# taz.de -- CDU-Aufsteigerin Jana Schimke: Die im Blick bleibt | |
> Die Brandenburgerin Jana Schimke könnte CDU-Generalsekretärin werden. | |
> Wohl aber nur, wenn Friedrich Merz Parteichef würde. | |
Bild: „Wir sind zu Mainstream.“ Jana Schimke im Bundestag | |
BERLIN/TEUPITZ taz | Es gibt Gerüchte, die halten sich hartnäckig in der | |
CDU. Eines lautet, dass die überregional weitgehend unbekannte | |
Bundestagsabgeordnete Jana Schimke die nächste Generalsekretärin wird, | |
sollte Friedrich Merz Parteivorsitzender werden. Die 41 Jahre alte | |
Brandenburgerin würde zusätzlich zu ihrer politischen Erfahrung noch zwei | |
Voraussetzungen erfüllen, um im innerparteilichen Machtpoker ganz nach oben | |
zu kommen. Sie ist Ostdeutsche. Und sie ist eine Frau. Und eine Frau, das | |
hatte [1][Merz kurz nach seiner Kandidatur erklärt], wolle er sich im Fall | |
seiner Wahl fürs Adenauer-Haus „holen“. | |
Was sie nach allem, was man über Jana Schimke in Erfahrung bringt, jedoch | |
nicht ist: mitreißend, mitfühlend, integrierend. Manche sprechen gar von | |
einer Intrigantin, die nicht einmal von ihrer eigenen Landespartei als | |
Delegierte zum Bundesparteitag gewählt worden ist. Natürlich möchte niemand | |
zitiert werden. | |
Aber stimmt das überhaupt? Die Brandenburger CDU ist notorisch zerstritten, | |
Führungskrisen sind an der Tagesordnung, politische Alleingänge ebenso. | |
Frauen haben es in dem kleinen Landesverband besonders schwer. Gut möglich | |
also, dass die Politologin aus Potsdam einfach nur unbequem ist. | |
## Ortsbesuche wie eine Chefarztvisite | |
Jana Schimke tritt durch die Tür der Grundschule Teupitz, südöstliches | |
Brandenburg. Ein paar Kinder flitzen vorbei, sie tragen Masken und gucken | |
neugierig zu der dunkelhaarigen Frau im Kleid herüber. Die | |
Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis 62 ist auf „Kreisbereisung“. Klingt | |
wie eine Chefarztvisite und ist es gewissermaßen auch. | |
Sie schaut sich heute die Klassen- und Horträume an, nickt anerkennend am | |
Schulgartenzaun, den Angestellten gegenüber bleibt sie merkwürdig | |
distanziert. Ihre Fragen zum Alltag unter Coronabedingungen kommen | |
zögerlich, die Antworten sind es ebenfalls. „Wie sind die motorischen | |
Fähigkeiten der Erstklässler“, fragt sie die Schulleiterin. Es klingt wie | |
eine Prüfung. | |
Erst später, beim Besuch der Kita, überkommt es sie und sie macht ein paar | |
angedeutete Hopser auf dem Trampolin im Garten. Zu ihren Gunsten muss | |
angemerkt werden, dass BrandenburgerInnen eher nicht zum Überschwang | |
neigen. Jana Schimke ist eine Brandenburgerin. | |
Geboren wurde sie 1979 in Cottbus. Den Mauerfall erlebt die Tochter eines | |
Kraftfahrers und einer Ingenieurin als Glücksfall, das Ende der | |
Planwirtschaft als Befreiung. Sie bewundert Helmut Kohl. Nach dem Abitur | |
studiert sie in Dresden und Berlin Politikwissenschaft, anschließend | |
arbeitet sie für CDU-Abgeordnete, für ein Lobbyunternehmen der privaten | |
Wohnungswirtschaft und den Arbeitgeberverband. „Das hat mich geflasht“, | |
sagt Schimke über diese Zeit beim Gespräch in ihrem Abgeordnetenbüro im | |
Berliner Regierungsviertel. | |
## Sie ist fleißig, raucht nicht, trinkt nicht | |
Sie selbst beschreibt sich als konservativ im besten Sinne. „Ich bin | |
fleißig, pünktlich, ordentlich. Ich rauche und trinke nicht. Ich bin aber | |
