# taz.de -- Sozialwissenschaftler zum Lockdown: Regierungen guckten voneinander… | |
> Forscher haben untersucht, warum die OECD-Staaten im Frühjahr restriktive | |
> Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen haben. | |
Bild: Rom, 12. August: Italien war eines der ersten Hotspotländer | |
BERLIN taz | Warum haben Regierungen zu Beginn der Pandemie im Frühjahr | |
Maßnahmen wie Schulschließungen, Reisebeschränkungen oder | |
Versammlungsverbote ergriffen, die die Freiheit ihrer Bürgerinnen und | |
Bürger stark einschränkten? Wovon hingen ihre jeweiligen Entscheidungen ab? | |
Diesen Fragen ist nun eine Forschergruppe von Sozialwissenschaftlern aus | |
Schweden und der Schweiz nachgegangen. | |
Ihre Ergebnisse [1][veröffentlichten sie Mitte August] in der | |
Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). Den | |
Studienautoren unter Federführung von Abiel Sebhatu ging es also nicht um | |
die Wirksamkeit der sogenannten nichtpharmakologischen Interventionen. | |
Vielmehr analysierten sie per Datenanalyse und Modellierung, was die Länder | |
der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) | |
zu ihrer restriktiven Politik veranlasst hat. | |
Dabei stellten sie fest, dass die Regierungen von Staaten in schweren | |
Krisen offenbar vor allem dem Beispiel anderer Staaten folgen – und ihre | |
Entscheidungen auf das stützen, was andere Länder tun. Auffällig war, dass | |
Regierungen in Ländern mit einer stärkeren demokratischen Struktur | |
langsamer auf die Pandemie reagierten, dafür aber sensibler für den | |
Einfluss anderer Länder waren und der Politik ihrer Nachbarländer eher | |
folgten. | |
Überrascht waren die Forscher über den Befund, wie homogen die OECD-Länder | |
bezüglich des Zeitpunkts waren, zu dem sie die Restriktionen beschlossen. | |
Binnen zwei Wochen im März führten 80 Prozent der OECD-Staaten vier von | |
fünf NPIs ein. „Angesichts der Heterogenität zwischen diesen Ländern | |
hinsichtlich der Vorbereitung ihrer Gesundheitssysteme, ihrer | |
Bevölkerungsdemografie und des Grades, in dem die Pandemie zu diesem | |
Zeitpunkt in jedem Land Einzug gehalten hatte, ist die Homogenität in Bezug | |
auf den Zeitpunkt der Annahme auffallend“, schreiben die Autoren. | |
## Länder folgen einander | |
Die Wissenschaftler merken an, dass die Tatsache, dass viele Länder dem | |
Beispiel anderer folgten, anstatt Entscheidungen zu treffen, die auf der | |
spezifischen Situation ihres Landes basierten, dazu geführt haben könnte, | |
dass Länder sich entweder zu früh oder zu spät abgeschottet hätten. Wenn | |
Länder auch bei der Lockerung restriktiver Maßnahmen einander folgten, | |
könne dies mitunter zu politischen Entscheidungen führen, die unter | |
epidemiologischen Gesichtspunkten „suboptimal“ seien. | |
Zu langes Warten könne dazu führen, dass die Ausbreitung außer Kontrolle | |
gerate und das Gesundheitssystem überfordert sei. Eine zu frühe Einführung | |
von Interventionen in einem ganzen Land könne ebenfalls gefährlich sein, da | |
sie das Risiko einer „zweiten Welle“ von Infektionen erhöhen könne, sobald | |
die ersten Interventionen gestoppt würden. | |
17 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://doi.org/10.1073/pnas.2010625117 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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