# taz.de -- Kommunalwahlen in Herzegowina: Die Frau, die es möglich machte | |
> Irma Baralija zog vor den Menschenrechtsgerichtshof, weil sie | |
> Kommunalwahlen in Mostar, Hauptstadt Herzegowinas, wollte. Ihr Erfolg | |
> überrascht alle. | |
Bild: Dank Irma Baralija finden in der in der herzegowinischen Stadt Mostar wie… | |
Irma Baralija ist die eigentliche Heldin der am 20. Dezember stattfindenden | |
Wahlen in der herzegowinischen Hauptstadt Mostar. Weil dort seit 2008 wegen | |
einer fehlenden gesetzlichen Grundlage keine Kommunalwahlen mehr | |
stattgefunden hatten, war sie 2018 vor den Menschenrechtsgerichtshof in | |
Straßburg gezogen. Für die Eliten der Stadt war es eine große Überraschung, | |
als Baralija im Oktober 2019 als einfache Bürgerin recht bekam und Wahlen | |
angesetzt werden mussten. | |
Baralija ist 1984 in Mostar geboren und eine kämpferische Frau. Sie kann | |
die Herrschaft der nationalistischen Parteien mit all ihrer Korruption und | |
dem damit verbundenen Unrecht in der Stadt nicht mehr ertragen. Mostar, | |
sagte sie 2019 in einem Gespräch mit der taz, ist traditionell eine | |
multinationale und multireligiöse Stadt. Unter dem Bergmassiv des Veles | |
gelegen und durch die Wässer des Flusses Neretva geteilt, war hier in der | |
osmanischen Zeit eine Stadt entstanden, [1][die mit der Alten Brücke im | |
Zentrum von der Unesco zum Weltkulturerbe] erklärt wurde. „Es war schön, | |
hier als Kind aufzuwachsen“, so Baralija. | |
Doch dann kam der Bosnienkrieg. Die Stadt wurde aufgeteilt, Kroaten bekamen | |
den Westen, Muslime (Bosniaken) den Osten. [2][Die im Krieg entstanden | |
Nationalparteien] teilten Mostar später unter sich auf. Eine demokratische | |
Kontrolle gab es nicht. „Das sind kleptokratische Parteien mit | |
Mafiastrukturen“, sagte Baralija. | |
Als das Urteil des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofs kam, war die | |
Verwunderung der herrschenden Mächte in der Stadt und in ganz Bosnien und | |
Herzegowina groß: Der bestehende Zustand sei illegal und mit europäischem | |
Recht nicht vereinbar, es müsse Wahlen in Mostar mit seinen 100.000 Wählern | |
geben. Irma Baralija hatte gesiegt. Und das war eine Sensation. Eine | |
Intellektuelle spuckte den nationalistischen politischen Eliten ins | |
Gesicht. Baralija hatte gezeigt, dass man mit bürgerlichem Engagement trotz | |
aller Hindernisse auch etwas erreichen kann. | |
## Sie ist mutig genug, Dinge in Gang zu bringen | |
Baralija hat Philosophie und Soziologie an der Universität in Sarajevo | |
studiert. Später schloss sie in Madrid an der Universität Complutense ihren | |
Master in Politikwissenschaften ab und kehrte 2011 nach Mostar zurück. „Ich | |
wollte nicht in Spanien bleiben, denn ich wollte in meiner Heimatstadt die | |
Dinge ändern“, sagte sie im taz-Gespräch. | |
Sie gehört zu jenen wenigen im Ausland ausgebildeten Frauen, die wieder | |
nach Bosnien und Herzegowina zurückgekommen sind. Baralija ist eine präzise | |
und charismatische Analytikerin. Sie trat in die nichtnationalistische | |
Partei „Naša Stranka“ (Unsere Partei) ein und wurde dort kurze Zeit später | |
Vizevorsitzende. Jetzt will sie bei den Wahlen am 20. Dezember in den | |
Stadtrat einziehen. Falls das gelingt, wird sie keine Hemmungen haben, der | |
herrschenden Kleptokratie ihre Meinung zu sagen. | |
17 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.weltkulturerbe.com/europa/bosnien-herzegowina/mostar.html | |
[2] /Lokalwahlen-in-Bosnien-und-Herzegowina/!5725334 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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