# taz.de -- Diskussion um falsch-positive Fälle: Die Zeit heilt so manche Wunde | |
> Die Häufung von falsch-positiven Coronafällen im Sport würde zu einem | |
> Kuriosum verkommen, wenn die Konsequenzen nicht so hart wären. | |
Bild: Falsch-positiv-Promi: Serge Gnabry und seine schwierigen Tests auf das Co… | |
Sportler werden getestet. Das ist eine seit Jahrzehnten gängige Praxis. | |
Kommt ein positives Ergebnis dabei heraus, dann ist das zumeist negativ für | |
den Betroffenen. Nach einem positiven Dopingtest droht nicht selten ein | |
Berufsverbot von zwei Jahren. Bei einem positiven Coronatest ist der Spuk | |
manchmal schon nach zwei Tagen vorbei – falls der Nachtest negativ ausfällt | |
und das positive Erstergebnis zum falsch-positiven wird. | |
Im Profisport, der wegen seiner privilegierten Stellung Zugang zu vielen | |
Coronatests hat, gibt es auffällig viele dieser falsch-positiven | |
Ergebnisse, und man fragt sich automatisch, wie viele dieser | |
falsch-positiven Fälle es wohl in der Normalbevölkerung gäbe, wenn sie | |
ähnlich leicht wie Tennis- oder Radprofis an einen oder mehrere Nachtests | |
käme. | |
Falsch-positiv waren zuletzt Bayern-Star [1][Serge Gnabry] und ein | |
Fußballspieler des Zweitligisten Würzburger Kickers (neben zwei Trainern). | |
Die krasseste Meldung aus diesem Bereich flatterte Ende August aus der | |
US-Football-Liga NFL über den großen Teich, als gleich mal [2][77 Personen] | |
auf einen Schlag falsch-positiv waren und Zweifel an der Verlässlichkeit | |
des sogenannten Corona-PCR-Tests aufkamen, der nach einer RNA-Sequenz | |
fahndet und diese nach bis zu 40 Verdopplungsvorgängen messbar macht. | |
Nun muss man wissen, dass jedes Verfahren anfällig ist für zwei Fehler: Es | |
kann eine Infektion übersehen oder eine nicht infizierte Person als | |
infiziert klassifizieren, als falsch-positiv. Um die Güte eines Tests zu | |
beurteilen, braucht man immer zwei Angaben: die Wahrscheinlichkeit, dass | |
ein Infizierter richtig positiv getestet wird, und die Wahrscheinlichkeit, | |
dass ein Nichtinfizierter fälschlicherweise positiv getestet wird. | |
## Eine Frage der Spezifität | |
Angenommen, die Krankheitsverbreitung durch Corona in der Bevölkerung, also | |
die Prävalenz, liegt aktuell bei 3 Prozent, der Test hätte eine | |
[3][Spezifität] von 99 Prozent, und wir testen 100 Menschen, dann wäre zu | |
erwarten, dass wir drei positive Fälle finden und einen falsch-positiven | |
Fall. Wir hätten also vier Fälle herausgefischt; der sogenannte positive | |
Vorhersagewert läge bei 75 Prozent; der unerwünschte Beifang läge bei 25 | |
Prozent. Gingen wir von einer höheren Krankheitsverbreitung und einem noch | |
sichereren Testverfahren aus, würde sich die Anzahl der falsch-positiven | |
Fälle entsprechend reduzieren. | |
Da aber vor allem die Prävalenz ein Schätzwert ist, wissen wir nicht, wie | |
hoch der Anteil der Falsch-Positiven genau ist. Die Sporttestungen liefern | |
nur einen groben Anhaltspunkt dafür, dass man im Falle des Falles lieber | |
nachtesten sollte, um Genaueres zu wissen. | |
Daher verwundert es nicht, wenn der Chef des Radsportteams Bora hansgrohe, | |
Ralph Denk, in dieser Zeitung von einer „Lotterie“ im Umgang mit den | |
PCR-Tests spricht. Ob nun ein positives, negatives oder später dann ein | |
falsch-positives Ergebnis herausspringt, das liegt für ihn durchaus | |
nachvollziehbar im Bereich eines Losverfahrens – und allein steht er mit | |
dieser Meinung in der von coronabedingten Absagen gebeutelten | |
Leistungssportszene gewiss nicht da. | |
„Ich habe Angst davor, dass auf der Basis von nicht 100-prozentig sicheren | |
Tests so gravierende Entscheidungen wie der Ausschluss eines Fahrers oder | |
gar eines ganzen Rennstalls getroffen werden“, sagt er – und fordert, dass | |
die Gesundheitsbehörden der Veranstaltungsorte auch Nachtests akzeptieren | |
und nicht gleich mit dem Ausschluss eines positiv getesteten Fahrers oder | |
Betreuers reagieren. | |
Ralph Denk, der permanent an das wirtschaftliche Überleben seines | |
Millionenunternehmens in schwierigen Coronazeiten denken muss, fordert | |
nichts anderes als einen zeitlichen Puffer, damit die richtige Entscheidung | |
getroffen wird. Manchmal reichen ja schon 48 Stunden und aus positiv wird | |
wie von Geisterhand negativ – was dann gewissermaßen wieder positiv ist, | |
weil es ja falsch-positiv war. | |
25 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.br.de/nachrichten/sport/serge-gnabry-moeglicherweise-falsch-pos… | |
[2] https://www.cbssports.com/nfl/news/all-77-false-positive-covid-19-tests-cam… | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Beurteilung_eines_bin%C3%A4ren_Klassifikators | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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