenvollen Wochen wäre, so Martina Mauer, endlich ein Telefonkontakt mit | |
einem anderen Campbewohner zustande gekommen, der in die Berge laufen | |
musste, um Telefonnetz zu haben. „Der Mann konnte so erfahren, dass seine | |
Töchter noch in dem Camp leben und unversehrt sind.“ Als Termin für die | |
Familienzusammenführung war dem Mann eigentlich Oktober 2020 in Aussicht | |
gestellt worden, so Mauer. Doch der habe wegen Corona nicht stattgefunden. | |
Die Organisation Pro Asyl und die Landesflüchtlingsräte unterstützen die | |
Forderung der Eritreer. „Wir fordern, die inhumane Visapraxis in den | |
deutschen Auslandsvertretungen umgehend zu ändern und sicherzustellen, dass | |
die auf den Familiennachzug wartenden Angehörigen eritreischer Flüchtlinge | |
zügig einreisen können“, heißt es in einer Erklärung. „Dazu müssen die | |
Verfahren entbürokratisiert und beschleunigt und alternative Nachweise für | |
Identität und Familienbindung anerkannt werden. Dies gilt besonders, aber | |
nicht nur für die von dem Bürgerkrieg in Äthiopien betroffenen Menschen.“ | |
Die Bundesregierung antwortete derweil auf eine Frage der Abgeordneten Ulla | |
Jelpke (Linke), nichts an den Anforderungen zum Familiennachzug aus Eritrea | |
ändern zu wollen. | |
In Deutschland leben rund 40.000 eritreische Staatsbürger. Rund 1.100 von | |
ihnen haben sich in der Initiative „Familiennachzug Eritrea“ | |
zusammengeschlossen. Aber auch viele andere sind wegen des äthiopischen | |
Bürgerkriegs in Sorge um ihre Eltern und Geschwister, für die es kein Recht | |
auf Familiennachzug gibt. Die Diktatur in Eritrea unterstützt die | |
äthiopische Zentralregierung gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der | |
Provinz Tigray. | |
Eritreische Berliner wie Freweney Habtemariam von dem in Berlin ansässigen | |
Verein Eridac e. V. berichten, dass eritreische Wehrpflichtige die | |
äthiopische Zentralregierung bei ihrem Einmarsch in die Provinz Tigray als | |
Kanonenfutter unterstützen mussten und dass eritreische Flüchtlinge aus | |
Tigray zurück nach Eritrea entführt wurden. Bestätigt ist das nicht. | |
Bestätigt sind aber mehrere Kanoneneinschläge in Eritrea. | |
2 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Demo-zu-Familiennachzug-aus-Eritrea/!5716313 | |
[2] /Tsedale-Lemma-ueber-den-Aethiopienkrieg/!5728677 | |
[3] /Kampfhandlungen-in-Aethiopien/!5728676 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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