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# taz.de -- Gore-Tex-Erfinder gestorben: Uniformiert, aber frei
> Das Alternativmilieu hat Robert W. Gore viel zu verdanken. Ohne sein
> wasserabweisendes Gewebe ließe sich der Traum vom Landleben nicht
> erfüllen.
Bild: Robert W. Gore, fröhlicher Erfinder der Gore-Tex-Technologie
Am vergangenen Donnerstag verstarb im Alter von 83 Jahren Robert W. Gore,
der US-amerikanische Erfinder der Gore-Tex-Technologie. [1][Das Andenken
dieses Revolutionärs der wetterfesten Kleidung nicht zu würdigen wäre
unverzeihlich] – und unsere kleine Zeitung steht hier besonders in der
Pflicht.
[2][Denn das alternative Milieu, das die taz gleichzeitig trägt und
abbildet], ist ohne die 1969 von Gore entdeckte wasserdichte Membran nicht
denkbar. Interessant sind dabei an dieser Stelle weder die technischen
Details noch die durchaus vorhandenen Kritikpunkte, was
Funktionstüchtigkeit und Umweltverträglichkeit des Materials angeht.
Was der Chemiker Gore erfand, ist vielmehr zu einem soziologischen Phänomen
geworden. Die wetterfeste Outdoormode geriet besonders für Städter:innen
zum unverzichtbaren Accessoire der Landsehnsucht, zum Statussymbol des
allzeit auf alle meteorologischen Unwägbarkeiten vorbereiteten Checkers,
der, in sein Gore-Gewand gehüllt, gerade auch für die im Milieu regelmäßig
beschworene Apokalypse bestens vorbereitet war.
Gore-Tex stand weniger für das praktische Bedürfns, trocken zu bleiben, als
für ein tief romantisches Verlangen nach dem ganz anderen Leben.
Gleichzeitig fand eine Abgrenzung statt gegen Träger älterer Technologien
wie Loden oder Parkas, denen seit Beginn der 1970er Jahre zunehmend etwas
Reaktionäres bzw. Verlierermäßiges anhaftete.
## In die „Kotze“ hüllen
Gore-Tex erlöste eine ganze Generation, die sich ja tatsächlich noch in ein
Kleidungsstück namens „Kotze“ hüllen musste, wenn Mutti es draußen zu na…
fand. Die Marke Gore-Text verkörperte Freiheit und den Willen, sich nicht
nach dem Äußeren beurteilen zu lassen, sondern nach den oft auch mal
ungeduschten, aber ewigen inneren Werten.
Elegant war das natürlich nicht; aber im scharfgeschnittenen Anzug lässt
sich auch nicht Fahrrad fahren. Verfolgt man die Berichterstattung von
Radtouristen, so sind sie insbesondere begeistert von der Funktionswäsche,
die abends im Bikerhotel ausgeschweißt und zum Trocknen aufgehängt wird, um
am Morgen wieder atmungsaktiv zur Verfügung zu stehen – natürlich
bügelfrei. So würden sie gern immer leben.
Outdoormode ist eben eine freiwillige Form der Uniformierung und
Militarisierung der Freizeitgesellschaft – oder eben umgekehrt: Der
Freizeitisierung des Gleichschritttriebs. Robert W. Gore ist für all das
nicht verantwortlich zu machen. Wir sehen ihn vor uns, im ewigen Frühling
des Paradieses, wo Kleidung gar keine Rolle mehr spielt.
22 Sep 2020
## LINKS
[1] https://www.bbc.com/news/world-us-canada-54224405
[2] /Kolumne-Spaeter/!5088419/
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Kleidung
Outdoor
Freizeit
Aufgeschreckte Couchpotatoes
Schwerpunkt Flucht
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