kein Aktenfresser, schon wegen meiner zwei Kinder.“ | |
Schimkes Wahlkreis ist riesig, man erkennt es schon am Namen. | |
Dahme-Spreewald – Teltow-Fläming III – Oberspreewald-Lausitz I zieht sich | |
von der Berliner Stadtgrenze bis zum weit im Süden gelegenen Spreewald, | |
hier leben eine Viertelmillion Wahlberechtigte. 30 Prozent der WählerInnen | |
von ihnen haben hier 2017 der CDU ihre Stimme gegeben. Schimke hat das | |
Direktmandat geholt, schon zum zweiten Mal. So unbeliebt, wie | |
ParteifreundInnen sie beschreiben, kann sie also nicht sein. | |
Einem überregionalen Publikum im Bundestag bekannt geworden ist Jana | |
Schimke seit 2013 jedoch weder als Mitglied des Ausschusses für Arbeit und | |
Soziales noch als stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss. Jana wer?, | |
fragten sich deshalb erst einmal viele, als sie vor Jahresfrist zur | |
stellvertretenden Vorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) | |
gewählt wurde. | |
Die MIT mit ihrem virilen Vorsitzenden Carsten Linnemann ist der sehr | |
einflussreiche, sehr konservative Wirtschaftsflügel von CDU und CSU. Wer | |
hier Vorstandsmitglied ist, hat eher weniger übrig für | |
ArbeitnehmerInnenrechte und ökologische Standards. Und – das Foto, das Jana | |
Schimke vom Podium der Wahlveranstaltung twitterte, zeigt es deutlich – die | |
MIT ist ein Männerverein. Auf dem Bild aus dem Berliner Schauspielhaus | |
applaudieren Hunderte Anzugjungs dem CDU-Mitglied Friedrich Merz. Schimke | |
hielt es für eine gute Idee, aus diesem Anlass den Hashtag #Politikwende zu | |
twittern. | |
## Gerne mal eine Provokation | |
Wie sie überhaupt [2][gern mal provoziert]. Sie twittert ein Grimassenbild | |
der Klimaaktivistin Greta Thunberg oder plädiert für die Rechte von | |
SUV-KundInnen. Die Initiative von ParlamentarierInnen für eine Frauenquote | |
im Bundestag tut sie als „Ideologie“ ab. | |
Und als sich kürzlich die Öffentlichkeit über die menschenunwürdige | |
Unterbringung der Geflüchteten nach dem Brand von Moria empört, schreibt | |
die CDU-Sozialpolitikerin einen Gastbeitrag für den Focus: „Wir müssen | |
verhindern, dass illegale Einwanderung und die Erpressung durch | |
seeuntaugliche Schiffe und angezündete Flüchtlingslager die Eintrittskarte | |
ins gelobte Land der deutschen Sozialsysteme bietet.“ | |
## „Wir sind zu Mainstream“ | |
Derlei Statements sind kalkuliert. In ihrem Abgeordnetenbüro erklärt Jana | |
Schimke ihre Sicht auf die CDU. „Wir sind zu Mainstream“, sagt sie und | |
streicht sich eine Strähne hinters Ohr. „Mir macht Angst, wenn sich alle | |
einig sind, die Leute wollen Unterschiede sehen. Ich bin bereit zu | |
streiten, deshalb werde ich kritisch beäugt.“ | |
Für [3][den anstehenden Bundesparteitag] wünscht sie sich Friedrich Merz | |
als nächsten Vorsitzenden. „Aus Überzeugung, nicht aus Karrieregründen.“ | |
Merz verkörpere „klare Kante und Glaubwürdigkeit“. Wählen kann sie ihn in | |
Stuttgart, wie gesagt, nicht. Aber falls Merz der neue Vorsitzende wird, | |
werden sich viele Augen auf Jana Schimke aus Brandenburg richten. | |
12 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Friedrich-Merz-ueber-seine-Kandidatur-fuer-den-CDU-Vorsitz/!5707701 | |
[2] /Kolumne-Bauernfruehstueck/!5571171 | |
[3] /Wahl-des-neuen-CDU-Chefs/!5713070 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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