Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Halbwertzeit von Fußballtrainern: Abrieb auf rauem Asphalt
> Der in Dortmund gefeuerte Lucien Favre ist ein wirklich guter
> Fußballtrainer. Auf der Langstrecke ist er allerdings nicht zu Hause.
Bild: Zum Haareraufen: Lucien Favre, vom BVB nach dem 1:5 gegen Stuttgart entla…
Manchmal müssen sich Fußballtrainer vorkommen wie weiche Reifen auf rauem
Asphalt. Nach einer gewissen Laufzeit ist das Profil runter. Das Gefährt
gerät ins Schlingern. Die Pneus müssen erneuert werden, weil nichts mehr
geht. Borussia Dortmund hat seit 1950 schon 53-mal den [1][Trainer
gewechselt], und jetzt hat es eben Lucien Favre erwischt, einen Coach, der
gemeinhin nach zwei bis vier Jahren ein Reifenprofilproblem bekommt. Das
ist bedauerlich für den Schweizer aus dem Kanton Waadt, aber nicht jeder
Trainer ist aus dem Material eines Otto Rehhagel, Volker Finke, Thomas
Schaaf oder Hennes Weisweiler gemacht.
Es gibt die Dauerläufer und die Verschleißtrainer, wobei nicht immer klar
ist, was den einen vom anderen unterscheidet. Manchmal wachsen die
Erstgenannten mit ihrem Ego in Strukturen hinein und es entsteht ein
symbiotisches Verhältnis zwischen Management, Übungsleiter und Mannschaft,
eine Einheit, die viele Jahre trägt.
Ein andermal wird – und das ist die Regel – Trainern nur die Rolle eines
leitenden Angestellten zugestanden, eines austauschbaren
Erfüllungsgehilfen, der die Ambitionen des Vorstands in die einfache
Sprache eines Fußballprofis („Wir müssen gierig sein“) übersetzt. Lucien
Favre war, was das angeht, nie ein großes Translationstalent, wenngleich
sein Fußballsachverstand nur selten Gegenstand von Grundsatzdebatten war.
## Bester BVB-Punkteschnitt
Der 63-Jährige scheint nach einer gewissen Zeit stets die Geduld zu
verlieren – mit sich, mit dem Umfeld, mit dem Team; es ist wohl die
Ungeduld eines Hochbegabten, der immer wieder an seinen eigenen Ambitionen
zu scheitern scheint; der das kleine Drama der Selbstdemontage erneut
durchspielt. Parallel zu diesem Prozess wachsen die Zweifel an den
Fähigkeiten des Coachs.
Aus dem Taktikfuchs mit der besten Punkteausbeute eines BVB-Trainers (2,09
pro Spiel, weit vor Jürgen Klopp) wird nun medial ein Zauderer, der das
große Ganze nicht mehr überblickt. Das charmante Kauderwelsch des
Fußballdozenten klingt dann angeblich nur noch wie hilfloses Gestammel
(„Isch weiß niecht, wirr werdenn sehen …“). Und die Mannschaft soll er a…
nicht mehr erreicht haben. Was halt so geschrieben wird.
Dabei gibt es im Profisport regelmäßig diesen Kippmoment, an dem alles
anders wird. Der [2][Guru] wird zum Kauz, der Anführer zum Phrasendrescher.
Bei Lucien Favre scheint sich diese Wandlung bisweilen schnell zu
vollziehen. Ähnliche Muster zeigten sich ja schon in Berlin,
Mönchengladbach, Nizza. Warum es dann doch immer recht fix geht? Weil
Lucien Favre dem Business, wie es heute gelebt wird, irgendwie wesensfremd
ist. Er war zwar selbst Fußballprofi in der Schweiz und 1983 sogar
Fußballer des Jahres in seiner Heimat, aber vom Habitus und von dem
Auftreten der Generation Nagelsmann ist er doch meilenweit entfernt.
Neben den hyperselbstbewussten ausgemergelten Fitnesstypen in ihren engen
Röhrenhosen wirkt Favre mit seinen kleinen Notizzettelchen anachronistisch
und leicht deplatziert. Man hätte ihm den langen Atem eines Arsene Wenger
gewünscht, aber es ist nun einmal, wie es ist: Wenn das Profil runter ist,
geht nichts mehr. Dann muss gewechselt werden. Von Favre zu Edin Terzic zu
vielleicht Marco Rose.
14 Dec 2020
## LINKS
[1] https://www.transfermarkt.de/1-bundesliga/trainerwechselprosaison/wettbewer…
[2] /Portraet-Lucien-Favre/!5504375
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Fußball-Bundesliga
Kolumne Press-Schlag
Lucien Favre
Borussia Dortmund
Fußball
Fußball-Bundesliga
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Trainerwechsel bei Borussia Dortmund: Warten auf den Erlöser
Vor dem Spiel gegen Sevilla ängstigen Borussia Dortmund die eigenen
Schwächephasen. Coach Marco Rose soll es ab Sommer dann richten.
Dortmund entlässt Trainer Favre: Es hat gefehlt
Borussia Dortmund schöpft sein Potenzial wieder nicht aus. Nach der
1:5-Pleite gegen den VfB Stuttgart zieht der Verein Konsequenzen.
Köln gewinnt in Dortmund: Der FC ist doch nicht verflucht
Mit zwei sehr ähnlichen Eckballtoren gewinnt der 1. FC Köln bei Borussia
Dortmund 2:1. Und glaubt fest, dass es nun weiter aufwärtsgeht.
Borussia Dortmund: Der zweite Leuchtturm
Der BVB äußert zum Start der Männer-Bundesliga keine Meisterambitionen
mehr. Wieder hat man große Talente, aber es herrscht auch Hilflosigkeit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.