Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Videos von Polizeigewalt: Empathie für Täter
> Zwei Videos übergriffiger Polizisten machen im Netz die Runde. In beiden
> Fällen nehmen die Vorgesetzten ihre Beamten in Schutz.
Bild: „Schubs mich und du fängst dir 'ne Kugel“: Die Drohung eines Polizis…
Die Empathie der Polizei für mutmaßliche Straftäter kann erstaunlich weit
gehen. In einem Fall, geschehen in Göttingen, schlägt ein Mann einem
19-Jährigen ins Gesicht und kassiert dafür zwar ein Ermittlungsverfahren.
Der Leiter der örtlichen Polizeiinspektion bezeichnet die Tat aber als
„menschlich verständlich“. Das Opfer habe schließlich seine Nachbar*innen
genervt und den späteren Schläger als „Spacko“ beschimpft.
In einem zweiten Fall, geschehen in Dresden, [1][bedroht ein Mann einen
anderen auf offener Straße mit dem Tod („Schubs mich und du fängst dir ’ne
Kugel!“)] und zieht dann kurz an seiner Pistole. Der örtliche
Polizeipräsident rüffelt den mutmaßlichen Täter zwar („So ein Satz darf
nicht fallen“), schließt aber Konsequenzen aus, da die Situation am Rande
einer Demonstration sehr hektisch gewesen sei. Im Übrigen habe der Mann den
Drohsatz zwar eingestanden, aber glaubhaft versichert, gar nicht gedroht zu
haben. Beide Vorfälle ereigneten sich in den letzten Tagen. Beide wurden
auf Video aufgezeichnet. Und, was die Milde der Polizeichefs erklärt: Beide
Männer waren Polizeibeamte im Einsatz.
Damit stehen die Fälle symbolhaft für eine Entwicklung der letzten Jahre
und Monate: Durch den technischen Fortschritt können [2][Bürger*innen heute
sehr viel einfacher als noch vor zehn Jahren Polizeieinsätze filmen] und
die Aufnahmen verbreiten. Durch die öffentliche Debatte über Polizeigewalt
nutzen Bürger*innen diese Möglichkeit heute wohl sehr viel häufiger als
noch vor einem Jahr. Polizeibehörden geraten dadurch vermehrt in
Situationen, in denen sie vermeintliche oder tatsächliche
Grenzüberschreitungen ihrer Beamt*innen kommentieren müssen.
Und mit dieser Aufgabe sind die Verantwortlichen nicht selten überfordert:
Angesichts der Beweislage können sie, in Göttingen wie in Dresden, die
Vorfälle zwar nicht leugnen. Und doch werben sie für Verständnis für ihre
Untergebenen, liefern diesen im Nachhinein eine Quasi-Rechtfertigung für
ihr Handeln.
Wer sehr wohlwollend ist, könnte das als vorbildliches Führungsverhalten im
Sinne einer gesunden Fehlerkultur verstehen: Nach außen hin haben sich
Vorgesetzte vor ihre Mitarbeiter*innen zu stellen, um so ein Klima zu
schaffen, in dem offen über Fehler und deren Vermeidung gesprochen werden
kann.
Solch eine Fehlerkultur setzt aber erstens voraus, dass intern über
Ursachen für das Fehlverhalten und Maßnahmen dagegen diskutiert wird. Weder
in Göttingen noch in Dresden scheint das der Fall zu sein: Die
Polizeiführung externalisiert das Problem, indem sie die Verantwortung
einem störrischen Ruhestörer beziehungsweise vermummten Demonstranten
zuschiebt. Und zweitens stößt ein solches Verständnis von Fehlerkultur an
seine Grenzen, wenn es nicht um einfache Pannen geht (Beweismittel
übersehen, Formular falsch ausgefüllt, unhöflich geworden), sondern um
mutmaßliche Straftaten.
Zumal dadurch in der Bevölkerung zu Recht das Bild einer Polizei entsteht,
die mit zweierlei Maß misst: Wer als Demonstrant in einer hitzigen
Situation die Nerven verliert und einen Polizeibeamten bewirft, beleidigt
oder auch nur duzt, kann sicher nicht mit dem Verständnis von
Polizeipräsidenten rechnen. Und auch nicht mit der Empathie von
Innenministern und Regierungschefs.
In Sachsen hat mittlerweile Ministerpräsident Michael Kretschmar die
Drohung des Polizeibeamten verteidigt. „Man darf Aktion und Reaktion nicht
verwechseln“, sagte er. Wie heißt es noch mal? Der Fisch stinkt vom Kopf.
21 Sep 2020
## LINKS
[1] /Videos-von-uebergriffigen-Polizisten/!5715157
[2] /Polizeieinsaetze-in-Frankfurt-und-Hamburg/!5708482
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Polizei Niedersachsen
Polizei Thüringen
Gewalt
Drogenkonsum
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ermittlungen wegen Drogenkriminalität: Razzia bei der Polizei München
Die Staatsanwaltschaft ist am Mittwoch gegen 21 Polizisten vorgegangen.
Ihnen werden Drogendelikte und die Verfolgung Unschuldiger vorgeworfen.
Videos von übergriffigen Polizisten: Gewalt und Drohungen
Im Netz sind Videos von Polizeieinsätzen aufgetaucht: Eins zeigt wie ein
Beamter einen 19-Jährigen schlägt. Im anderen droht ein Polizist auf
Demonstrant:innen zu schießen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.